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seiner Wehrpflicht zur Untersuchung und Strafe gezogen werden.

Auch soll der Beschlag, welcher in andern als den in Ziffer 1-3 bezeichneten Fällen wegen Nichterfüllung der Pflicht auf das Vermögen eines Ausgewanderten gelegt wurde, aufgehoben werden, sobald derselbe die nach Artikel I vollzogene Naturalisation in den Vereinigten Staaten nachweist."

c) Diese Besonderheiten des badischen Vertrages1 finden sich mit geringen, offenbar aus der verschiedenen Militärverfassung zu erklärenden Abweichungen in den Verträgen mit Württemberg und mit Hessen, hier aber nicht im Vertrage selbst, sondern in den ihren Sinn und Zweck interpretierenden Protokollen dazu. Macht die Stellung jener besonderen Vorschriften einmal im Vertrag selbst und dann wieder in den Protokollen rechtlich einen Unterschied? Gelten diese Besonderheiten auch für die Verträge mit dem Norddeutschen Bunde und mit Bayern, wenngleich sie in ihnen überhaupt keine Aufnahme gefunden haben? Anders ausgedrückt: Fällt die Fahnenflucht nicht unter die Bestimmungen der beiden letztbezeichneten Verträge? Und hat bei ihnen die Aufhebung der etwa verhängten Vermögensbeschlagnahme nicht zu erfolgen? Logisch ist eine doppelte Beantwortung möglich: Man kann entweder jene Besonderheiten als speziell statuierte Ausnahme von der allgemeinen Regel des Absatz 1 Artikel II oder aber als die nähere Interpretation seines Sinnes ansehen. Der juristisch am meisten durchgearbeitete 2 badische Vertrag begründet die erstere Ansicht, insofern er ausdrücklich die Sonder bestimmungen als Ausnahme von der allgemeinen Regel in den Vertrag mit aufnimmt; die beiden Verträge mit Hessen und Württemberg lassen den zweiten Standpunkt begründet erscheinen, da sie die Sonder

1 Vgl. den in der Anlage VII wiedergegebenen, fast wörtlich übereinstimmenden österreichischen Vertrag.

2 Vgl. die Anlage I, 2 und Anlage III, a.

bestimmungen als authentische Interpretation der Willensmeinung der Parteien dem Vertrage protokollarisch anfügen. Freilich ist für die gesetzliche Tragweite der vertraglichen Bestimmungen aus den Protokollen nichts zu gewinnen, weil die Protokolle von den gesetzgebenden Organen nicht angenommen sind, sondern nur die Verträge. Gilt dies für diejenigen Verträge, welche im Protokoll ihre Erläuterung gefunden haben, so gilt es erst recht für den norddeutschen und bayrischen, denen entsprechende Protokolle fehlen, zumal es überhaupt zweifelhaft ist, ob ein Schlufs von den Besonderheiten dieser mit Protokollen versehenen Verträge auf die Lücken jener Verträge ohne Protokolle statthaft ist. Die logische Betrachtung vermag also zu einer Entscheidung der hier in Rede stehenden Fragen nicht zu führen. Sie ergibt aber in Verbindung mit historischen Tatsachen, dafs die vorsichtigeren süddeutschen Staaten an der allgemeinen Fassung der Regel des Artikel II im norddeutschen Vertrage Anstofs nahmen und sie deshalb ausdrücklich einschränkten, wenigstens was die Fahnenflucht anlangt. Ob dies für die Verträge des Norddeutschen Bundes und Bayern stillschweigend, oder wenn nicht durch offizielle, so doch durch offiziöse Erklärungen geschehen ist, läfst sich allein historisch feststellen.

II. Die Fahnenflucht und Art. II des norddeutschen und des bayerischen Vertrages nach dem Willen der Vertrags

parteien.

a) Der historischen Betrachtung eröffnen sich zwei bezw. drei Wege. Einmal kann die Vorgeschichte des Vertrages, wie sie Kapp und von Martitz dargestellt haben, alsdann können die Verhandlungen in den Volksvertretungen des Norddeutschen Bundes bei der Beratung und Annahme. des Vertrages, und schliefslich der militärstrafrechtliche

Siehe Anlage I, 1 u. 4, sowie Anlage III, a, b, u. IV, a, b.

2 Die Vermögensbeschlagnahme wird in diesem Paragraphen unter XIII erörtert.

Rechtszustand1 zur Zeit des Abschlusses des Vertrages Aufschlufs geben. Für Bayern kommen die parlamentarischen Verhandlungen nicht in Frage, weil sie überhaupt nicht stattgefunden haben, und über die diplomatischen Verhandlungen ist auch nichts an die Öffentlichkeit gedrungen, so dafs hier allein der militärstrafrechtliche Rechtszustand zu grunde gelegt werden kann.

Was zunächst den norddeutschen Vertrag anlangt, so ist aus seiner Vorgeschichte bemerkenswert, dafs die diplomatischen Vertreter immer die Hinterziehung der Wehrpflicht vor Eintritt in den Soldatenstand vor Augen haben und die Desertion stillschweigend oder auch ausdrücklich von Artikel II ausschliefsen 2.

1. Die Verhandlungen des Reichstages des Norddeutschen Bundes lassen uns ihrem Wortlaute nach völlig im Stiche. Zwar findet sich in der Rede des sachkundigen Korreferenten Dr. Schleiden der Passus:

„Der (amerikanische) Staatsmann Cass ... fügte hinzu, naturalisierte amerikanische Bürger dürften namentlich nicht bestraft werden, wenn sie eine erst künftig eintretende Militärpflicht verletzt hätten und nicht unmittelbar aus dem Militärdienste entwichen seien."

Dem gegenüber stehen aber die allgemeinen Sätze des Kommissars des Bundesrats König, des Verfassers des Vertrages vom 22. Februar 1868:

„Es ist ferner gefragt worden, ob der Artikel II auch den Fall einschliefse, wenn jemand durch die Auswanderung selbst die Gesetze seines bisherigen Vaterlandes verletzt, also namentlich, wenn er sich durch die Auswanderung der Militärpflicht entzieht. Eben diesen Fall hat der Artikel II decken sollen, und es wird also ein Deutscher, welcher in Amerika sich fünf Jahre aufgehalten und dort das Bürgerrecht erworben hat, bei der Rückkehr nicht mehr zur Untersuchung und Strafe wegen unerlaubter Auswanderung gezogen werden."

1 Auf diesen Gesichtspunkt hat bereits Laurent Bd. III S. 376 zur Erklärung der Unterschiede in den Verträgen hingewiesen.

Vorschlag von Bancroft: Naturalization shall not be an excuse for desertion from military service actually entered upon but shall free from all liabilities for eventual service not due at the time of emigration. Executiv Documents (Foreign affairs) 1868-1869, vol. 1 part. II p. 40 no. 41, February 14, 1868. Vgl. Kapp a. a. O. Bd. 36 S. 208, und Munde S. 39.

3 Siehe Anlage II, b.

Und Bismarck:

„Ich gebe die gewünschte Erklärung und könnte es fast so ausdrücken, dafs wir die fünf Jahre Abwesenheit in Amerika verbunden mit der Gewinnung des amerikanischen Bürgerrechts als eine Erfüllung der Militärpflicht dem Norddeutschen Bunde gegenüber behandeln, wenn der neue amerikanische Bürger nicht durch seine rechtzeitige Wiederkehr eine neue Militärpflicht gegen den Norddeutschen Bund eingeht."

Offenbar passen die Ausführungen Königs und Bismarcks ihrem Wortlaute nach weder auf die Verletzung der Wehrpflicht noch auf die Fahnenflucht. Denn sie

haben sich beide ganz unjuristisch ausgedrückt, da unter Militärpflicht damals1 wie jetzt allein die Pflicht verstanden wird, sich der Aushebung für das Heer oder die Marine zu unterwerfen. Militärpflicht, wie es hier gebraucht wird, ergibt nur dann einen juristisch verständigen Sinn, wenn sie anstatt „Wehrpflicht" steht und dasselbe bedeutet, wie es überhaupt den Anschein hat, als wenn Militärpflicht gleich Militärdienstpflicht, d. i. der Teil der Wehrpflicht, welcher als aktive Dienstpflicht (§ 5, Nr. 3 W.O.) bezeichnet wird, gebraucht worden wäre3. Andernfalls würde ja gerade die Bestrafung wegen Wehrpflichtverletzung durch Artikel II nicht gedeckt, da dieses Delikt eben nicht gegen die Militärpflicht gerichtet, ja unter Umständen vor wie nach Erfüllung der Melde- und Gestellungspflicht, d. i. eben der Militärpflicht, möglich ist. Ja, man kann geradezu sagen: Wer die Militärpflicht verletzt, kann dies nur, wenn er seine Wehrpflicht erfüllen will. Beginnt die erstere doch erst mit dem 1. Januar des Kalenderjahres, in welchem der schon mit dem vollendeten 17. Jahre Wehrpflichtige das 20. Lebensjahr vollendet. Und dafs König und Bismarck auch, ja gerade die 17-20 Jährigen mit gemeint haben, ist historisch unzweifelhaft. Und gerade wenn von diesen die Wehrpflichtverletzung begangen wird, geschieht es ohne

1 Bestimmungen über den Militärdienst für den Norddeutschen Bund, § 4.

2 § 22 W.O. § 10 R.M.G. Vgl. die treffliche Darstellung bei Laband Bd. IV S. 135 f. 3 So im Grunde unjuristisch auch R.M.G.E. Bd. VI S. 80.

Verletzung der noch nicht entstandenen Militärpflicht. Nach allem aber haben König und Bismarck Militärpflicht mit Wehrpflicht verwechselt. Dies ergibt auch die Schlufswendung: „eine neue Militärpflicht eingeht", da man nur eine Wehrpflicht eingehen kann, und diese die Militärpflicht mitumfafst. Wird aber Erwerb des amerikanischen Bürgerrechts und fünfjähriger Aufenthalt in Amerika als Erfüllung der Wehrpflicht behandelt, so ist damit auch die Fahnenflucht, die auch eine Verletzung der Wehrpflicht ist, für straffrei erklärt.

Dem Wortlaute gegenüber legt die obige unwidersprochen gebliebene Äufserung Schleidens die Vermutung nahe, dafs König und Bismarck nur an die Wehrpflichtverletzung gedacht haben. Hierfür spricht die Tatsache, dafs in den Verhandlungen, wie auch z. B. in der Abhandlung von von Martitz als selbstverständlich vorausgesetzt scheint, der Artikel II betreffe nach der Willensmeinung der Kontrahenten allein die Verletzung der Wehrpflicht, sicherlich aber nicht die Fahnenflucht, was durch den oben erwähnten Bericht der staatsrechtlichen Kommission und die Verhandlungen der württembergischen Kammer bestätigt wird. In der Tat mufs dies historisch als zutreffend gelten. Denn man vergegenwärtige sich nur den damaligen Rechtszustand.

2. Im Norddeutschen Bunde war auf Grund des Artikel 61 der Bundesverfassung das preufsische Militär-Strafrecht eingeführt1. Freilich war das bürgerliche Strafrecht bis zum 1. Januar 18712 innerhalb des Gebiets des Norddeutschen Bundes einzelstaatlich zersplittert, so dafs die Anwendung des Vertrags vom 22. Februar 1868 ursprünglich auf der Grundlage von sieben verschiedenen Strafrechtssystemen vor sich ging. Jedoch trotz dieser Verschiedenheiten der Rechtsquellen bestand unter der Prävalenz des preussischen

1 Durch Verordnung vom 29. Dezember 1867. B.G.Bl. S. 185.
2 B G.Bl. 1870 S. 195.

8 Vgl. von Liszt, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, 14 u. 15. Aufl. (1905), § 8 III.

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