Imagini ale paginilor
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I.

KLAN G.

(Von M. HAUPTMANN.)

Zur Klangentstehung wird die Vibration eines elastischen Materials erfordert.

Die Vibration ist eine schwingende Bewegung. Es ist aber nicht jede Art der schwingenden Bewegung klangerzeugend.

Wir unterscheiden die pendelartige und die centrifugale von der elastischen Schwingung. Die ersteren bestehen in einer äusseren Ortsveränderung des Bewegten, wobei dasselbe in seinem Innern aber unverändert bleibt. Die elastische Schwingung dagegen ist wesentlich Veränderung des inneren Cohäsionszustandes und Rückkehr in den normalen. Solche Art der Schwingung nur ist unter gewissen Bedingungen klangerzeugend, oder kann als Klang vernommen werden.

Wenn eine mäfsig gespannte Saite A c B

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im Punkte c aus ihrer Lage nach a gezogen und dann wieder sich selbst überlassen wird, so geräth sie in schwingende Bewegung und erscheint, solange diese in bedeutender Raumweite vor sich geht, dem Auge in der Gestalt A a B b.

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Wir erblicken einen in der Mitte fast durchsichtigen, oben und unten von den Linien A a B und Ab B begrenzten Raum, dessen Durchsichtigkeit je näher diesen Linien mehr und mehr getrübt erscheint. In diesen Linien aber lässt die Saite sich selbst wahrnehmen, die von a

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bis c in beschleunigter, von c bis ʼn in abnehmender Geschwindigkeit sich bewegt, bis die schwingende Kraft in b durch die vermehrte Spannung, welche die Saite in der Curve erhält, aufgehoben, die Geschwindigkeit = o wird und die Saite sonach momentan still steht; hier aber nicht verweilen kann, wieder durch e nach a zurückgeht und so fort auf gleiche Weise in gleichen Zeiträumen nur nach und nach in kleineren Raumdimensionen hin und her bewegt wird. Die Geschwindigkeit der Bewegung ist aber offenbar dann am gröfsten, wenn die Saite durch die Linie A c B, die Gestalt der Saite im Zustande der Ruhe, geht, und nimmt nach beiden Seiten ab. Die Ueberzeugung hiervon zu gewinnen kann uns schon der Augenschein genügen, indem die Saite wegen der Schnelligkeit ihres Durchganges an dieser Stelle am wenigsten sichtbar ist, jemehr sie aber sich von hier entfernt, den Raum durch allmälig langsamere dem Verweilen sich nähernde Bewegung zunehmend trübt, bis sie in jenen Linien zum Stillstande gelangend ihn völlig undurchsichtig macht, indem die Saite darin selbst deutlich sichtbar wird.

Eine solche schwingende Saite ist, wenn die Spannung eine gehörige ist, in bestimmter sich gleich bleibender Tonhöhe klingend, das Klingen ist aber in der Schwingung nur ein momentanes und das tönende Moment identisch mit dem Durchgange des Bewegten durch die Gestalt seiner Ruhe, d. i. durch die Lage, in welcher dasselbe als Nichtbewegtes verharren würde.

Wenn der ganze Zeitraum, welchen die Saite bedarf um von a nach b zu gelangen, mit Klang erfüllt wäre und die Schnelligkeit der Schwingung die Höhe des Tones bestimmen sollte, so könnte aus einer solchen Schwingung auf keine Weise ein in Absicht auf Höhe sich gleich bleibender Ton hervorgehen, sondern der Klang müsste, da die Saite in a und b still steht und sich aus diesen äussersten Punkten beschleunigend nach c bewegt, in einer unendlichen Tiefe beginnen, bis zu der durch Stärke, Länge und Spannung der Saite bestimmten Höhe gelangen und sodann wieder in unendliche Tiefe zurück sinken. Man wird hier nicht einwenden dürfen, dass der Prozess zu schnell vorüber gehe, um diese Veränderung der Tonhöhe bemerken zu lassen, denn eben der am schnellsten vorübergehende Moment ist, nach dem Vorhergehenden, der des Durchganges in c; dieser aber ist zugleich der einzige der an verschiedenen Saiten verschiedene Tonhöhe bestimmen kann, jeder andere ist ein sich dem Verweilen nähernder, und je näher diesem, desto gewisser würde der daraus hervorgehende Klang mit dem Klange einer der Ueber

gangsmomente an den verschiedensten Saiten zusammentreffen, indem bei allen ohne Ausnahme das Klingen sich bis zum Minimum der Bewegung vertiefen müsste. Ausser dem längeren Verweilen in den Seitenmomenten ist noch zu erwähnen, dass ein jeder dieser dem mittleren in c doppelt gegenübersteht, die daraus hervorgehenden Klangnüancen mithin in der einmaligen Schwingung zweimal gehört würden, während der der Saite eigenthümliche Ton nur einmal erklingt. Wir würden in einer solchen Schwingung gleichsam einen Klangberg vernehmen, dessen Gipfel zwar durch das der Saite eigene Maximum der Tonhöhe bestimmt wäre, der aber zugleich alle andere Tonhöhen unter dieser bestimmten real enthielte. Der von Neuem mögliche Einwurf, dass eben nur dieser bestimmte Gipfel, wie zur Bestimmung der Bergeshöhe, auch zu der der Tonhöhe erfordert werde, und dass eine fortlaufende gleiche Reihe solcher von Tonthälern unterbrochenen Tonspitzen uns eben sowohl den Eindruck einer Höhenlinie machen könne, wie eine Reihe klingender Punkte zwischen denen der Klang aufhört, kann jetzt übergangen werden, indem sich überhaupt das Wesen der Klangerscheinung von aller äusseren Bewegung unabhängig zeigen muss.

Eine Bestimmung der nicht bei jeder Art von Klangerscheinung entsprochen wird, kann auch nicht als zur Klangerzeugung nothwendig aufgestellt, sie muss als unwesentlich für dieselbe betrachtet werden. Es ist demnach zu fragen, wenn die Bestimmung von der schwingenden Saite hergenommen ist, ob ihr auch die tönende Luftsäule entspricht, oder wenn die Beobachtungen an den Transversalschwingungen der Saite gemacht worden, ob sie auch an der Longitudinalschwingung, ebenso an der schwingenden Fläche, an der tönenden Glocke sich bestätigt finden. Erfolgt der Klang bei einem oder dem andern Mittel ohne diese Bestätigung, so ist die Bedingung dem Klange nicht wesentlich und es muss von ihr abgesehen werden, wenn man zum klaren Begriffe seiner Entstehung kommen will.

Die tönende Luftsäule ist in unbewegliche Wände eingeschlossen, wodurch sie ihrer äusseren Form nach festgehalten wird; es kann sonach an ihr eine Bewegung nach Aussen, eine Ortsveränderung nicht stattfinden und durch schwingende Bewegung solcher Art Klangwirkung verursachen. Ebenso sind der longitudinal schwingenden Saite in der Richtung ihrer Schwingungen feste äussere Grenzen gesetzt, die sie verhindern sich zu verlängern und zu verkürzen oder so aus sich herauszutreten, wie wir es an der transversal schwingenden wahrnehmen. Das aber

haben diese drei Schwingungsarten unter sich und mit jeder andern klingenden gemein, und es kann als dem Klange wesentliche Bedingung angenommen werden: dass in ihnen die zu jeder tönenden Vibration vorauszusetzende innere Gleichförmigkeit des Bewegten, die Unterschiedlosigkeit des Cohäsionszustandes im Material, in der Schwingung aufgehoben wird, um sich in einem Punkte der Vermittelung von grösserer und geringerer Dichtigkeit momentan zu normalem gleichförmigem Zustand herzustellen.

An der Curve welche die transversal schwingende Saite ausser dem Momente des Durchganges durch die gerade Linie bildet, befinden sich die an der concaven Seite liegenden Theile gegen die in der Axe verglichen in einem comprimirten Zustande, während die an der convexen Seite in diesem Vergleiche expandirt sind. Die Gleichheit der Continuität des Materials ist gestört.

Wir können diesen Zustand uns deutlich machen, wenn wir die ruhende und die nach einer Seite in der Schwingung begriffene Saite

unter diesen Figuren uns vorstellen, zunächst als Mauerwerk, dann aber auf die gerade und die gebogene Saite bezogen wo die gebogene, wenn die gerade von gleicher Dichtigkeit ist, nothwendig von ungleicher sein muss, da bei gleicher Quantität des Inhaltes an der äusseren Seite eine gröfsere Ausdehnung stattfindet als an der inneren.

Auf ähnliche Weise sind entgegengesetzte Theile der schwingenden Luftsäule in verdichtetem und verdünntem Zustande, oder es ist die Gleichförmigkeit der Luftmasse darin aufgehoben. Im Uebergange zu den entgegengesetzten Zuständen, wie ihn die Luftwellenbewegung entstehen lässt, ist aber auch hier, wie bei der Saite im Durchgange durch die gerade Linie, ein Moment der Wiederherstellung normaler Gleichförmigkeit zu finden; in diesem zeigt sich das in Absicht auf Dichtigkeit eben verschieden gewesene als nicht verschieden, als stetige Gröfse, als Einfaches. Ein solcher zwei entgegengesetzte Zustände vermittelnder Zeitpunkt ist aber in jeder klingenden Bewegung vorhanden und ist eben das Klangmoment selbst in der elastischen Schwingung. Es ist die werdende Harmonie, die Uebereinstimmung der Theile der inneren Form des Materialen zu einem in sich Gleichen, Unterschiedlosen, was wir als

Klang vernehmen; die Entstehung, das Werden der Einheit, nicht aber ihr Bestehen. Das Bestehen dieser Formeinheit ausser der Bewegung, die Formeinheit in der Ruhe ist klanglos, wie es die Nichteinheit in der Bewegung ist. Der Klang besteht im Werden dieser Einheit und vergeht in ihrem Bestehen. Er ist ein Silberblick mechanischer Belebung.

Zu betrachten ist, wie nur solche Schwingungen, bei denen der klingende Körper in allen seinen Punkten die innere Form verändert und in einem Momente dieselbe wieder erlangt, den Ton des Ganzen hören lassen. Bei jenen, wo in sogenannten Schwingungsknoten sich fixe Stellen bilden, wie bei allen Pfeifentönen, d. h. bei der klingend schwingenden Luftsäule überhaupt, vernehmen wir nur die Theile klingend, welche zwischen diesen Punkten liegen, indem letztere als in der Ruhe verharrend, mithin nicht klingend, das Ganze als Klingendes unterbrechen oder theilen. Hieraus gehen an der Saite die sogenannten Flageolettöne hervor.

Diese entstehen bekanntlich wenn die Saite an gewissen Punkten, in ihrer Mitte, im Drittel, Viertel u. s. w. nur leise berührt und ausser einem solchen Punkte in Vibration gesetzt wird. Hierdurch bewirkt man, dass jene Punkte zwar am Mitschwingen verhindert werden, die Schwingung sich aber durch sie hindurch dem anderseitigen Theile der Saite mittheilen kann, welcher wenn die Berührung in der Hälfte geschieht als andere Hälfte, als Ungetheiltes, geschieht sie im Drittel, als Doppeltes, in zwei, geschieht sie im Viertel, als Dreifaches, in drei u. s. w. sich zu theilen genöthigt wird, indem nur gleiche Theile zugleich schwingen können. Wird die Saite so getheilt, dass der kleinere Theil als Einheit in dem gröfseren nicht in ganzen Zahlen aufgeht, wenn z. B. die Berührung im zweiten Fünftel geschieht, welcher Abschnitt als Einheit in den übrigen drei Fünftel nicht ein oder zwei Mal, sondern ein und ein halb Mal enthalten wäre, so bildet sich eine Vermittelung Beider, hier durch ein Fünftel, welches in zwei Fünftel zweimal, in den übrigen drei Fünftel dreimal enthalten ist, d. h. der kleinere Theil wird selbst Doppeltes der Einheit, durch welche beide Theile sich vergleichen und wir hören in solchem Falle auch den kleineren Theil nicht ganz oder als Einheit ertönen, sondern dessen Octav, seine Hälfte, den Theil von ihm der ihn mit dem gröfseren vermittelt. Es ist daher auch ganz gleichgültig, ob die Saite im 1., 2., 3. oder 4. Fünftel berührt wird, sie kann in jedem dieser Punkte berührt, oder auch in allen zugleich, nur ein und denselben Ton geben, sie wird das Fünftel fünfmal ertönen lassen.

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