Imagini ale paginilor
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Speise und Trank für die Reise herbeibringen, es wurde unter Gesang und Gespräch bald Mitternacht, und da glaubten sie, schon längst das Schiff betreten zu haben und auf dem Meere zu fahren. Als sie vom Weine sinnlos wurden und zu taumeln begannen, meinten sie, ein Sturm sei ausgebrochen, beteten um Rettung, und als einer von ihnen einen Bürger unter einer Bank liegen sah, so behaupteten sie, das Meer stürme um des Todten willen, und warfen ihn über Bord. Durch den Lärm angelockt kamen die Nachbarn, verwiesen sie zur Ruhe und eilten dem angeblichen Todten zu Hilfe, der sehr beschädigt mitten auf der Straße lag, weshalb die vermeintlichen Kreuzfahrer, nachdem sie ihren Rausch ausgeschlafen, ihm 200 Pfund zur Sühne zahlen mußten.

Bei der Erzählung des Sturms heißt es nun (Vers 357):

Und als es kam gen Morgen,

Da fuhren sie voll Sorgen,

Und waren doch (wie Gott es weiß),

Noch nicht halbweges bis Brandeis.

Unter Brandeis ist aber natürlich nicht der Ort dieses Namens bei Prag zu verstehn, sondern Brindisi, das alte Brundisium,1) und daß diese wichtige Handelsstadt, die, als Einschiffungsplatz der Pilger nach dem heiligen Lande, allerorten und jederzeit wohlbekannt war, im Volksmunde mit dem Namen jenes böhmischen Städtchens bezeichnet wurde, liefert einen höchst beachtenswerthen Beleg für das Zustandekommen und die Erhaltung der Ideenverbindung zwischen den Namen Böhmens und Apuliens. Das angeführte Citat steht leider bisher völlig vereinzelt da; zum mindesten haben mir hervorragende Germanisten übereinstimmend mitgetheilt, daß ihnen keinerlei Parallelstelle bekannt sei, und auch die ausführlichsten mittelhochdeutschen Wörterbücher enthalten nichts in dieser Richtung.

Es mag zunächst genügen, auf die vorstehenden, sicherlich nicht uninteressanten Umstände hingewiesen und für die bisher unverständliche, vermeintlich von Unwissenheit 2) zeugende Angabe Shakespeare's

1) v. d. Hagen, und Lambel, a. a. O.

2) Viele mittelalterliche Landkarten zeigen den Norden Europas, von dem ihre Verfasser keine, oder wenig Kenntniß besaßen, sehr entstellt, und so auch Böhmen oft völlig verzerrt, viel zu weit ausgedehnt, ja bis zur Küste der Ostsee reichend. Daß Shakespeare durch einen Einfluß solcher Art beirrt worden sei, erscheint mir jedoch völlig ausgeschlossen, schon aus den zu Eingang meines Aufsatzes angeführten Gründen.

einen Erklärungsversuch unternommen zu haben; diesen auf seine Richtigkeit und Zuverlässigkeit eingehend zu prüfen, muß den Gelehrten von Fach, sowie den auf den fraglichen Gebieten thätigen Spezialforschern überlassen bleiben.1)

1) Hingewiesen sei noch darauf, daß die vereinzelt dastehende und bisher nicht genügend erklärte französische Bezeichnung der Zigeuner als «Bohémiens», vielleicht damit zusammenhangen könnte, daß die Zigeuner, welche zuerst in Südfrankreich und zwar im ersten Drittel des 15. Jahrhunderts auftreten, dahin aus Süditalien eingewandert wären, wohin sie wiederum aus dem Peloponnes (ihrem sogenannten Klein-Aegypten) leicht zu gelangen vermochten.

Der Widerspenstigen Zähmung als Görlitzer Schulkomödie (1678).

Von

Johannes Bolte.

Die älteste bekannte Uebersetzung von Shakespeare's Taming of the Shrew ist die im vorigen Jahrbuche besprochene holländische, die Abraham Sybant 1654 unter dem Titel De dolle Bruyloft zu Amsterdam erscheinen ließ. Bald darauf fand das Stück auch in Deutschland Aufnahme. Wenn uns schon der Titel einer im Februar oder März 1663 zu Dresden gespielten Posse: «Die erste tolle Hochzeit, die andere tolle Hochzeit» 1) eine Uebertragung von Sybant's Arbeit vermuthen läßt, so ist der Zusammenhang mit Shakespeare's Dichtung so gut wie gewiß bei dem im Mai 1678 wiederum am Dresdener Hofe von Johann Velten aufgeführten «ersten und zweiten Theil von der bösen Katharina» 2). Es ist sogar höchst wahrscheinlich, daß es schon vor 1658 eine gedruckte Verdeutschung der Taming of the Shrew gegeben hat. Der Zittauer Rektor Christian Keimann (1638-1662) nämlich, welcher die Schulkomödie an seiner Anstalt eifrig pflegte, hat eine solche schon am 7. März 1658 von seinen Schülern spielen lassen. Leider ist das von Gottsched3) citierte Programm, das uns diese Thatsache überliefert, nirgends mehr aufzufinden:

1) Fürstenau, Zur Geschichte der Musik und des Theaters am Hofe zu Dresden I, 216 (1861).

2) Fürstenau I, 251 f.

3) Nöthiger Vorrath zur Geschichte der deutschen dramatischen Dichtkunst I, 210 (1757). Die beiden ersten Stücke rühren von S. v. Birken her, der 1656

Vier Schauspiele. 1. Androfilo oder göttliche Wunderliebe. 2. Sylvia oder wunderthätige Liebe. 3. Der klägliche Bezwang. 4. Die wunderbare Heurath Petruvio mit der bösen Catharine, den 5. 6. 7. Martii auf dem Zittauischen Schauplatze vorgestellet. Gott gIb DeIner CrIstenheIt, FrIeDen hIer, Dort Sellgkelt. M. C. K. R. S. P. (d. i. Magister Christian Keimann, Rector Scholae Patriae.)

Doch ersetzt uns diesen Verlust einigermaßen ein um zwanzig Jahre jüngeres Programm zu einer Schulaufführung des Görlitzer Rektors Christian Funcke (1666–1695), das ich vor kurzem auf der Milich'schen Bibliothek zu Görlitz im Cod. 131, Bl. 663 fand.1) Funcke war für die schauspielerischen Uebungen seiner Zöglinge nicht weniger thätig als sein Zittauer Kollege Keimann und dessen Nachfolger Christian Weise. Seit 1676 beschränkte er sich nicht mehr auf ein einzelnes Drama, sondern gab in der Michaeliswoche alljährlich drei bis vier Stücke, die in der Regel bekanntere Leistungen der zeitgenössischen Dichter waren.2) Der Titel der Einladungsschrift lautet:

Der meist aus dem Frantzösischen Herrn Corneille ins Teutsch gebrachte, und vormals in offentlichem Trauer-Spiel zu Leiptzig von Herrn Kormarten3) vorgestellete POLYEUCTUS, oder Christliche Märtyrer: Welchen mit E. E. E. Hochweisen Raths Einwilligung, nebst der Wunderbahren Heyrath PETRUVIO mit der bösen KATHARINEN auff offentlicher Schau-Bühne zu einer nützlichen und erbaulichen SchulUbung Die bey der Görlitzischen Ober-Schule Studierende Jugend im October des MDCLXXVIII Jahres so Gott will, auffzuführen gewillet. Görlitz, drucktens die Zipperischen Erben. 4 Bl. fol.

ein lateinisches Schauspiel des Jesuiten J. Masenius (Palaestra eloquentiae ligatae, 1657) deutsch bearbeitete. Der beklägliche Bezwang geht auf Isaak Vos' 1648 erschienene holländische Uebersetzung von Lope de Vega's Komödie Fuerza lastimosa (Comedias Bd. 2. 1609) zurück. Greflinger versprach schon 1650 eine Verdeutschung, die aber unbekannt geblieben ist; Carl Andreas Paulsen führte das Stück am 12. September 1669 in Danzig unter dem Titel 'Der Irrgart der Liebe' und im Februar 1674 in Dresden als den bekläglichen Zwang' auf. Dagegen war das von Michael Daniel Drey (Treu) 1666 in Lüneburg angekündigte Schauspiel 'vom Könnich Eduardo tertio auss Engeland, wirt sonsten genandt Der beklegliche Zwanck' ganz verschieden von dem eben genannten; vgl. Bolte, Zeitschr. f. vergleich. Literaturgesch. N. F. 2, 363 Anm.

1) Herr Dr. Buchwald in Görlitz hatte die große Freundlichkeit, für mich eine Abschrift, zu der mir die Zeit fehlte, zu besorgen.

2) Das vollständige Repertoire Funcke's werde ich demnächst in einem Buche << Die deutsche Bühne des 17. Jahrhunderts » mittheilen.

3) Christoph Kormart's Polyeuct erschien zu Leipzig 1669 (Berlin, Leipziger Universitätsbibliothek, Prag, Weimar). Vgl. Bolte, Herrig's Archiv 82, 111 f.

Aus Funcke's Vorrede geht hervor, daß die Aufführungen am 20. und 21. Oktober Mittags um 1 Uhr stattfanden und daß beidemal ein Schattenspiel angehängt war. Ueber den Inhalt und die Quelle des zweiten Stückes sagt er kein Wort; nur ein Personenverzeichniß, das für uns freilich recht werthvoll ist, fügt er bei.

Personen des Freuden-Spieles,

von der wunderbahren Heyrath Petruvio mit der bösen Katharinen.

Vorredner,
Baptista Minola,

Catharina, Baptistae älteste Tochter,
Bianka, Baptistae jüngste Tochter,
Lucentio, ein junger Edelmann von Pisa,
Petruvio, Edelmann von Verona, der Ca-
tharinen Liebhaber,

Hortensio, ein junger Edelmann in Padua,
Vincentio, Lucentii Vater,
Vermummeter Vincentio,

Grumio, alter Bürger zu Padua,
Die Wittib,

Curtas, Petruvii Diener,
Tranio, Lucentii Diener,

Bondello, Lucentii ander Diener,

Grumio, Petruvii Diener,
Martinus, Baptistae Kammer-Diener,
Der Schneider,

Schluß-Redner,

Allgemeiner Schluß-Redner,

Tobias Grantz, Gorl. Lus.

Johann Henrich Räthel, Sprotta Sil.
Johann Adam Hoffstäter, Cremmicio-Hung.
Hans Caspar von Spiller, Nob. Sil.
Joachim Specht, Gorl. Lus.

Johann Henrich Oder, Sor. Lus.
Johann Friedrich Titze, Gorl. Lus.
Bartholomaeus Gehler, Gorl. Lus.
Sigmund Schetler, Gorl. Lus.
Abraham Heine, Sag. Sil.

Paul Simon, Poson. Hung.

Christian Gabriel Funcke, Freib. Misn.
Michael Wiedemann, Laub. Lus.

Joh: David Rotsch, Gorl. Lus.
Gottlob Steinbach, Gorl. Lus.
Gottfried Michael Fetter, Sora Lus.
Hans Friedrich Elers, Gorl. Lus.
Gottfried Winter, Gorl. Lus.

David Caspar Meissner, Gorl. Lus.

Es kann kaum ein Zweifel darüber walten, daß «die wunderbahre Heyrath Petruvio mit der bösen Katharinen» sowohl Keimann als Funcke (und auch Velten) in gedruckter Gestalt vorgelegen hat. Denn konnte Reinhold Köhler in seiner umsichtigen Einleitung zur «Kunst über alle Künste», 1861, S. XII, bei Keimann noch an eine von einer Schauspielertruppe entlehnte Handschrift denken, weil auch von der voraufgehenden Nummer seines Programmes, dem bekläglichen Zwange, kein Druck bekannt ist, so wäre es doch auffällig, wenn Funcke, dessen Vorlagen wir sonst fast sämmtlich nachzuweisen vermögen, hier eine etwa aus Zittau entliehene handschriftliche Komödie benutzt hätte, ohne dies auch nur im geringsten anzudeuten; auch in den handschriftlich im Cod. 131, Bl. 667-684 erhaltenen Vorreden und Nachreden der beiden Görlitzer Stücke von 1678 findet sich nichts darauf Bezügliches. Bedenkt man, von wie vielen Drucken des 17. Jahrhunderts wir nur durch ein einziges Exemplar oder

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