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Fünfter Brief.

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Der Ueberseßer des Gay hat sich zu gleicher Zeit auch als Verfasser gezeigt, und „Versuche zu vergnügen“, 1 herausgegeben.

Ich denke so: mir nüßlich zu seyn, möchte man so oft und viel versuchen, als man nur immer wollte; wenn ich nur die Versuche mich zu vergnügen verbitten könnte. Laßt uns lieber den wilden Bart tragen, ehe wir zugeben, daß die Lehrlinge der Barbierstuben an uns lernen!

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Der,,Lenz" des Herrn von Palthen scheint eine Sammlung von alle dem zu seyn, was er bei Uebersehung des Thomsonschen Frühlings schlechteres gedacht hat; eine Sammlung von Zügen und Bildern, die Thomson und Kleist und selbst Zachariä verschmäht haben. Er malt Mücken, und der Himmel gebe, daß uns nun bald auch jemand Mückenfüße male! Doch nicht genug, daß er seine Gegenstände so klein wählt; er scheint auch eine eigene Luft an schmußigen und eckeln zu haben. Die aufgeschürzte Bauermagd mit blutdurchströmten Wangen und derben sich zeigenden Waden, wie fie am abgespannten Leiterwagen steht, mit zackigter Gabel den Mist darauf zu schlagen. Der erhißte brüllende Stier, mit der breiten Brust und dem bucklichten Rücken, der die ihm nicht stehende Geliebte verfolgt, bis er endlich mit einem gewaltigen Sprunge über sie herstürzt und unwiderstehlich sie

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1 Erste Sammlung. Rostock und Wismar bei Berger und Bödner 1758. groß 8. Enthält 1) Der Lenz. 2) Uebersetzung des zweiten Buchs des Palingenius. 5) Project, einen immerwährenden Frieden zu unterhalten. 4) Petrarchs Leben in einem Sendschreiben an die Nachwelt von ihm selbst. 5) Lieder des Horaz. 6) Nachricht von dem Buche Naufrage des Isles flottantes. 7) Leben des Johann Philipp Palthenius.

2 Seite 14.

hält. - Der Ackersmann, der sein schmußiges Tuch löst, woraus er schmierigen Speck und schwarzes Brod hervorzieht. – Die grunzende Sau, mit den fleckigten saubern Ferkeln. Der feurige Schmaß einer Galathee. Zu viel, zu viel

Ingredienzen für ein Vomitiv!

Hier ist eine Herzstärkung! Ein Project zu einem immerwährenden Frieden! „Aber keine Herzstärkung für mich;" werden Sie sagen. „Der Mann will mir das Handwerk legen!“ Ach nicht doch! Er meint es so böse nicht. Sein Haupteinfall ist dieser: ein allgemeines Parlament oder Tribunal zu er= richten, dessen Ausspruch sich alle europäische Staaten gefallen ließen. Merken Sie nun, daß der Herr von Palthen ein Rechtsgelehrter ist? Aber als jener alte Offizier seinen Vorschlag zur Verkürzung der Prozesse that und die alten gerichtlichen Duelle wieder einzuführen rieth, nicht wahr, da verrieth sich der Offizier auch? Doch dieses bei Seite! Wenn sich nun unter den europäischen Mächten Halsstarrige fänden, die dem Urtheile des Tribunals Genüge zu leisten sich weigerten? Wie da? O der Herr von Palthen hat vollstreckende Völker, er hat militärische Erecution. Hat er die? Nun wohl, so hat er Krieg; und Sie sollen Zeit genug weiter avanciren. Werden Sie nur bald gesund!

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Was soll ich Ihnen von seinen drei ersten Oden des Horaz sagen? Gleich vom Anfange heißt es:

Und wenn ihr Wagen ohne Fehl

Mit heißer Achs zum Ziel gelanget.

Metaque fervidis evitata rotis. Das Ziel zu erreichen, war das wenigste. Sie mußten um das Ziel herum! — Lassen Sie uns nicht weiter lesen.

Und wie oft zeigt der Herr von Palthen, ich weiß nicht,

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welche eingeschränkte Kenntnisse! . . Petrarch sagt von sich: „Ich habe nie an Schmaufen ein Vergnügen gefunden, sondern habe bei mäßiger Kost und gewöhnlichen Speisen ein vergnüg= teres Leben geführt, als alle Nachfolger des Apicius.“ Und der Herr von Palthen seßt in einer Anmerkung hinzu: „Ez wird hier auf den Apicius Cälius gezielt, welcher zehn Bücher von der Kochkunst geschrieben ic.“ Allein, muß denn ein Mann, der Gerichte zubereiten lehrt, nothwendig ein Schlemmer seyn? Er hätte, wie bekannt, einen ganz andern Apicius hier anführen sollen, und würde unter drei berühmten Schlemmern. dieses Namens die Wahl gehabt haben.

Das Project des Abts von St. Pierre zu einem beständigen Frieden, sagt der Herr von Palthen, sey ihm nicht zu Gesichte gekommen. Die ganze Welt kennt es. Es ist unendlich sinnreicher als seines und läuft auf eine proportionirliche Herabsehung der Kriegsheere aller europäischen Staaten hinaus.

III.

Den 18. Januar 1759.

Siebenter Brief.

Sie haben Recht; dergleichen schlechte Ueberseßer, als ich Ihnen bekannt gemacht habe, sind unter der Kritik. Es ist aber doch gut, wenn sich die Kritik dann und wann zu ihnen herabläßt; denn der Schade, den sie stiften, ist unbeschreiblich. Wenn durch eine große, wunderbare Weltveränderung auf einmal alle Bücher, die deutsch geschriebenen ausgenommen,

1 Seite 89. Lessing, Werke. V.

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untergingen; welch eine erbärmliche Figur würden die Virgile and Horaze, die Shaftesburys und Bolingbroks bei der Nachwelt machen!

Oder meinen Sie, daß bei einem so allgemeinen Schiffbruche der Wissenschaften die’deutsche Gelehrsamkeit nur immerhin auch mit versinken möchte?

Das wäre zu bitter geurtheilt! Man verachtet keinen Baum wegen seiner unansehnlichen Blüthe, wenn er wegen seiner Frucht zu schäßen ist. Unsere schöne Wissenschaften würden zu vergessen seyn, aber unsere Weltweisheit nicht. Noch zu bitter! Nein, auch in jenen fehlt es uns nicht an Männern, die alsdann an die Stelle der großen Ausländer und der noch größern Alten treten müßten und könnten! Klopstock würde Homer; Cramer, Pindar; Uß, Horaz; Gleim, Anakreon; Gessner, Theokrit; Wieland, Lucrez

Wieland, Lucrez? So geht es, wenn man träumt! Es finden sich im Traume Dinge oft wieder zusammen, die man seit vielen Jahren nicht mit einander gedacht hat. Herr Wieland hätte es längst gern aus unserm Gedächtniß vertilgt, daß er der Verfasser der „Natur der Dinge“ ist, und aus dem meinigen schien es auch wirklich vertilgt zu seyn

Erlauben Sie mir, Ihnen von diesem Manne, der ohne Widerrede einer der schönsten Geister unter uns ist, mehr zu sagen; ich mag zu meinem vorigen Gegenstande nicht zurückkehren. Denn warum schriebe ich Briefe ?

Wenige Gelehrte werden eine mehr doppelte Rolle gespielt haben, als Herr Wieland. Ich mag es nicht wieder erzählen, was Leute, die ihn in K** B** persönlich gekannt haben, von ihm zu erzählen wissen. Was geht uns das Privatleben eines Schriftstellers an? Ich halte nichts davon, aus diesem die Erläuterungen seiner Werke herzuholen. So viel ist

unwidersprechlich, daß jetes Lehrgedicht und die „moralischen Briefe“ uns den Herrn Wieland auf einem ganz andern Wege zeigten, als ihm hernach zu betreten beliebt hat. Wenn diese Veränderung durch innere Triebfedern (mich plump auszudrücken), durch den eigenen Mechanismus seiner Seele erfolgt ist, so werde ich nicht aufhören, mich über ihn zu verwundern. Ist sie aber durch äußere Umstände veranlaßt worden, hat er sich aus Absichten, mit Gewalt in seine jeßige Denkungsart verseßen müssen, so bedaure ich ihn aus dem Innersten meiner Seele.

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Sie wissen es schon zum Theil, wie schlecht er sich gegen den Herrn Uß aufgeführt hat. Herr Uh, nach der Freiheit, zu der jeder seinesgleichen berechtigt ist, erklärte sich wider eine gewisse Art von Dichtern; Herr Wieland hielt sich be= leidigt, und anstatt seinen Gegner gleichfalls von der Seite des Schriftstellers anzugreifen, fiel er mit so frommer Galle, mit einem so pietistischen Stolze auf den moralischen Charakter desselben, brauchte so hämische Waffen, verrieth so viel Haß, einen so verabscheuungswürdigen Verfolgungsgeist 1, daß einen ehrlichen Mann Schauder und Entseßen darüber befallen mußte.

Er hatte sogar das Herz, einen verehrungswürdigen Gottesgelehrten zum Werkzeug seiner Erbitterung brauchen zu wollen. Doch dieser fand auch hier Gelegenheit, feine edle Mäßigung, seine philosophische Billigkeit zu zeigen. Denn ohne Zweifel ist er allein Ursache, daß Herr Wieland in der Sammlung seiner „prosaischen Schriften“ aus der Zuschrift der Empfindungen des Christen, die härteste Stelle weggelassen hat.

In der lezten seiner Sympathien; und hernach in der Zuschrift seiner Empfindungen eines Chrißten, an den Herrn Oberconsistorialrath Sack.

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