Imagini ale paginilor
PDF
ePub
[ocr errors]

Soll er um fie flagen! Wenn er sich ins Dunkle verhüllt hat,
Soll drei schreckliche Nächte kein Seraph sein Angesicht sehen!
Denn will ich durch die ganze Natur ein tiefes Geheule

Hören, ein tiefes Geheule am dunkeln verfinsterten Throne,
Und ein Geheul in der Seelen Gefild, ein Geheul in den Sternen
Da, wo der Ewige wandelt, das will ich hören und Gott seyn!

Und solche Stellen haben mehrere weichen müssen, die ich mir alle sorgfältig wieder in mein Eremplar eingetragen habe. Unter andern ist der Charakter des Verräthers durch die fromme Strenge des Dichters noch einmal so unbestimmt geworden, als er vorher war. Er war schon Anfangs sehr schielend, und nun weiß man vollends nicht, was man daraus machen soll. Auch sogar alle die Wörter, die einen heidnischen Verstand haben können, die aber der Dichter, meinem Bedünken nach, sattsam geheiligt hatte, sind verwiesen worden; was vorher Schicksal hieß, heißt nun Vorsicht, und die Muse hat sich überall in eine Sängerin Sivns verwandelt.

Die größte Verbesserung, wo das Genie des Dichters ohne Zweifel am wirksamsten gewesen, ist die, welche er mit der Rede des Vaters im ersten Gefange vorgenommen. Es ist der Anständigkeit gemäß, daß sich Gort so kurz als möglich ausdrückt; und jene Rede verstieß wider diese Regel viel zu sehr. Gleichwohl mußte alles, was Gott da sagt, gesagt werden; und der Dichter ist nunmehr also auf das Mittel gefallen, ihn selbst nur die ersten Zeilen sagen, und das Uebrige einen Seraph von dem Gesichte Gottes lesen zu lassen. J bewundere diesen Einfall als eine Veränderung, zu der ihn die Noth gebracht; an und für sich selbst aber hat er meinen Beifall nicht.

3 weiter Theil.

XV.

Den 12. April 1759.

Zweiunddreißigster Brief.

Sie erinnern sich doch, daß vor einigen Jahren in dem unterirdischen Herkulanum eine kleine Bibliothek gefunden ward? Einem Gelehrten in Neapolis ist es gelungen, eine von den griechischen Handschriften derselben zu entwickeln, und das Glück hat gewollt, daß es die Eowronaria des Alciphrons seyn müssen. Der Herr von Q**, der sich jeßt in Neapolis aufhält, hat Gelegenheit gehabt, ein Stück daraus abzuschreiben, und hat es nach Deutschland geschickt. Hier ist es einem von unsern besten Dichtern in die Hände gefallen, der es so vortrefflich gefunden, daß er folgende Ueberseßung davon gemacht. Es ist das achtzehnte Erotopaignion in der Ordnung, and überschrieben:

„Die Grazien.

Als an einem Frühlingsabende sich die drei Grazien neben einem Walde in acidalischen Quellen belustigten, verlor sich plöglich Aglaja, die schönste der Grazien. Wie erschraken die Töchter der Anmuth, als sie Aglajen vermißten! wie liefen ste durch die Bäume und suchten und riefen:

[ocr errors]

So ängstlich bebt auf Manetþuser Saiten
Der zärtßte Silberton.

Aglaja! Irief der Silberton.

Aglaja!

-

half der Nachhall sanft verbreiten.

Umsonst! Aglaja war entflohn.

„Us, Pan schlich längst ihr nach! Der Frevler hat sie schon, Ach, Acidalia! blick her von deinem Thron!

.Soll sie nach langen Ewigkeiten

„Nur jezt nicht länger uns begleiten ?

Zwe Grazien find aller Welt zum Hohn;

Und ach! die dritte hat er schon!"

So klagten fie. Umsonst! Aglaja war entflohn.

Nun schlichen sie an den Büschen herum, und schlugen leise an die Blätter und flohen nach jedem Schlage furchtsam zurück. Denn stellten sie sich gleich, den Räuber auszuspäh'n,

So zitterten sie doch vor Furcht, ihn nur zu seh'n.

stedte

Endlich kamen sie an ein Rosengebüsche, das meine Chloe ver

[ocr errors]

und mich. Chloe saß vor mir, ich hinter Chloen. Jest bog ich schlau an ihrem Hals mich langsam über, Und stahl ihr schnell ein Mäulchen ab;

Jest bog sie unvermerkt den Hals zu mir herüber,
Und jedes nahm den Kuß auf halbem Weg sich ab,
Denn jedes nahm und jedes gab.

Du

In diesem Spiele überraschten uns die Grazien, und sie lachten laut, da sie uns küssen sahen, und hüpften fröhlich zu uns herbei. Da ist Aglaja! riefen sie. Die Schalkhafte! lüssest, da wir unruhig herumirren und dich nicht finden können? Und jest liefen sie mit meiner Chloe davon.

Bas? rief ich, lose Räuberinnen!

Bie sollte sie Aglaja seyn?

Ihr irrt euch sehr, ihr Huldgöttinnen !

Für Grazien ist das nicht sein!

Gebt Chloen mir zurück! Betrogne, sie ist mein!

Doch die Grazien hörten mich nicht, und liefen mit meiner Chloe davon. Zornig wollte ich ihnen nacheilen, als plößlich Aglaja binter einer Buche hervortrat, und mir winkte, und freundlich lächelnd also zu mir sprach:

Warum willst du zu Chloen eilen?

Beglückter Sterblicher, Aglaja liebet dich.
Küß jeßt einmal statt Chloen mich;
Wünsch nicht dein Mädchen zu ereilen:
JH, eine Göttin liebe dich.

Schüchtern sah ich die Huldgöttin an.
Auf ihren Wangen sprach Entzücken,

Und Jugend und Gefühl aus den verschämten Blicken.

Gefährliche Reizungen! Aber mit dreister Hand ergriff ich die Huldgöttin, führte sie zu ihren Schwestern, und sprach: Hier ist Aglaja, ihr Grazien

-

Chloe, meine Lust, mein Glück!

Gebt meine Chlse mir zurück!

Ist dieß Aglajens Mund und Blick?

Da! nehmt die Huldgöttin zurück!“

[ocr errors]

Nun, was sagen Sie hierzu? O, Sie sind entzückt. – Welche allerliebste, kleine Erdichtung! Nie hat ein Dichter sein Mädchen mehr erhoben! Nichts kann feiner seyn! Nichts zärtlicher! O die Griechen! die Griechen! Kommen Sie zurück aus Ihrer Entzückung! Ich habe Sie hintergangen. Der Gelehrte in Neapolis hat nichts entwickelt; Alciphron hat keine Еowronaiyvia geschrieben; was Sie gelesen, ist nicht aus dem Griechischen überseßt; die „Grazien“ sind ein ur: sprüngliches Werk eines Deutschen. Streichen Sie die Manethuser Saiten, gleich zu Anfange, nur weg, und sehen

Cremoneser Saiten dafür; denn so sagt der Dichter, und ich mußte diese geringe Spur des Modernen vor ihren Augen verbergen.

Aber, höre ich Sie fragen, warum sollte ich denn nun bintergangen werden? Darum! Würde ich Ihre Neugier wohl rege gemacht haben, wenn ich Ihnen geradezu geschrieben hätte: In Leipzig sind vor kurzem vier kleine Bogen herausgekommen, unter der Aufschrift „Tändeleien.“

,,Tän:

deleten?" würden Sie gerufen haben. Warum thun wir Deutschen doch das so gern, wozu wir am wenigsten aufgelegt sind? — Vergebeus hätte ich hinzugefeßt: aber es sind artige Tändeleien; sie werden den Verfasser auf einem ganz eigenen Pfade finden; sie sind eines Greffet würdig! Sie hätten mir aufs höchste geglaubt, und es dabei bewenden lasten.

Aber nun biete ich Ihnen Trok, es dabei bewenden zu lassen. Denn ich muß Ihnen nur sagen, daß alles, was die vier Bogen enthalten, in dem nämlichen Geschmacke und fast von gleichem Werthe ist. Sie werden sie ganz lesen; lassen Sie doch sehen, ob unsere Urtheile zusammentreffen. Nach den obigen Grazien hat „Amors Triumph“ und „der Ge: schmack eines Kusses“ meinen vorzüglichen Beifall. Nächst diesen haben mich die „Kriegslist des Amor,“ „an den Maler,“ „die Ode,“ und „Bacchus und Amor“ am meisten vergnügt. Die Kennzeichen der Untreue" wollen mir wegen des Bärtchens nicht gefallen; der Scherz ist zu bürgerlich. In dem Stücke an Chloen“ ist mir der Alp zuwider; und wenn der erzürnte Jupiter zu seiner untreuen Nymphe sagt:

"

Geh hin, und sey ein Alp, buhl und erweck nur Grauen! so straft er uns arme Schlafende mehr, als die Nymphe. In dem,, verliebten Wunsche“ ist mir die Vermischung der alten

« ÎnapoiContinuă »