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Die Dauer des Athems für den Sänger und Bläser in diesem Verhältniss. Es würde nicht eben leicht sein gründlich darzulegen, in welchen Differenzen die Zeitverhältnisse zu den unsrigen stehen müssten: man darf nicht behaupten dass eine Symphonie, die bei uns eine Stunde oder 60 Minuten dauert, in Lilliput 5 Minuten, bei den Brobdignag's 12 Stunden dauern müsse; andere Zeitdimensionen aber dürfen wohl angenommen werden. Der Puls, der Mechanismus der Gliederbewegung sind für den Rhythmus mitbestimmend. Aber es führt eben nur zur Evidenz der Unbestimmbarkeit und der Unwahrheit überhaupt, wenn wir die dichterische Erfindung dieser Lilliputanischen und Brobdignag'schen Wesen zu wirklichen Menschen machen, unsre Lebensbedingungen als die ihrigen betrachten, und in allen Consequenzen uns vorstellen und klar machen wollen. Da sie auf unsrem Erdenrund wohnend, von unsrer Sonne beschienen gedacht sind, so ist ihr Jahr dasselbe, ihr Tag, ihre Stunde von derselben Dauer; ihr Metronom, ihr Pendel, der Herzschlag, die Gliederbewegung aber stehen im Verhältniss zu ihrer Körpergrösse. Es treten, mit einem Wort, überall Conflicte und Zweifel herein, die wir bald auf sich werden beruhen lassen und uns mit der Annahme werden zufrieden stellen müssen, dass die menschlichen Zustände, wie sie uns eigen sind, eben auch nur dem Menschen von normal fünf bis sechs Fufs Gröfse zukommen, und wir zwölfmal kleinere und zwölfmal gröfsere Geschöpfe, auch wenn sie wie Menschen gestaltet wären, nicht als Menschen denken, ihr Leben mit unserm Leben nicht vergleichen, ihr Thun und Treiben mit dem unsrigen nicht in Einklang bringen können.

II

TEMPERATUR.

(Von M. HAUPTMANN.)

Es ist eine eingewurzelte Meinung, dass unsre Musik, wenigstens die moderne, nur mit dem temperirten Tonsystem bestehen könne. Man darf sich nicht verwundern, dass diese Meinung sich bei den Schülern festsetzt, wenn sie von Meistern gelehrt wird, wenn Lehrbücher sich dafür aussprechen und wenn Clavier- uud Orchestermusik ja selbst Gesangmusik so vielfach die sogenannten enharmonischen Verwechselungen vor das Auge bringt, die man eben ohne gleichschwebende Temperatur, ohne Gleichsetzung erhöheter Kreuztöne mit vertieften B-Tönen nicht für denkbar und ausführbar hält. Wieviel die Musik überhaupt durch das rücksichtslose willkürliche Schalten in den Tonarten des beliebten »Quintenzirkels gewinnen kann, den man wohl gegen die unendliche fortschreitende Verkettung der Tonarten für eine Bereicherung des Harmoniesystemes zu halten pflegt, - während er eben das Gegentheil, eine Verkümmerung des unendlichen Reichthumes, das Einpferchen in einen abgeschlossenen Kreis ist, dessen Linie immer nur in sich selbst zurückführt, an Statt der weiterführenden organischen Spirale, - das kann jetzt unbesprochen bleiben; es ist zunächst die Frage, ob ein musikalisch klares Denken im temperirten System überhaupt möglich ist.

Ein temperirtes Intervall ist mathematisch genau zu berechnen, ist mechanisch leidlich herzustellen; eine musikalisch zu fühlende Bestimmung für das temperirte Intervall ist nicht da. Ein System nach welchem nicht gesungen werden kann ist ganz gewiss kein praktisches, keins auf das unsre Musik in Composition und Execution gegründet sein kann. Sollen wir aber vielleicht den unbegleiteten Chorgesang ausschlies

sen von dem was allgemein musikalisch gilt, oder ihm ein besonderes Tonsystem zuerkennen?- denn hier wenigstens ist es ausgemacht dass nicht temperirt wird und nicht temperirt werden kann. Was könnte den Sänger wohl vermögen seine Tonleiter anders zu singen als sie ihm harmonisch bestimmt wird durch Quint, Octav und Terz, die er vor Allem selbst nicht anders als rein sich denken kann. Nach dem temperirten System müsste er sich eine Quint construiren die in ihrer zwölften Potenz mit dem Grundtone wieder übereinstimmt; eine Terz die auch als vierte. Quint brauchbar wäre; er müsste bei der Quint G des Grundtones C an die Folge von elf andern Quinten denken, ja die ganze Folge gegenwärtig haben die ihn nach His führt, das der Octav des ersten Grundtones gleich sein soll; bei der Terz e auch die vierte Quint von C, die Quint des A-Durdreiklanges bedenken und jene Terz so steigern dass sie auch dieses Quint-E, in der Reihe C(e) G-D-A-E, abgeben könnte. Aber nicht diese zweierlei Bedeutungen sind es allein, welche die Intonation nach gleichschwebender Temperatur zu bestimmen haben; es sind deren vielmehr unendlich viele: die Terz e würde auch in die Terzfolge Ce gis his, zugleich auch als verminderte Quart in der Reihe Cfes as desdes, das his selbst wieder in Quint- und Terzbedeutung dem C gleich berechnet herzustellen sein. Es ist mit einem Worte ein unendliches Gewebe von verschiedenen Nöthigungen das Intervall anders als rein zu intoniren, ohne dass für irgend eine der Intonationen irgend Etwas den Sänger zu bestimmen geboten wäre. Dieser kann eben allein nur nach einfacher Quint- und Terzbestimmung intoniren, die er rein zu nehmen sich bestreben wird, nicht aber bei einer Terz an den gleichnamigen vierten Quintton, bei einer Quint an ihre elfte und den Einklang dieser mit dem Grundton wird denken wollen und können und wenn er es könnte, doch den Maafsstab nicht bei sich fände, die auszugleichende Differenz so zu theilen, dass einem jeden betreffenden Intervalle sein richtiges Theilchen. abgenommen oder zugegeben würde. Man hat zwar auch gelesen und sagen hören, dass wir von frühester Jugend auf gleichschwebend-temperirt musikalisch erzogen würden, namentlich durch das Clavier an ein System von gleichschwebender Temperatur so gewöhnt würden, dass uns die zu tiefe Quint, die zu hohe Terz zur Natur werden müsse. Es ist kaum etwas Absurderes zu behaupten. So wenig das Auge lernen wird. das Schiefe gerad, also das Gerade schief zu finden, das Ungleiche gleich, das Gleiche ungleich, ebensowenig wird dem Ohr die temperirte Quint und Terz reiner als die reine klingen. Denn es wird in der That be

hauptet, dass unserem Ohr die temperirten Intervalle natürlich geworden seien, es könne die reinen nicht mehr vertragen.

Innerhalb einer Tonart, das dürfte hinlänglich bekannt sein, ist keine Temperatur nöthig. In dem System der C-Durtonart: FaCeGhD besteht jeder der hier verzeichneten Töne in seiner völligen Reinheit. Man stimme die Untertasten des Clavieres nach dieser Quint- und TerzBestimmung, in der das Intervall D-a so wenig Quint wird sein wollen als es das Intervall h-Fsein will, und beobachte ob der musikalisch-temperirt naturalisirt sein sollende Hörer die Intonation unrein finden wird; — ganz gewiss wird sie vielmehr ihm sehr behagen, er wird wohl wünschen alle Claviermusik in dieser Reinheit hören zu können. Das lässt sich aber nicht herstellen. Schon beim Uebergang nach G-Dur wird ein Conflict zwischen a und A, zwischen der F-Durterz des C-Dursystemes und der D-Durquint des G-Dursystemes sich einstellen, der, da das Clavier nicht zwei Tasten für diese verschiedenen Töne bietet, in einer Taste vermittelt sein will. So in der nächsten Tonart wieder das doppelte e- E, dann h-H, so dass mit jeder neuen Tonart ein neuer Doppelton hinzukommt, der in einem zwischenliegenden seine Ausgleichung finden muss. Anders kann es die Claviatur nicht gewähren. Wo soll aber diese Nöthigung für verschiedene Töne einen mittlern zu setzen sich einstellen, wenn jeder Ton in seiner Reinheit, nach seiner eigenthümlichen Bestimmung genommen werden kann. Da in ein und derselben Tonart eine Differenz wie die vorgenannte nicht vorkommt, und man nie zu gleicher Zeit sich in zwei verschiedenen Tonarten befinden kann, so wird gar nicht die Frage danach sein, ob und welch eine Differenz zwischen zwei oder mehreren Tönen die auf dem Clavier in einer Taste sich zu vereinigen genöthigt sind, nach reiner Intonation stattfindet; es kann bei der einen Bedeutung nicht an eine zweite gedacht werden, jede andere liegt eben ganz ausser dem Kreise des gegenwärtig gültigen und zu bestimmenden. Nicht der Sänger allein, auch jeder Instrumentalist, der seinem Tone irgend eine Modification abgewinnen kann, intonirt zu jeder eben gegenwärtigen Tonart und ihrer Harmonie die Intervalle vollkommen rein, oder hat wenigstens das Bestreben sie so zu intoniren. Wo es ihm hier an der Feinheit des Gehörs fehlt, würde er noch viel weniger ein temperirtes Intervall, bei welchem das sichere Gefühl des reinen immer erst vorausgesetzt ist, finden können.

Nur allein die Claviatur hat eine völlig mechanisch bestimmte Tonreihe. Der Sänger vor Allem, der Geiger fast nicht weniger, bestimmen

ihre Intonation selbst.

Aber auch der Bläser weiss seinen Ton nach der Harmonie zu bilden und die geringen Modificationen der Tonhöhe, die jene Verschiedenheiten nöthig machen, herzustellen, und er thut es wenn er harmonisch zu fühlen begabt ist unbewusst.

Dass ein gleichschwebend temperirtes Tonsystem ganz erträglich ist, dass man gut damit musiciren kann, erfahren wir täglich an aller Clavierund Orgelmusik, und wie selten sind diese Instrumente noch in der annähernden Reinheit der Stimmung wie die gleichschwebende Temperatur sie zulässt. Zuerst gelingt sie dem besten Stimmer kaum einmal im glücklichsten Falle, und dann wird auf den Instrumenten auch lange noch fortgespielt, nachdem sie aus des Stimmers Hand gegangen. Wir hören aus dem verstimmt gewordenen wie aus dem temperirten, d. h. methodisch verstimmten Instrument die natürlich reine Intonation im Sinne der Harmonie des Tonstückes heraus, hören denselben Ton höher oder tiefer in der Intervallenbedeutung wie sie die Tonart und der Accord verlangt; werden aber nie das temperirt real erklingende, was zwischen dem Differenten liegt, für ein normal Festgestelltes ansprechen können, als eine gültige Vermittelung für Höheres und Tieferes.

Es bleibt eben immer zu unterscheiden zwischen dem was der Sache nothwendig ist und dem was aus Noth geschieht. Der Sänger kann, wenn die Musik aus C-Dur nach G-Dur modulirt und die Modulation aus seiner Stimme nicht zu beurtheilen ist, zweifelhaft werden, ob er in einem melodischen Gange a oder A singen soll, ob er die Terz von F oder die Quint von D zu nehmen hat weniger wird er in solchen Zweifel bei guter als bei harmonisch mangelhafter Musik gerathen, er wird aber nicht im Stande sein einen Ton zu singen der zwischen a und A liegt oder ein temperirtes Intervall zu intoniren das Beidem gerecht werden könnte.

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Die Abweichungen von der reinen Stimmung, welche die Temperatur nöthig macht, sind gar nicht so bedeutend, (geringer noch bei der Quint als bei der Terz) als dass sie einen fühlbaren Uebelstand für die Harmonie bewirken sollten; wir können und müssen oft viel ärgere Unreinheiten in musikalischen Productionen ertragen als sie der Temperatur aufzubürden sein würden, ohne dadurch bedeutend gestört oder verletzt zu werden. Es ist auch gar nicht die Frage, ob ein temperirtes Tonsystem musikalisch brauchbar sei; es ist aber die Frage ob, wie behauptet wird, ohne den »Quintenzirkel« unsre Musik nicht bestehen könne. Wie die Claviermusik die Zulässigkeit des temperirten Tonsystems bestätigt, ebenso widerlegt alle Gesangmusik dessen Nothwendigkeit. Hier wird ganz ent

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