Imagini ale paginilor
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haben, wo sie ohnedem nicht die beste Aufnahme erhielten, so können sie auf eine sehr lange Zeit verscheucht bleiben. Der Friede wird ohne sie wieder kommen; ein trauriger Friede, von dem einzigen melancholischen Vergnügen begleitet, über verlorene Güter zu weinen.

Ich rufe Ihre Blicke aus dieser finstern Aussicht zurück. Man muß einem Soldaten sein unentbehrliches Geschäft durch die bejammernswürdigen Folgen desselben nicht verleiden.

Lieber will ich Sie und mich mit dem süßen Traume unterhalten, daß in unsern gesittetern Zeiten der Krieg nichts als ein blutiger Prozeß unter unabhängigen Häuptern ist, der alle übrige Stände ungestört läßt, und auf die Wissenschaften weiter keinen Einfluß hat, als daß er neue Xenophons, neue Polybe erweckt. Lieber will ich für Sie auch die leichtesten Spuren der unter uns noch wandelnden Musen aufsuchen, und ihnen bis in die glücklichern Reiche nachspüren, aus welchen sie, nicht längst, einen kürzern Weg zu uns gefunden zu haben scheinen.

Die Umstände, unter welchen Sie diese Arbeit von mir verlangen, machen sie mir zu einem Vergnügen, auf welches ich stolz zu seyn Ursache habe. Kann sich derjenige weigern, Ihre Schmerzen durch kleine Zerstreuungen zu lindern, der sie gern mit Ihnen getheilt hätte? ic.

Zweiter Brief.

Wenigstens ist die Gelehrsamkeit, als ein Gewerbe, unter uns in noch ganz leidlichem Gange. Die Meßverzeich= nisse sind nicht viel kleiner geworden, und unsere Ueberseßer arbeiten noch frisch von der Faust weg.

Was haben sie nicht schon alles überseßt, und was werden

sie nicht noch übersehen! Eben jeßt habe ich einen vor mir, der sich an einen englischen Dichter rathen Sie einmal an gemacht hat. O Sie können es doch nicht er= An Popen. 1

welchen! rathen!

Und in Prosa hat er ihn überseßt. Einen Dichter, dessen großes, ich will nicht sagen größtes, Verdienst in dem war, was wir das Mechanische in der Poesie nennen; dessen ganze Mühe dahin ging, den reichsten, triftigsten Sinn in die wenigsten, wohlklingendsten Worte zu legen; dem der Reim keine Kleinigkeit war einen solchen Dichter in Prosa zu überseßen, heißt ihn ärger entstellen, als man den Euklides entstellen würde, wenn man ihn in Verse überseßte.

Es war auch ein bloßer Buchhändlereinfall, wie der Ueberseßer selbst gesteht. Und was geht es diesem an, womit jener ihn Geld verdienen läßt, und selbst Geld zu verdienen denkt? Freilich sollte so ein blindlingsgefälliges Werkzeug eine be scheidenere Sprache führen, als unser Ueberseßer des Pope führt. Er sollte nicht sagen: Ich habe mir eingebildet, meinen Dichter völlig zu verstehen und mich darauf verlassen, daß meine eigene kleine Dichtergabe, so geringe sie auch seyn mag, mir zu Hülfe kommen würde, das Verstandene so auszudrücken, daß der Schwung und die Deutlichkeit nicht zu viel verlören."

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Denn je größer er sich selbst macht, desto unbarmherziger wird ihm der Leser sein thörichtes Unternehmen aufmußen, desto höhnischer wird er ihm jeden Fehler vorwerfen, der seinem Eigenlobe widerspricht. 3. E.

Pope will die Nachahmung der Alten rechtfertigen. Man verlangt, sagt er, und erwartet von einem Dichter, daß er

1 Herrn Alexander Pope sämmtliche Werke 2c. Erster Band. Altona bei D. Iversen. 1758 in S.

ein gelehrter, und in den Werken der Alten belesener Mann (a Scholar) sey, und ist gleichwohl unwillig, wenn man findet, daß er wirklich so ein Mann ist. Was meinen Sie wohl, daß aus dieser feinen Anmerkung unter der Feder des Uebersehers geworden ist? Er hat Scholar, als ein wahrer Schüler, durch Schüler überseßt und sagt: „1 In der That ist es sehr unbillig, daß man aus uns Schüler haben will, und dennoch unwillig wird, wenn man uns als Schüler befindet.“

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Pope vergleicht den Virgil mit seinem Muster, dem Theokrit. Der Römer, sagt er, übertrifft den Griechen an Regelmäßigkeit und Kürze, und ist ihm in nichts nachzuseßen, als in der Einfalt des eigenthümlichen Ausdrucks. (Simplicity and propriety of style.) Pope meint, daß der Styl in den Virgilischen Eklogen uneigentlicher, verblümter sey, als in den Theokritischen; und der Vorwurf ist nicht ohne Grund. Allein wie ihn der Ueberseßer ausdrückt, ist er es gänzlich. Er giebt nämlich Propriety durch Richtigkeit; und welcher Schriftsteller, selbst keiner von den Alten ausgenommen, ist dem Virgil in der Richtigkeit des Styls (Correctness) vor= zuziehen??

Pope erzählt die Geschichte seiner Autorschaft. Ich schrieb, sagt er, weil es mich angenehm beschäftigte; ich verbesserte, weil mir das Verbessern eben so viel Vergnügen machte, als das Schreiben; ich ließ drucken, weil man mir schmeichelte, daß ich Leuten gefallen könnte, deren Beifall einen guten Namen 3 verschaffte. Der Ueberseßer aber läßt ihn sagen: „daß ich denen gefallen könnte, denen ich zu gefallen wünschte.“

1 That people should expect us to be Scholars, and yet be angry to find us so. In der Vorrede.

2 Abhandlung von der Schäferpoesie 6. 7. der deutschen Ueberseßung. 3 Such as it was a credit to please. In der Vorrede.

Virgil, der sich den Theokrit zum Muster vorgestellt sagt Pope und der Ueberseßer: Virgil der den Theokrit ausschreibt.

Dieses sind noch lange nicht alle Fehler, aus der bloßen Vorrede und Abhandlung von der Schäferpoesie, aus den ersten und leichtesten, nämlich prosaischen Stücken des ersten Bandes. Urtheilen Sie, wie es tiefer herein aussehen mag!

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Was der Ueberseßer zur Entschuldigung seiner oft undeutschen Wortfügungen anführt; wie er sich in dieser Entschuldigung verwirrt und sich unvermerkt selbst tadelt, ist auf der siebenzehnten Seite des Vorberichts lustig zu lesen. Er verlangt, daß man, ihn zu verstehen, die Kunst zu lesen besize. Aber da diese Kunst so gemein nicht ist; so hätte er die Kunst zu schreiben verstehen sollen. Und wehe der armen Kunst zu lesen, wenn ihr vornehmstes Geschäft seyn muß, den Wortverstand deutlich zu machen! ic.

Dritter Brief.

Wollen Sie einen andern kennen lernen, dessen guter Wille uns nun schon den zweiten englischen Dichter verdorben hat? Verdorben klingt hart; aber halten Sie immer dem Unwillen eines getäuschten Lesers ein hartes Wort zu gute.

Von des Herrn von Palthen Ueberseßung der Thomsonschen

1 In dem Vorberichte verspricht man die neun englischen Octavbände in sechs deutsche zu bringen, und in den ersten deutschen die Hälfte des zweiten englischen mit zu fassen. Am Ende aber hat man sich anders besonnen; und die Leser erhalten nicht einmal den ganzen englischen ersten Band in diesem ersten deutschen; denn es fehlt ihm noch der Epilogus zu „Rowe's Jane Shore."

Jahrszeiten werden Ihnen frühere Urtheile zu Gesichte ge= kommen seyn. Nur ein Wort von seinen „Fabeln des Gay.“ 1

Ein guter Fabeldichter ist Gay überhaupt nicht, wenn man seine Fabeln nämlich nach den Regeln beurtheilt, welche die Kunstrichter aus den besten Fabeln des Aesopus abstra= hirt haben. Bloß seine starke Moral, feine feine Satyre, feine übrigen poetischen Talente machen ihn, trok jenen Regeln, zu einem guten Schriftsteller.

Schade um so vielmehr, daß so manche feine Satyre dem Ueberseker unter der Arbeit verflogen ist! Und es muß eine sehr eilfertige Arbeit gewesen seyn! Sehr oft hat er sich auch nicht die Zeit genommen, die Worte seines Originals recht anzusehen. Wenn Gay sagt:

The Miser trembling lock'd his chest;

(der Geizhals verschloß zitternd seinen Kasten) so sieht er lock'd für look'd an, und überseht: der Geizhals blickte zitternd auf seinen Kasten.

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Das englische Chamäleon rühmt sich, es habe eines jeden Höflings Leidenschaft zu treffen gewußt:

I knew to hit each courtier's passion,

und das deutsche sagt: ich vermied eines jeden Höflings Leidenschaft zu berühren. Dieses folglich ist kaum halb so geschickt als jenes. Verstehen etwa die deutschen Schmeichler ihr Handwerk weniger, als die Schmeichler einer andern Nation? 3

Gay beschreibt ein unglückliches Ehepaar. Er der Mann, sagt er, liebt das Befehlen, und die Frau das Widersprechen. Sich sklavisch zu unterwerfen, ist durchaus nicht ihre

1 Hamburg und Leipzig bei Grund und Holle 1758 in 8.

2 VI. Fabel.

3 II. Fabel.

4 XII. Fabel.

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