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In dem »Ich Fand Frewd Vnd Arbeit« hat sich der Herausgeber versteckt: J[ohann] F[riedrich] F[aust] V[on] A[schaffenburg]. Seine längere Widmung an den Landgrafen Moritz von Hessen, welche die erste Ausgabe eröffnet, fehlt ganz, dagegen steht hier ein »Extract des Privilegij vom Pfalzgrafen Friedrich, ausgestellt für den Verleger (»Vnser vnd des Heiligen Reichs lieber getrewer, Gotthard Voegelin, Vnser Buchdrucker «) auf 15 Jahre, »Geben zu Heidelberg « am 13. Juli 1619, welcher sich natürlich nicht in der ersten Ausgabe findet. Der Text füllt hier 60 Columnen, also 30 Seiten oder 15 Blätter, so dass das Ganze mit Titel, Privilegium und Register 18 Blätter stark ist. Der Text stimmt mit dem früheren gänzlich überein, sogar einige Druckfehler (» vmbfiielen « S. 31, Rossel S. 32, hier Col. 15; »1420« statt » 1402 S. 9, hier Col. 5, ein arger Druckfehler, der auch bei Rossel S. 15 unberichtigt geblieben ist) sind darin erneuert. Wörter wie darin, Fremēs u. a. sind jetzt ohne Abkürzung, also darinn, Fremens u. s. w. gedruckt; ferner ist daraus zu entnehmen, dass ein in der ersten Ausgabe unleserliches Wort wirklich » Achslen heissen soll: und so wäre diese Folioausgabe von 1619 dem letzten Herausgeber der Chronik in mancher Hinsicht nützlich Auch Lessing scheint sie für seine Auszüge (gedruckt in dem Aufsatze seines Nachlasses » Zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur, von den Minnesängern bis auf Luther«. Lachmann XI, 468-91. Maltzan XI. 2, 75-101.) nicht eingesehen zu haben; er sagt blofs, Faust habe die Chronik 1617 zuerst herausgegeben, und ich will nur hinzufügen, dass Lessing's zahlreiche Auszüge aus derselben keineswegs nachlässig, aber auch nicht mit der Genauigkeit gegeben sind, welche hier wünschenswerth wäre. In der Orthographie richtete Faust sich gröfstentheils nach seiner Zeit, die hierin bekanntlich nichts weniger als folgerichtig und rein war; um so mehr dürfen wir uns derselben Freiheit bedienen und nach heutiger Weise schreiben, soweit es ohne Schädigung der alten Wortformen geschehen kann.

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gewesen.

Der Herausgeber sah dieses Limpurger Erinnerungsbuch als die älteste in deutscher Sprache verfasste Chronik an (noch Lessing wusste keine frühere zu nennen, als die von Liever); seinen Mittheilungen über den Verfasser hat er ein sehr verständiges Urtheil über den Werth des Buches beigefügt: »Und ist mir aus den aller ältesten manuscriptis zum ersten vorkommen disses eines Notarii oder Schreibers der Stadt Limpurgk auf der Lahn, Johannes genannt, Geschichtbüchlein, welches er im Jahr Christi 1347, im dreissigsten seines Alters, angefangen und vom Jahr

1336 bis in's Jahr 1402, seines Alters 85, vollführet hat: wie er dessen in obgemelten 1347. und 1374. Jahren selbst erwehnet. Welches, ob es sich schon nicht viel über 60 Jahr hinaus erstrecket, und klein, doch sehr reich ist von allerhand nutzlichen, gedenkwürdigen und bishero unbekannten Geschichten, die sich sonderlich in Veränderung der Music, Gesäng, Saitenspiel, Kleidung und Sitten. . . . begriffen, und sehr verständig und gut Teutsch gegeben worden, dergleichen ich mich nicht zu erinnern weiss, dass bei andern grofsen und weitlaufigen Chronicis, so vollkommlich und gleichsam in einem Handbüchlein beisammen, zu finden. << Und ganz vortrefflich sagt er sodann, wenn wir statt jenes Johannes >> welcher Caroli Magni Schildträger gewesen und dreihundert und ein und sechzig Jahr alt worden und in An. Christi 1139 gestorben sein soll, und weiter nichts genutzet denn dass er lang gezehret und die Welt beschweret hat« in jenen langen dunklen Zeiten » dissen Johannem gehabt hätten « als fleissigen Anfmerker und Aufzeichner, so würden wir uns mancher Dinge Licht und Wissenschaft erfreuen die nun nicht ohne Schaden im Finstern liegen. Dem vielseitig gelehrten Landgrafen Moritz widmet Faust das Werklein unter andern auch desshalb weil disses Chronicklein in Hessischer Sprach beschrieben, welche den Ruhm hat dass sie vor andern Teutschen dialectis zierlich, austrücklich und fröhlich ausgesprochen, und derowegen von ausländischen Nationen, als Polen, Preussen und dergleichen, in den Hessischen Academijs und Aulis vor andern besuchet und gelernet wird.« Er unterzeichnet die Widmung >> Darmstatt den Ersten tag Augusti, Anno 1617. Joh. Friderich Faust von Aschaffenburgk «<.

Faust

Die Chronik beginnt 1336 mit der Erwähnung eines grofsen Sturmes, den der Verfasser als 19jähriger Jüngling erlebte, berichtet bei aller Kürze zum Theil doch sehr ausführlich über die fast unaufhörlichen Balgereien der Edlen deutscher Nation, und eröffnet mit ihrem Schlusse im Jahre 1398 die Aussicht auf einen allgemeinen Landfrieden. nennt sie ein » Fragment«, weil der eigentliche Schluss (oder die Jahre 1399-1402) » im Original gemangelt «; sicherlich wollte Johannes auch diesen noch hinzu fügen, als ihn, den 85jährigen Greis, der Tod ereilte. Es ist eine Zeit voll seltener und wunderlicher Verkehrtheit, welche er uns schildert; eine Zeit, in der weltliche und geistliche Fürsten mit einander in Kriegen und Mordbrennereien wetteiferten, den Mitlebenden ohne Arg und ohne Tadel; eine Zeit, wo der Erzbischof Balduin von Trier († 1353), der Burgen und Städte zu Dutzenden bezwang, als er

einmal drei viertel Jahre lang vor Munkeller lag und Weihnacht heranrückte, nun nicht etwa vom Waffenwerke zu seinem bischöflichen Tempel heimkehrte, sondern - » auf den H. Christtag sang Er selber Mess vor dem Schloss Munkeller in seinem Gezelte «! Es muss als Stimmung der Zeit gelten und ist eine Wirkung ihrer sittlichen Stumpfheit, dass unser Johannes solchen tapferen geistlichen Haudegen ungeheuchelte Bewunderung zollt. Einer seiner Lieblinge war ein anderes Kirchenhaupt, »der Ehrwürdig Cuno von Falkenstein, ein Thumherr zu Mentz, Vormunder und Beschirmer des Stifts zu Trier«, und dessen Personalbeschreibung stehe hier als ein Beispiel der scharfen Beobachtungsgabe unsers Chronisten sowie der Klarheit Kraft und Anmuth seiner Darstellung. >> Mehr solt du wissen die Physionomy und Gestalt Herrn Cunen vorgenannt. Dann ich ihn dick [oft] gesehen und geprüfet han, in seinem Wesen und in mancher seiner Manirung, dass er was ein herrlich stark Mann, von Leib, von Person und von allem Gebeine, und hatte ein grofs Haubt mit einer Strauben, ein weite braune Grelle, ein weit breit Antlitz mit bausenden Backen, ein scharpf mannlich Gesicht, einen bescheidenen Mund mit Gleffe etlicher mafen dick, die naf' was breit mit gerunden naflöchern, die naf' was in mitten niedergedruckt mit einem grofen Kine, und mit einer hohen Stirn, und hatte auch eine grofse Brust und rötelfarb under seinen Augen, und stund auf seinen Beinen als ein Löw, und hatte gütliche Geberden gegen seine Freunden, und wann er zornig war, so bauseten und floderten ihm seine Backen und stunden ihm herrlich und weislich und nicht übel.« Das ist doch wohl in seiner Art unübertrefflich ausgedrückt; in seiner gedrängten, naturtreuen, lebendig anschaulichen Darstellung ist das Büchlein überhaupt eine wahre Musterchronik. Was hier davon mitgetheilt wird, bildet den Kern, und dem Umfange nach etwa den sechsten Theil des Ganzen. Die Beschreibungen der Kleidertrachten, welche wir mit aufnehmen, wird jeder gern lesen, auch sind sie mitunter von dem übrigen Texte gar nicht zu trennen. Der Autor nennt sich einmal, bei dem Jahre 1374, ausdrücklich » Schreiber Johann«, und zu Anno 1347 bemerkt er: »Nun solt du wissen, alles das nach Datum 1347 bis man schreibt 1402, das ist alles bei meinen Tagen geschehen, und han ich das mit der Hülf Gottes gesehen und gehört von meinen kindlichen Tagen bisher, und was ich jung vernommen han das notabile ist, das han ich von der Zeit, dass ich 30 Jahr alt was, bis hernach alles geschrieben. «<

Um 1340. Gerlach, Ritter und Dichter. Limburg's Blüthe.

In derselbigen Zeit war ein gar tugendlicher Edler Herr zu Limpurg, der war genannt Gerlach... Auch was er der klugste Dichter von Teutschen und Latinischen, als einer sein mocht, in allen Teutschen Landen. [1354.]

In disser Zeit stund Limpurgk die Stadt und die Burgk in grossen Ehren und Seligkeit von Leut und Reichtumb. Dann alle Gassen und Alben [Winkel] waren voll Leut und Guts, und wurden geachtet, wenn sie zu Feld zohen, mehr dann an 2000 Burger und bereite [berittene] Leut mit Panzer und mit Harnisch und was dazu gehört: und zu Ostern, die Gottes Leichnam empfingend, wurden geachtet mehr dann 8000 Menschen.

1347. Ritter Reinhard zu Westerburg dichtet Lieder, und hat eine schöne Tochter.

Anno 1347. Da wurden die von Coblenz jämerlich erschlagen und niedergeworfen bei Grensauw, und verblieben ihrer todt 172 Mann und wurden ihrer dazu sieben gefangen. Das thete Reinhard Herr zu Westerburgk. Derselbige war gar ein Edler Ritter, von Sinn, Leib und Gestalt, und ritt dem vorgenannten Kaiser Ludwig nach, und machte dis Lied:

Ich dorste den Hals zu brechen,
Wer rächet mir den Schaden dann?

So hett ich niemand der mich räche,
Ich bin ein ungefreunder Mann.
Uff Ihr Gnad acht ich kleine Sach,
Das lafe ich Sie verstahn ic.

Da der vorgenannte Kaiser Ludwig dis Lied hörte, strafte er den Herrn von Westerburg und sagte, er sollte es der Frauen gebessert haben. Da nahme der von Westerburgk ein kurze Zeit und sagte, er wollte es der Frauen bessern [d. i. durch ein besseres Lied auf die Frauen vergessen machen], und sang dis Lied:

In Jammers Nöthen ich gar verbrinn
Durch ein Weib so minnigliche .

Da sprach Kaiser Ludwig, Wasserburg [Westerburg] hat es uns nun wohl gebessert &c.

Anno 1355.... Graf Gerhard [von Dietz] war gar ein schöner Ritter von aller seiner Gewalt [Gestalt], und dazu so hatte er ein schön Weib, als sie in allen Teutschen Landen was, die was von Westerburg Herr Reinhard's Tochter.

1349. Der sogenannte schwarze Tod. Die Geisler und ihre Fahrten und

Lieder.

Anno 1349. Da kam ein grofses Sterben in Teutschland. Das ist genannt. das Grofse Sterben, und das erste. Und starben an der Drüsen. Und wen das anging, der starb an dem dritten Tag. Und in der Mafen sturben die Leut in den grofen Stätten, zu Coln, zu Meintz &c. und also meinstlich alle Tage mehr dann 100 Menschen, oder in der Mafe, in den kleinen Stätten sturben täglich 20, 24 oder 30 also in der Weise. Das währete in jeglicher Stadt und Land mehr dann ein viertel Jahrs. Und sturben zu Limpurg mehr dann 2400 Menschen, ausgenommen die Kind.

Da das Volk den grofen Jammer sahe vom Sterben das auf Erdreich was, da fielen die Leut gemeinlich in ein grofse Reue ihrer Sünden und suchten Poenitentien, und thäten das mit eigenem Willen und nahmen den Bapst und die H. Kirch nit zu Hülf und zu Rath. Das grofse Thorheit was und grofse Unvorsichtigkeit und Versäumniss und Verstopfung ihrer Seelen. Und verhaften sich die Mannen in den Stätten und im Land, und gingen mit den Geiselen, hundert zwei oder drei hundert oder in der maafs. Und was ihr Leben also, dafs etlich Parthei gingen 30 Tag mit den Geiseln von einer Stadt zu der andern, und fuhrten Kreutz und Fahnen, also in den Kirchen, und mit Kerzen und mit der Process. Und wo sie kamen vor ein Stadt, da gingen sie mit einer Procession zwei bei einander bis an die Kirchen, und hatten Hüt auf, daran stund vornen ein roth Kreutz, und jeglicher trug sein Geisel vor ihm, und sungen ihr Laisen also:

Ist disse Bedefahrt so hehre,

Christ fuhr selbst zu Jerusaleme,

Und fuhrt ein Kreutz in seiner Hand,

Nun helf uns der Heiland.

Der Laise war da gemacht, und singet man den noch, wann man Heilgen trägt. Und hatten sie ihre Vorsinger zween oder drei, und sungen sie ihnen nach. Und wann sie in die Kirch kamen, theten sie die Thür zu und theten all ihr Kleider aus, bis auf ihr Niederkleider, und hatten von ihren Enkeln bis auf ihr Lenden Kleider von Leinentuch, und gingen umb den Kirchhof zween und zween bei einander in einer Process, als man pflegt umb die Kirchen zu gehen und zu singen. Und ihr jglicher schlug sich selber mit seiner Geisel zu beiden Seiten uber die Achsel, dass ihnen das Blut uber die Enkel floss, und trugen Kreutz, Kirtzen und Fahnen vor. Und ihr Gesang was also, wann sie umbgingen :

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