Imagini ale paginilor
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Fischart ist. Und was kann einander ähnlicher seyn, als dieser deutsche „Rabelais,“ und der deutsche Bienenkorb des Philipp von Marnir, von welchem leßtern man es gewiß weiß, daß ihn Fischart überseht hat.

Vor dem angeführten Eingange läßt Fischart noch eine Zueignung an die deutsche Nation vorhergehen. Sie ist in Herametern und Pentametern abgefaßt, bei welchen leztern dieses Besondere ist, daß nicht allein Pentameter mit Pentameter, sondern auch jedes Hemistichion mit dem andern reimt. Ich bitte Sie, vornehmlich auf die leßten acht Zeilen aufmerksam zu seyn.

Dapfere meine Teutschen, redlich von Gemüt und Geblüte,

Nur ewerer Herrlichkeit ist dieses hie zubereit.

Mein Zuversicht jederzeit ist, hilft mir göttliche Güte,
Zu preisen in Ewigkeit, ewere Großmütigkeit.
Ihr seyd von Redlichkeit, von großer streitbarer Hande,
Berümbt durch alle Land, immerdar ohn Widerstand:
So wer es euch allesampt fürwar ein mächtige Schande,
Wird nit das Vaterland in Künstlichkeit auch bekannt.
Drumb dieselbige sonderlich zu förderen eben:

So hab ich mich unverzagt, auf ießiges gern gewagt,
Und hof solch Reymes Art werd euch Ergößlichkeit geben,
Sintemal ein jeder fragt, nach Newerung die er sagt.
Harpffenweis Orpheus, jeßumal kompt wiederumb hoche
Dein artige Reymenweiß, zu ihrigem ersten Preiß.
Denn du ein Tracier von Geburt und teutscher Sprache,
Der erst solch unterweist, frembde Völker allermeist,
Dieselbige lange Zeit haben mit unserer Künste,

Allein sehr stolziglich, gepranget unbilliglich:

Jezumal nun baß bericht, wollen wir den fälschlichen Dunste

Ihn nemmen vom Angesicht, uns nemmen zum Erbgedicht.

Das heißt wahrhaftig ein fremdes Sylbenmaaß mit einer sehr artigen Empfehlung einführen. Die Empfehlung des Heräus ist lange so sinnreich nicht, wenn er zu seinem Helden sagt: Lehrst du die Deutschen dein Reich wie Römer verfechten,

"

Darf ja der Deutschen ihr Reim römischen ähnlicher seyn.

Verschiedene Jahre nach Fischart hat Alsted in seiner Encyklopädie" wieder ein Muster von deutschen Herametern gegeben, welches ich lange Zeit für das erste gehalten. Die erste Ausgabe der „Encyklopädie“ ist von 1620 in Quart, und in dieser findet es sich noch nicht, sondern erst in der nachherigen vollständigern Ausgabe in Folio.

Von Alsteden aber bis auf den Heräus habe ich des deutschen Herameters nirgends gedacht gefunden. Auch nicht einmal in den Lehrbüchern der Dichtkunst, wo doch Muster in andern lateinischen Sylbenmaaßen, in dem Alcaischen zum Exempel vorkommen. Dergleichen Kleinigkeiten zu wissen, ist deßwegen gut, um bei gewissen Lesern dem Vorwurfe der Neuerung vorzubauen.

Neunzehnter Brief.

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Ich komme auf unsern „Messias“ zurück. Der Kunstrichter tadelt an dem Dichter unter andern, 1„daß er zu= weilen seine Wortfügungen dermaßen verwirre, daß sich die Beziehung der Begriffe auf einander verliere, und sie dunkel werden müßten." Er führt folgendes Beispiel an:

Fepert! Es flamm Anbetung der große, der Sabbat des Bundes, Von den Sonnen zum Throne des Richters! Die Stund ist gekommen. und seßt hinzu: „Wer diese zwei Verse ungezwungen erklärt,

1 Des ersten Bandes zweites Stück. S. 328.

erit mihi magnus Apollo, und wenn er eine natürliche Construction darin entdecken kann, Phyllida solus habeto." Mit dem Tadel selbst kann es hier und da seine Richtigkeit haben; aber das Beispiel ist unglücklich gewählt. Lassen Sie mich versuchen, ob ich die Phyllis verdienen kann. Die Construction ist diese: „Feiert! Der große Sabbat, der Sabbat des Bundes flamme Anbetung von den Sonnen zum Throne des Richters! Die Stunde ist gekommen!" Und was ist denn hier unnatürliches? Etwa dieses, daß das Subject hinter seinem Zeitworte steht, und das Zeitwort durch das vorge= seßte Es zum Impersonali geworden zu seyn scheint? Aber was ist in unserer Sprache gewöhnlicher, als dieses? Hat der Kunstrichter nie das alte Lied gehört: „Es woll uns Gott gnädig seyn?" Und hat Herr Klopstock nicht eben so wohl sagen können: „Es flamme Anbetung der große Sabbat des Bundes?" Die Construction ist also gerettet, und der Kunstrichter mache sich immer fertig, mich als seinen großen Apollo zu verehren! Denn wem kann der Sinn nun noch zweideutig seyn? Eloa kommt vom Throne Gottes herab, und ruft durch die Himmel, daß jeßt der Versöhner zum Tode geführt werde. Diese Stunde der Nacht, wie sie in der folgenden Zeile heißt, nennt Eloa den großen Sabbat des Bundes, und von diesem will er, daß er durch alle Welten Anbetung flamme, verbreite.

Doch ich eile, Ihnen zu entdecken, wodurch zufälliger Weise diese Recension des Messias bei weitem so unterrichtend nicht geworden ist, als sie wohl hätte werden können. Ihr Verfasser hat die Originalausgabe dieses großen Gedichts nicht gekannt, die nun schon vor vier Jahren in der königlichen Druckerei zu Koppenhagen 1 veranstaltet worden. Sie besteht 1 Im Jahr 1755, in groß Quart.

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aus zwei prächtigen Bänden; aber die Pracht ist das geringste ihrer Vorzüge. Der erste Band enthält eine Abhandlung von der geistlichen Epopee und die ersten fünf Gefänge; der zweite enthält die fünf neuen Gesänge und die schon erwähnte Abhandlung von der Nachahmung der griechischen Sylbenmaaße. War diese Ausgabe vielleicht zu kostbar, daß sich die Liebhaber in Deutschland mit dem Hallischen Nachdrucke begnügen lassen? Oder haben die Herren Buchhändler sie vorfäßlich unterdrückt? Man sagt, daß sie es mit gewissen Büchern thun sollen. Was läge unterdessen daran, wenn nur das Publicum bei dem Nachdrucke nichts verloren hätte. Aber hören Sie, wie viel es noch bis jezt verliert. Man hat nur den zweiten Band nachgedruckt, und den ersten gar keiner Achtung gewürdigt. Gleichwohl enthält er, wie gesagt, eine besondere neue Abhandlung, und die Gefänge selbst sind an ungemein vielen Stellen verändert und verbessert worden.

Veränderungen und Verbesserungen aber, die ein Dichter, wie Klopstock, in seinen Werken macht, verdienen nicht allein angemerkt, sondern mit allem Fleiße studirt zu werden. Man studirt in ihnen die feinsten Regeln der Kunst; denn was die Meister der Kunst zu beobachten für gut befinden, das sind Regeln.

Sie sind jeßt nicht in den Umständen, daß Sie selbst diese Vergleichung der ersten und neuern Lesarten anstellen könnten, die Sie zu einer anden Zeit sehr angenehm beschäftigen würde. Erlauben Sie mir also, Ihnen noch eines und das andere davon zu sagen.

Welch einen lobenswürdigen Fleiß hat der Dichter auf die Sprache und den Wohlklang verwendet. Auf allen Seiten findet man Beispiele des bestimmtern Sylbenmaaßes, der reinern Wortfügung, und der Wahl des edleren Ausdrucks.

In Ansehung der Wortfügung hat er unter andern eine Menge Participia, wo sie den Perioden zu schwerfällig, oder zu dunkel machten, aufgelöst. Z. E. wo er den Satan mit grimmigem Blicke den göttlichen Weltbau durchirren läßt,

Daß er noch durch so viele Jahrhunderte, seit der Erschaffung In der ersten von Gott ihm gegebenen Herrlichkeit glänzte heißt nunmehr die lehte Zeile

In der Herrlichkeit glänzte, die ihm der Donnerer anschuf. Oder wo er sonst den Zophiel sagen ließ:

Verkündigt der dampfende Nebel

Seine von allen Göttern so lange gewünschte Zurückkunft, heißt es jeßt:

Seine Zurückkunft, auf welche die Götter so lange schon harrten. Und so in hundert andern Stellen, mit welchen die Feinde der Mittelwörter nun weniger unzufrieden seyn werden. Gewisse Wörter hat der Dichter zu gemein befunden, und fie haben ausgesuchtern weichen müssen. Wo es vorher hieß: Wische dem Knaben die Zähre vom Antlig

oder:

Wischet mit mir, wenn er stirbt, das Blut von seinem Gesichte ist beidemal für wischen, trocknen gesezt. Das Wort Be= hausung, welches der Dichter sonst sehr oft brauchte, hat überall seinen Abschied bekommen; und ich finde nur eine einzige Stelle, wo es stehen geblieben. Ich weiß zwar in Wahrheit nicht, was Herr Klopstock wider dieses alte ehrliche Wort haben mag; er muß aber doch etwas dawider haben, und vielleicht entdecken Sie es.

Andere Veränderungen betreffen Schönheiten des Detail. Dahin gehören besonders nicht wenige besser ausgemalte Beschreibungen; dergleichen diese, wo von den Geistern der Hölle im zweiten Gesange gesagt wird;

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