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eine zufällige Erwähnung wissen, so wird man es nicht für auffällig, wenn auch bedauerlich erklären, daß jene Verdeutschung des Shakespearischen Lustspiels fast spurlos untergegangen ist.

Aus dem Personenverzeichniß ersehen wir nun, daß der unbekannte Verdeutscher nach dem englischen Texte arbeitete und nicht etwa nach Sybant's holländischer Uebersetzung, in der ja noch mehrere Bediente (Martijn, Dienaer van Babtista; Claas Slikom; Kees Partinentie; Pieter Zuykerzop1); Slobbetje, Meyt van Petrutio) hinzugefügt und der Knecht Curtis in Curtus Stookebrant umgetauft ist. Die Namensform Petruvio statt Petruchio, in der Köhler ein Versehen Gottsched's vermuthete, erweist sich jetzt als ursprünglich; dagegen ist der verdrängte Freier der Bianca, Gremio, nur durch einen Druckfehler zu Grumio geworden; der Pedant heißt hier << Vermummeter Vincentio». Auffallend bleibt allerdings, daß Baptista's Diener (III, 1: servant) wie bei Sybant Martinus heißt. Die Fortlassung des ganzen Vorspiels vom betrunkenen Kesselflicker haben auch die beiden späteren Bearbeitungen, die von 1672 und die Christian Weise's, mit Sybant gemeinsam.

Das Verhältniß unserer ältesten Verdeutschung zu diesen zwei nächstfolgenden läßt sich mit genügender Wahrscheinlichkeit bestim

Der Verfasser der «Kunst über alle Künste Ein bös Weib gut zu machen» hat in dem angehängten singenden Possenspiele <<Die doppelt betrogene Eyfersucht», wie ich anderwärts nachweisen werde, eine ältere gedruckte Vorlage benutzt und überarbeitet. Somit dürfen wir wohl annehmen, daß er auch für das voraufgehende Stück sich der vorhandenen Uebersetzung bediente, ohne von dem englischen Originale Kunde zu haben. Auf diese Weise erklärt sich auch die auffallende Behauptung des Vorworts (Köhler, S. VIII), dies Freudenspiel sei «von italiänischen Ursprunge», während die von Köhler, S. XXII f., aufgezählten wörtlichen Uebereinstimmungen mit dem englischen Texte auf Rechnung seiner Vorlage fallen.

Christian Weise endlich, dessen « Komödie von der bösen Catharine» uns jetzt von L. Fulda 2) in einem willkommenen Neudrucke zugänglich gemacht ist, hat sowohl die Kunst über alle

1) Nach dem engl. Sugarsop in IV, 1.

2) Die Gegner der zweiten schlesischen Schule II, 103-272; vgl. S. LXX bis LXXIV. (Kürschner's Deutsche Nationalliteratur Bd. 39). Das Stück ist wohl zwischen den Jahren 1689 und 1702 entstanden, aber nie aufgeführt worden.

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Künste als die wunderbare Heyrath Petruvio» gekannt'); aus jener hat er den Namen des Helden Hartman (statt Petruvio) mit der leichten Umwandlung in Harmen herübergenommen, aus dieser stammen die Namen Baptista und Bianca; nur Catharina hat in allen drei deutschen Bearbeitungen den ihrigen behalten.

Es ergiebt sich also folgendes Schema für die besprochenen Stücke:

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Ich schließe einige Bemerkungen über die «Kunst über alle Künste» an. Daß der ungenannte Verfasser aus Hessen oder aus der Rheinpfalz stammt, hat schon Reinhold Köhler aus Eigenheiten seiner Sprache gefolgert; für Hessen spricht z. B. auch der Ausdruck Immel2) im Alamodisch Technologischen Interim, 1675, S. 440. Die Verlagsfirma «Rappersweil, Bey Henning Lieblern», die auf den beiden andern von Köhler demselben Autor mit unzweifelhaftem Rechte zugewiesenen Komödien «Der Pedantische Irrthum» (1673) und «Alamodisch Technologisches Interim» (1675) wiederkehrt, ist weder im schweizerischen Rapperswyl noch im elsässischen Rappoltsweiler zu suchen, sondern erdichtet. E. Weller, Die falschen und fingirten Druckorte, 1857, S. 22 f., deutet sie, ohne seinen Gewährsmann zu nennen, auf Hamburg, worin ihm H. Hayn, Bibliotheca Germanorum erotica, 2. Aufl. 1885, S. 134 und 138 folgt. Sie kehrt übrigens auf einer Schwanksammlung derselben Zeit wieder:

DONUM NUNDINALE, | Oder | Meß-Gaabe, | Welche bestehet, In allerhand merkwürdigen | Lähren, vortreflichen Fragen, und |

1) Eine nähere Vertrautheit Weise's mit holländischer oder gar englischer Literatur läßt sich weder aus seinen Schriften noch aus den Katalogen der Zittauer Stadtbibliothek erweisen.

2) Vgl. Bolte, Jahrbuch für niederdeutsche Sprachforschung XI, 165.

scharfsinnigen Beantwortungen; | Benebenst | Einigen wider die Melancholey | dienenden Begebenheiten. Einem jeden verehret, Freygebigen u. B. z. | Gedruckt zu Rapperschweyl,

Von dem

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messe 1672, Bl. B 4b wird das Buch mit gleicher Verlagsfirma citiert. Der schlichte trockene Stil der hier erzählten Anekdoten unterscheidet sich allerdings erheblich von dem geschraubten und oft unsauberen, encyklopädische Bildung voraussetzenden Witze der drei Schauspiele. Doch erhalten wir wiederum einen Hinweis auf Hessen, als die Heimath des Verfassers durch die dreimalige Erwähnung von Marburg (S. 85, 92, 104), während die Wetterau (S. 87), Straßburg (S. 84), Tübingen (S. 92) je einmal genannt werden. Vielleicht helfen die Initialen M. B. K. auf die Spur des Verfassers.

Im Archiv für Literaturgeschichte XV. 446, habe ich zu den drei von Köhler beschriebenen Exemplaren der «Kunst über alle Künste»> (in Dresden, Weimar und Wien) ein viertes, auf der Kasseler Landesbibliothek befindliches nachgewiesen, welches auch ein Titelkupfer mit der Ueberschrift «Die Wiederkommende ANGELICA» enthält. Dieses Bild gehört zu einer wahrscheinlich von demselben Verleger und Autor ausgeführten Uebersetzung eines französischen Romans1), die ich auf der Kaiserlichen Bibliothek zu Petersburg fand, ohne sie genauer prüfen zu können: «Die | Wieder | kommende | ANGELI | CA» 113 S. 12o. o. O. u. J.2) Dazu steht im Leipziger Ostermeßkataloge von 1671, Bl. C, 3b verzeichnet: «Die Wiederkommende Angelica auß dem Frantzösischen verteutscht. Franckfurt bey Joh. Hoffmann in 12.>> und wiederum im Herbstmeßkataloge desselben Jahres, Bl. B, 3b: «Die wiederkommende Angelica aus dem Frantzösischen verteutscht. Franckfurt bey Jac. Gottfr. Seylern in 12.» Die drei Rappersweiler Schauspiele aber von 1672, 1673 und 1675 fehlen in den Meßkatalogen gänzlich. Man sieht, es sind nur vereinzelte Notizen, mit denen sich zunächst nicht viel anfangen läßt; doch vielleicht dienen sie einst einem glücklicheren Finder, den über dem Bearbeiter der «Kunst über alle Künste» schwebenden Schleier zu lüften.

1) Etwa A. Remy, L'Angelique. Paris 1640. Exemplar in der Bibliothek der Petersburger Akademie der Wissenschaften.

2) Anfang: «Halt, halt stille Kutscher! Rieff ein hauffen gewaffneter Bürger, Pöfel volckes und Bedienten, welche auf des Freyherrn von Blachfeldts Wagen zukamen.» Vgl. W. v. Maltzahn, Deutscher Bücherschatz. 1875. S. 363, Nr. 1148, 2: «Die Wieder kommende ANGELICA. 12o mit Kupfertitel.>>

Jahrbuch XXVII.

9

Eine Parallele

zu Shakespeare's The Taming of the Shrew.

Von

Johannes Bolte.

Reinhold Köhler hat schon 1868 in diesem Jahrbuch (III, 397 bis 401) bei der Besprechung mehrerer Erzählungen, welche denselben Stoff wie Shakespeare's The Taming of the Shrew behandeln, auf einen deutschen Schwank des 17. Jahrhunderts beiläufig hingewiesen, der in eine Reihe mit dem altfranzösischen Fabliau de la dame qui fut escoillée1), mit dem mittelhochdeutschen Gedicht Sibots2) und dem dänischen Märchen von der folgsamsten Frau3) zu stellen ist. In all diesen Dichtungen weiß der junge Ehemann seine widerspenstige Frau einzuschüchtern, indem er auf der Heimreise seinen Habicht, seine Hunde und endlich auch sein Pferd tödtet, weil sie seine Befehle nicht sofort befolgen. Aber der Schwank, den Simrock (Die Quellen des Shakespeare, 1872, I, 327-354) in seiner Betrachtung der mit der englischen Komödie verwandten Erzählungen) gänzlich mit Schweigen übergeht, zeigt noch einen weiteren bemerkenswerthen Zug, die Zähmung der Keiferin im Hause durch Hunger. Die Magd, welche trotz ihrer scheinbaren Dienstfertigkeit die Frau hinhält und ihren Starrsinn beugen hilft, entspricht Shakespeare's Grumio. Eine

1) Barbazan - Méon, Fabliaux et contes IV, 365.

2) v. d. Hagen, Gesammtabenteuer I, No. 3. Laßberg, Liedersaal II, No. 148. 3) Grundtvig, Gamle danske Minder i Folkemunde I, 88 (1854). Deutsch von R. Köhler a. a. O. und in Grundtvig's Dänischen Volksmärchen, übers. von W. Leo und A. Strodtmann II, 232 (1879).

*) Insbesondere Straparola, Notti 8, 2 und Conde Lucanor, No. 45.

direkte Einwirkung der während des 17. Jahrhunderts in Deutschland. öfter gespielten Taming of the Shrew auf den deutschen Erzähler möchte ich jedoch daraus noch nicht folgern, obwohl sie an sich möglich wäre. Immerhin verdient das Stück, durch einen Abdruck an dieser Stelle der weiteren Forschung zugänglich gemacht zu werden. Es findet sich in folgender Sammlung:

Gepflückte Fincken, Oder Studenten-Confect, Auffgetragen in Zwoen Trachten... Im Jahr BezahL DV MICh nVn Itzt fVr baar [d. h. 1667]. Gedruckt zu Frankenau, bey Hanß Brodessers Erben. 4 Bl. u. 304 S. 12. [Berliner Bibliothek Yt 9341. Die in Goedeke's Grundriß, 2. Aufl., III, 264 citierte Ausgabe von 1619 beruht sicher auf einem Irrthume].

[S. 198] CLXX.

Eine gantz böse Jungfrau wird eine gar fromme Frau.

Ein reicher Kauffmann hatte eine eintzige Tochter, die wegen ihrer Boßheit dermassen beschryen, daß auch niemand sie zu heurathen be- [199] gehrte. Endlichen kombt auß dem Krieg ein Rittmeister, der das Seinige vollends im Krieg durchgebracht; als derselbe hörte, daß diese überauß böse Jungfer so reich vnd darzu noch ziemlich schön seyn solte, kehrete er sich vmb ihre Boßheit nichtes, sondern gienge alsofort zum Kauffmann, hielte vmb seine böse Tochter an. Die Eltern wurden froh, dz sich einer angabe sie zu begehren. Damit sie einmal deß bösen Rabenaaß loß wurden, gaben sie ihm gleich das Ja. Der Tochter gefiele der Degen, die Stieffel vnd Sporen auch wol, vnd wurde also alles richtig vnd die Hochzeit gehalten.

Ein Tag etzlich nach vollendeter Hochzeit beredete der Rittmeister seine Liebste, mit ihm auff die Jagt zu reiten, nahm mit sich einen Hund vnd Falcken. Als sie nun so gantz allein ziemlich von der Stadt ab geritten, gedachte der Rittmeister, vmb seiner Liebsten Boßheit zu probiren nun Zeit zu seyn, fienge also an solcher Gestalt seinen Humor ihr sehen zu lassen. Es pickte erstlich der Falcke zu vnterschiedenen mahlen ihm in den Finger; darauff sagte er sich gantz zornig stellend zum Falcken: Wo du mirs noch einmahl thust, so siehe zu, wie ich mit dir vmbgehen will! Der Falck seiner Gewonheit nach pickte wieder; darauff schmisse er den Falcken wider den Baum, daß ihm das Gehirn daran bekleben bliebe. Als seine Liebste den Falcken todt sahe, wolte es sie ihme verweisen; er aber sagte: Ich mache es nicht anders.

Folgends kam es an den Hund; vnd weil derselbe immer weit vorauß lieffe, rieffe er ihm zu, daß er hinter das Pferd verbleiben

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