Imagini ale paginilor
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Gemälde eines großen und verehrten deutschen Meisters, die, wie der Verfasser selbst sagt, durch die,,reiche und entzückende Aussicht in die spanische Poeste" angeregt worden sind, mit den bisher genannten Schauspielen irgend zusammenstellen wollte; zu beklagen ist nur, daß der Dichter sich so schrankenlos in die Breite ausgedehnt und dadurch absichtlich den Gewinn anullirt hat, den die Bühne aus seinen Werken hätte ziehen können. Gerade auf der Seite nun, welche bisher fast ganz unberücksichtigt geblieben ist, in Bezug auf die Verbindung des poetischen Geistes mit jener Concentration des Stof= ses, welche der Bühne nöthig ist, müßte das spanische Drama, um wahrhaft belebend auf das unsere zu wirken, der Lehrer der jüngeren Generation sein. Die me= trische Form dichterischer Werke ist bei den verschiedenen Nationen nach den Bedingungen einer jeden Sprache verschieden, aber dramatisches Leben und poetischer Ge= halt sind überall, bei den Griechen wie bei den Engländern, bei den Spaniern wie bei den Deutschen dasselbe, und wo sich nicht beide vereinigen, da kann von einem wahren Schauspiel nicht die Rede sein; ein dramatisches Gedicht, das sich nicht aufführen läßt, ist eben so viel, wie eine Partitur, die nicht gespielt werden kann; ein Bühnenstück aber, welches in trockenen Umrissen nur Vorfälle der gemeinen Wirklichkeit schildert, ohne den Stoff durch ideelle Auffassung und poe= tisches Colorit zu adeln, entweiht die Bretter eben so

sehr, wie es Seilspringer und tanzende Hunde thun. Wie uns nun für die Tragödie und das historische Drama vorzüglich die Engländer stets als leuchtende Sterne werden vorschweben müssen (obgleich auch hier von dem südlichen Volke unendlich viel zu lernen wäre), so dürften uns für das Lustspiel in jener höheren Gestalt, in welcher es allein zur Literatur gerechnet werden darf, besonders die Spanier als Vorbild dienen. Will man Beispiele, wie ein begabter Geist aus dem Quell fremder Dichtung schöpfen und sich in selbstän= diger Weise die Vorzüge derselben zu eigen machen könne, so nenne ich unseren herrlichen Platen; dieser kannte und studirte die Spanier, und man erkennt in seinem Schatz des Rhampsinit und gläsernen Pantoffel die Anregung, welche er von dieser Seite zu dem Versuche einer Wiederbelebung des höheren Luftspiels empfing: aber er hielt sich nicht selavisch an das Formelle, er suchte in freier Weise den Geist der spa= nischen Comödie zu reproduciren und bereicherte so unsere an Erzeugnissen der komischen Muse so arme Bühne mit einigen wahrhaft trefflichen Werken dieser Gattung. Daß aber diese Stücke, so wie noch einige andere unserer besseren Dramatiker, z. B. von Immermann, nicht aufgeführt werden, ist ein schwerlastender Vorwurf für unsere Bühnendirectionen, welche durch die stete Vorführung gehaltlosen aus- und inländischen Plunders recht systematisch auf den Ruin des guten Geschmacks

und auf die Abtödtung alles poetischen Sinnes auszu= gehen scheinen.

Und dies führt mich denn noch auf einen anderen Punkt. Der immer tiefer einreißende schmachvolle Verfall unseres Theaters, der den gebildeten Deutschen mit Schmerz und Unwillen erfüllen muß, macht wohl jedem Denkenden die Nothwendigkeit klar, daß man auf Mittel finne, die Bühne aus dieser Erniedrigung zu erheben. Alle Klagen und Declamationen aber helfen nichts, so lange man den Repertoires nicht eine reichliche Zahl von Schauspielen empfehlen kann, welche dramatische und wahrhaft poetische Kraft mit einander verbinden. Das Verlangen des Publikums nach Mannichfaltigkeit des Genusses ist ein gegründetes, und überall, wo das Theater wahrhaft geblüht hat, ist dieses Verlangen durch zahlreiche und verschiedenartige Werke befriedigt worden; man kann es daher eben so wenig den Zuschauern verargen, wenn sie über die wenigen aufführbaren Dramen unserer classischen Dichter hinaus noch andere zu sehen begehren, wie den Directionen, wenn sie diesen Trieb zu befriedigen trachten. Der Fehler ist nur, daß die lezteren, statt die Lücken ihrer Repertoires auf würdige Art zu ergänzen, dem Hange eines gedankenlosen Pöbels zu nichtswürdigem Zeitvertreibe durch die seichtesten und elendesten Novitäten fröhnen. Es hilft nichts, daß die Vertheidiger des heutigen Bühnenwesens einwenden, der Geschmack des Publikums

sei einmal so geartet, ihm müsse man willfahren: nein, die Bühnenvorsteher selbst sind es, welche diesen Geschmack durch die schale Koft, die sie ihm unermüdlich vorgesetzt, so tief herabgezogen haben, und in ihrer Macht liegt es auch, ihn wieder zu heben. Das Volk, unter welchem Begriffe wir doch nicht gerade die unterste Hefe des Pöbels verstehen, bewahrt troz aller Bestrebungen, seinen Geist zu verwirren, Empfänglichkeit für das Höhere und Poetische; seine Sinne sind noch nicht so verðumpst, daß ein mächtiger Blüthenduft der Poesie nicht das bessere Selbst aus seiner Betäubung erwecken sollte; in seiner Seele sind jene Saiten nicht zerrissen, welche harmonisch erklingen, wenn ein Dichter der entweihten Leier einen volleren und stärkeren Klang entlockt; das Herz vermag ihm noch zu schlagen für das Gewaltige und Herrliche in Vorzeit und Gegenwart; die Sehkraft für die luftigen Traumgebilde der Phantaste ist ihm nicht erloschen, seinem Auge fehlt die Thräne nicht für die im riestgen Kampf mit dem unerbittlichen Schicksal hinsinkende Heldengröße, und seiner Lippe nicht das Lächeln für den Scherz, der sich auf dem Blumenkelche der Anmuth schaukelt. In besonders glücklichen Zeiträumen wird der Beifall der Nation von selbst nur dem Schönen zu Theil, und die Bühne schafft und wirkt im unmittelbaren Einklang mit dem Volksgeiste das Rechte und Große: in Perioden der Zerfahrenheit und Verwirrung

aber ist es die Sache derer, welche von der Bühne herab auf die Nation wirken können, die von bösen Schichten umlagerten Elemente des Besseren in ihr zu entbinden; und wer den Einfluß kennt, den das Theater auf Geist und Sitte eines Volkes üben kann, dem wird diese Sache als eine wichtige und heilige erscheinen. Von dort her, von wo sich jezt eine geisttödtende Lethargie oder ein sittenverderbliches Gift durch die Adern der Gesellschaft ergießt, könnte sich eine auf das ganze Leben der Nation zurückwirkende Bildung des Schönheitssinnes, ja eine heilige Begeisterung für die höchsten Interessen des Daseins verbreiten; denn das Drama ist unter allen Formen der Dichtkunst die beredteste und aufregendste, es ist die einzige, welche in unserer Zeit, wo die übrigen Gattungen der Poesie in die Salons der vornehmen Welt verbannt sind, noch unmittelbar auf das Volk und selbst auf diejenigen einwirken kann, die nie ein Buch in die Hand nehmen. Hoffen wir nun, daß die Leitung der Bühnen, wie dies schon hier und da der Fall ist, aus den Händen von Ignoranten mehr und mehr in die von intelligenten Månnern übergehe, welche die Reform des Theaterwesens ernstlich beabsichtigen: so entsteht die Frage, aus was für Stücken das Repertoire zusammenzusehen sei? Es unterliegt keinem Zweifel, daß sich in unserer eigenen Literatur noch manche, durch den gewöhnlichen Schlendrian von den Brettern ausgeschlossene Dramen finden

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