Imagini ale paginilor
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und Gegengründe abzuwägen weiß, gegen den man mit Ehren Unrecht haben kann! Erlauben Sie mir, die ganze Stelle durchzugehen, und anzuzeigen, was ich für mehr oder weniger schließend, und was ich für völlig entscheidend darin halte.

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Der Götting'sche Gelehrte erkennt in der Borghesischen Statue den ganzen Wuchs, die ganze Bildung eines Fechters; das Ansehen eines atheniensischen Feldherrn hat sie ihm gar nicht. Gegen jenes hat Winkelmann schon erinnert, „daß den Fechtern in Schauspielen die Ehre einer Statue unter den Griechen wohl niemals widerfahren sey, und daß dieses Werk älter, als die Einführung der Fechter unter den Griechen zu seyn scheine." Auf dieses würde ich antworten, daß die Statue ikonisch sey. Es war eine größere Ehre bei den Griechen, eine ikonische Statue zu erhalten, als eine bloß idealische,1 und 'Chabrias war der größern Ehre wohl würdig. Folglich muß man das Ideal eines Feldherrn daran nicht suchen; sie ist nach der Wahrheit der Natur gebildet, und aus einem einzelnen Falle genommen, in welchem sich Chabrias selbst zugleich mit als den thätigen Soldaten zeigte, nachdem er sich als den denkenden Feldherrn erwiesen hatte. Wenn Winkelmann die erhabenern Statuen des Apollo und Laokoon mit dem Heldengedichte vergleicht, welches die Wahrscheinlichkeit über die Wahrheit hinaus bis zum Wunderbaren führt: so ist ihm unser Fechter wie die Geschichte, in welcher nur die Wahrheit, aber mit den ausgesuchtesten Gedanken und Worten vorgetragen wird. Er sieht in seiner Bildung einen Menschen, welcher nicht mehr in der Blüthe seiner Jahre steht, sondern das männliche Alter erreicht hat, und findet die Spuren von einem Leben darin, welches beständig beschäftigt gewesen und durch Arbeit abgehärtet worden. Alles das 1 Laokoon S. 13. (Bd. VI. S. 15.)

läßt sich eher von einem Krieger überhaupt, es sey ein befehlender oder gehorchender, als von einem abgerichteten feilen Fechter sagen.

Nach der Form, welche also wider meine Deutung eigentlich nicht wäre, lassen Sie uns die Stellung betrachten. Der Borghesische Fechter, sagt Winkelmann, hat den Kopf und die Augen aufwärts gerichtet, und scheint sich mit dem Schilde vor etwas zu verwahren, das von oben herkömmt. Aber der Soldat des Chabrias, sagt mein Gegner, mußte gerade vor sich hinsehen, um den anrückenden Feind zu empfangen; ja er mußte sogar herabwärts sehen, indem er auf einer Anhöhe stand, und der Feind gegen ihn bergan rückte. Hierauf könnte ich antworten: der Künstler hat sein Werk auf eine abhängende Fläche weder stellen können, noch wollen; sowohl zum Besten seiner Kunst, als zur Ehre der Athenienser, wollte er und mußte er den Vortheil des Bodens unangedeutet lassen, den diese gegen die Spartaner gehabt hatten; er zeigte die Stellung des Chabrias wie sie für sich, auf gleicher Ebene mit dem Feinde, seyn würde; und diese gleiche Ebene angenommen, würde der einhauende Feind unstreitig seinen Hieb von oben herein haben führen müssen; nicht zu gedenken, daß der Feind, wie Diodor ausdrücklich sagt, zum Theil auch aus Reiterei bestand, und der Soldat des Chabrias sich um so mehr von obenher zu decken hatte. Dieses, sage ich, könnte ich antworten, würde ich antworten, wenn ich sonst nichts zu antworten hätte, das näher zum Zwecke trifft. Aber wie ich schon erinnert habe, daß Winkelmann die Füße des Fechters verwechselt, so muß ich auch hier sagen, daß er die Lage des schildtragenden Armes ganz falsch erblickt, oder sich ihrer ganz unrichtig wieder erinnert hat. Und das ist der Umstand! Es ist mir` _schwer zu begreifen, wie so ein Mann in

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Beschreibung eines Kunstwerkes, das er unzähligemal muß betrachtet und wieder betrachtet haben, sich so mannichfaltig habe irren können; gleichwohl ist es geschehen, und ich kann weiter nichts als es bedauern, daß ich seinen Angaben, die ich nach dem eigenen Augenscheine ertheilt zu seyn glauben durfte, so forglos gefolgt bin.

Nein, der Borghesische Fechter scheint sich nicht mit dem Schilde vor etwas zu verwahren, was von oben her kömmt; schlechterdings nicht. Denn wenn er dieses scheinen sollte, müßte nicht nothwendig der Schild auf dem Arme fast horizontal liegen, und die Knöchelseite der Hand nach oben gekehrt seyn? Aber das ist sie nicht; die Knöchel sind auswärts, und das Schild hat fast perpendikular an dem Arme gehangen, welches auch aus dem Polster des obern Schildriemen abzunehmen. Der Kopf und die Augen sind auch nicht höher gerichtet, als nöthig ist, hinter und über dem Schilde weg zu sehen, und aus der gestreckten niedrigen Lage dem Feinde ins Auge blicken zu können. In den meisten Kupfern geht der linke Arm viel zu hoch in die Luft; die Zeichner haben ihn aus einem viel tiefern Gesichtspunkte genommen, als den übrigen Körper. Die eingreifende Hand sollte mit der Stirne fast in gerader Linie liegen, dessen mich nicht nur verschiedene Abgüsse überzeugen, sondern auch Herr Anton Tischbein versichert, welcher in Rom diese Statue studirt, und sie mehr als zehnmal aus mehr als zehn verschiedenen Gesichtspuncten gezeichnet hat. Ich habe mir unter seinen Zeichnungen diejenige, die ich zu meiner Absicht hier für die bequemste halte, aussuchen dürfen, und lege fie Ihnen bei.1 In der Sammlung des Maffei ist es schon aus der Vergleichung bei= der Tafeln, die sich daselbst von dem Fechter befinden, 1 S. Laf. VIII.

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