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licher ein stublreiber, sehen Sie! ein mann, der den stuhl Sie werden mich nicht fragen womit? reibt, ein homo sellularius. Sie hätten das wort bei Eyring finden können, auch bei Agricola*) und läsen sie etwa Lessings zum theil noch ganz brauchbare collectanea zur deutschen lexicographie, so fanden Sie das nöthige XI. 2,273.

wie man gelegentlich noch jetzt sagt reuter statt reiter, verheurathen n. a, so also stul reuber und das konnte selbst stul rauber geschrieben werden. dennoch hat Waldis an keinen räuber dabei gedacht" etc.

Es ist mir sauer geworden, den langen Passus vollständig abzuschreiben; aber ich konnte mich Dem zur Kennzeichnung der Sandvoss'schen Art von Kritik nicht entziehen. Zur Angabe des Richtigen genügt der Hinweis auf Sanders, Wörterb. 2,655 b; doch will ich für Diejenigen, die dasselbe nicht zur Hand haben, das dort Bemerkte hersetzen:

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Kapital

Stuhlräuber, veraltet im Sinne von Stuhl**) (s. d.) : = Wucherer. Agricola 79; Weidner 267; Die grossen Stuhlräuber, Landschinder. Matthasius Lthe. 133 a etc.

Die Stelle aus Agricola ist bereits in der Anmerk. mitgetheilt; die aus Weidner aber lautet: Von den judischen Krämer sagte Einer: Die Stuhlräuher (so nennt er die Krämer) vertheuern die Waaren, übersetzen dieselbe gegen Freunde und Verwandte, machen sich feist etc. s. auch:

Darum heissen sie auch Stuhlräuber, Land- und Strassendiebe, nicht Kastenräuber, noch Meucheldiebe etc. Luther 4,402 b; Es sind Das freilich sicht Strassenräuber noch Stuhlräuber, sondern Hausrävber und Hoferäuber. 1,198 a; Das sind heimliche Stuhlrüuber, der da heimlich stiehlt, was sonst Einer offentlich thut etc. Sämmtl. Werke (Erlangen) 45,8; Wer nu itzt zu Leipzig 100 FL hat, Der nimmt jährlich 40, d. h. einen Bauer oder Bürger in einem Jahr gefressen.... Also möcht ein Stuhlräuber sitzen zu Hause und eine ganze Welt in 10 Jahren fressen. 23,303 u. ä. m.

Wir gehen zu einer andern Stelle über, zu Esopus 4,3443. Hier heisst es: Bei dem Kürsner auf der Stangen

Da kommen Zobeln, Mardern, Lüchs,

Wolf, Otter, Biber, Iltis, Füchs,

Werck, Hermlen, Lasten, Vielfrass, Bär'n.

Ueber die durch gesperrten Druck hervorgehobnen Wörter ist Kurz im Cnklaren. Er setzt zu Werck = Würger? Wolf? und begleitet Lasten mit einem Fragezeichen.

Herr Sandvoss hält ihm nun darüber folgende Lektion:

Kurz hätte nur wieder daran denken sollen, woran er freilich gar nicht gedacht hat, dass Waldis vielerlei niederdeutsches enthält; dann hätte er finden können, dass werck nichts anderes ist als das reh. werck ist die sehr gewöhnliche umstellung von wreck und w vor r ist sehr häufiger vorschlag. gl gewrocht gewirkt, kerch kriegte, kerstesmissen christmessen, vruchtede = fürchtete; wrangen (sich) neben rangen, luctari, wrangeln neben rangeln (Ditm), wrîben neben riben (hd. reiben), wreken hd. rächen, gewraken hd, rache u. d. m.

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" bezeich

Herr Sandvoss führt die Stelle nur, soweit wir sie mit ren, an, doch gehört zum vollen Verständniss derselben auch nothwendig das Andre: Und wiewohl ich der Deutschen Fressen und Saufen zur Uebermass nicht loben kann, so gefällt mir doch wohl, dass sie weniger Schaden thun denn eben Die, so stets nüchtern sind. Ein Deutscher schadet Niemand denn ihm selbs wenn er zuweilen ein Säu-Mahl machet. Andere Nation schaden ihnen selbs und andern Leuten. denn wer erfindet mehr finantzen, mehr newer funde, land vnd leutte zubetriegen, denn eben die stulreuber, die am wenigsten essen, vnd ein trunklin wein thun."

**) Oder: auf dem Stuhl sitzend und raubend, im Gegensatz der wegelagernden Strassenräuber?

alle diese niederdeutschen formen, die leicht zu vervollständigen sind, machen evident, dass werck statt wreck, dieses statt des hochd. rech oder reh steht.

lasten sind nichts anderes als lasken, wieselfelle und das gebräme davon auf frauenkleidungen, das wort ist wieder niederdeutsch. s. Dähnert p. 269. das wort wird gewiss auch hd. in der schreibung des B. Waldis vorhanden gewesen sein, denn wenn man sagt lasterbalg, so scheint das ein wortspiel zu sein. dem werthvollen lasten balg liegt der last er balg nahe genug. doch das ist eben nur ein einfall."

In dieser ganzen „Lektion“ ist Nichts richtig als die aus Dähnert entnommene ungefähre Bedeutung von Lasten. Genügenderen Aufschluss darüber aber empfängt man z. B. aus J. J. Prechtl Technologische Encyklopädie Bd. 11, S. 16, wo es heisst:

„Im Rauchwaarenhandel erscheint häufig ein dem Hermelin sehr ähnliches, aber viel wohlfeileres Pelzwerk unter dem Namen Laskifelle, Laschitzen junge Hermeline. Diese Felle sind nicht so gross und mildhaarig, aber ebenso weiss wie Hermelinfelle und unterscheiden sich von diesen hauptsächlich durch den Mangel der schwarzen Schwanzspitze. Sie kommen von dem in Sibirien lebenden gemeinen Wiesel, welches daselbst im Winter ganz weiss wird und in diesem Zustand Schneewiesel (Mustela nivalis L.) heisst."

Der Name ist aber natürlich nicht niederdeutsch, sondern slawisch lásiza, poln. lasica, verkl. lasiczka. russ. lasiza, laska, lasotschka, lastotschka, an welche letzte Form (lastotschka) sich die von Waldis gebrauchte anschliesst. Ueber Werck aber s. Sanders Wörterb. 1,431 c. Es bezeichnet (veraltet) das Eichhorn, wovon das Grauwerk [s. d. 2,1579 b; Buntwerk 1577 c und Feh 1,423 b] kommt. Solche Thierlein als Verch, Hermlein, Murmelthier. Ryff Thierb. 56, wie denn auch in der Wappenkunde die Flecke von zweierlei Fellwerk,Ferch- oder Ferchfell heissen. Jablonsky 409.“

Wir schreiten zu einer neuen Stelle, Esopus 4,8069. Es sind Worte eines vagierenden Bettlers, der von einem grossen künftigen Glück träumt, von einem reichen Gelderlös, den er zunächst in Nürnberger Tand u. s. w. anlegen will. Seine Worte lauten:

Dafür will kleine Pfenn werth kaufen,

Die will ich draussen bei den Hützen
An Eier, Käs' und Geld verstützen.
Oft wiederum dasselb anlegen etc.

= Thier

Die von Kurz (nach Eschenburg) gegebne Erklärung: Hützen hetzen ist offenbar falsch; aus der Sprache der vagierenden Bettler war leicht das Richtige zu gewinnen. Ich verweise auf Agricola 447, wo er von den Zigeunern sagt:

Ich halte sie für Bettler, welche den Hautzen und die Hautzin besefeln etc. [den Bauer und die Bäurin betrügen, s. Sanders Worterbuch 2,827 b] und bei Fischart Grossm. 50: Die Hutzen besefeln und karnesieren, vgl. Weimar. Jahrb. 4,82 etc.

Hören wir nun aber die ergötzliche „Lektion“, die Herr Sandvoss über das in Rede stehende Wort ertheilt (S. 140):

,,herr Kurz, passen Sie auf, jetzt können Sie etwas lernen! haben Sie einmal das wort kossath gehört? wissen Sie, was das ist? es kommt von kote oder kate und sete von sitzen, bedeutet daher einen mann, der in der kote sitzt, d. i. wohnt, die kote heisst auch wol der katen. also sehen Sie:

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denken Sie sich nun einmal statt der kote ein haus (domus), aber auf niederdeutsch. da heisst das hûs. Sie erhalten also einen

hus-seten.

verstunden Sie nun ein bischen plattdeutsch, was für einen editor des B. Waldis recht nützlich wäre, so wussten Sie wol, dass sich

kossete in kotze, selbst kootz zusammenzieht,

ein wort, das auch als eigenname vorkommt. gut! nun stellen Sie sich dieselbe zusammenziehung von hus-sete vor und Sie erhalten

hutze, der hutze plur. die hützen.

dieser hutze (also nicht die thierhetze!) ist, wie Sie sehen, nichts mehr und nichts weniger als ein tagelöhner, ein einlieger, ein hausmann, der zur miethe wohnt."

Und diese,Lektion" schliesst Herr Sandvoss mit Worten, wie sie sich nicht passender für einen Schultyrannen erdenken liessen, dem die Schüler gegen den ihnen unglaublich bedünkenden Vortrag einen Zweifel zu äussern

wagen:

fragen Sie nicht, wo das steht? ich weiss es nicht, vielleicht nirgend, aber richtig ist die geschichte, das glauben Sie mir."

Wir aber wenden uns begreiflicherweise von dem auf solche Weise Lektionen ertheilenden Herrn Sandvoss ab.

Dan. Sanders.

Karl Bartsch, Chrestomathie de l'ancien français. Leipzig bei F. C. W. Vogel. 1866.

Die reiche Literatur der altfranzösischen Sprache ist Gegenstand eines eifrigen Studiums in Frankreich wie in Deutschland geworden. Wenn unsere Nachbaren jenseits des Rheins die zahlreichen Quellen, die ihnen mit Leichtigkeit zu Gebote standen, mit anerkennenswerthem Fleisse dazu benutzten, um die Schätze ihrer alten Literatur durch den Druck dem grossen Publicum zugänglich zu machen, so haben deutsche Gelehrte, dem Standpankt unserer vaterländischen Wissenschaft angemessen, die philologische Seite der altfranzösischen Werke vorzugsweise betont und einestheils die Grammatik dieser Sprache historisch entwickelt, andrerseits die mittelalterlichen Quellen bei den Ausgaben der Schriftsteller mit kritischer Schärfe beButzt. Während so die französischen Editionen einen oft ungeniessbaren Text uns bieten, hat erst deutscher Fleiss und deutsche Sorgfalt dahin gearbeitet, die Werke der altfranzösischen Autoren in ihrer ursprünglichen Gestalt uns vorzuführen. Hierbei brauchen wir nur an die Arbeiten von Mätzner, altfranzösische Lieder, an Wackernagel, altfranzözische Lieder, und Leiche zu erinnern, an Gessner, Alexiuslied, Holland, Alexanderlied, Männer, denen es gelungen ist, einige Blüten aus dem duftenden Strausse der alten Literatur in ihrer unvergänglichen Frische vor unsere Augen zu bringen. Was nun das Studium der Grammatik betrifft, so ist ja Burguy, der freilich Franzose der Nationalität nach, aber doch ein Jünger deutscher Wissenschaft war, der eigentliche Begründer der wissenschaftlich nach Grimm'scher Methode behandelten altfranzösischen Grammatik geworden.

Es fehlte indessen, bei allen den trefflichen Arbeiten dieser verschiedenen Gelehrten, noch an Werken, die nicht nur den Text mit der Schärfe der Kritik behandeln, sondern auch, um den Freunden des Altfranzösischen, die sich mit den Schrift documenten dieser Sprache bekannt machen wollen, den Weg zu ihrem Ziel zu erleichtern, einen Gesammtüberblick über diese ganze Periode der Literatur geben. Eine altfranzösische Chrestomathie mit kritisch behandeltem Text und Glossar ist mithin als ein verdienstvolles Unternehmen zu begrüssen.

Ein solches Werk ist nun im vorigen Jahre von Karl Bartsch herausgegeben worden.

Das Buch zerfällt in drei Theile: Text, Grammatik und Glossar. Was die Form betrifft, so hat der Verfasser die französische gewählt, weil er, wie er sagt, dem Buch die Möglichkeit geben wollte, auch in Frankreich Verbreitung zu finden. Die Noten und die Grammatik sind daher von Ga

9.

ston in Paris französisch verfasst. Das Glossar, vom Verfasser zusammengestellt, giebt die deutsche Bedeutung und zum Theil die neufranzösische daneben. Der erste Theil des Werkes, der bei weitem am umfangreichsten ist, giebt auf 472 Seiten eine reiche Blumenlese der alt französischen Literatur vom 15. Jahrhundert. Er beginnt mit dem Glossaire de Cassel und den Strassburger Eiden zwischen Karl dem Kahlen und Ludwig dem Deutschen und schliesst mit den Mémoires von Philippe de Comines. Die Auswahl aus den verschiedenen Jahrhunderten hat der Verfasser so getroffen, dass er dem 9. Jahrhundert ungefähr 10 Seiten, dem 10. etwa ebensoviel, dem 11. 20 30 Seiten, dem 12. und 13. je 160, dem 14. und 15. je 60 Seiten seiner Chrestomathie gewidmet hat, so dass also das 12. und 13. Jahrhundert, die Blütezeit der französischen Trouvères, zusammen volle / des ganzen Werkes einnehmen, wofür ihm sicher der Kenner des Altfranzösischen nur Dank wissen kann. Obwohl der Raum dem Verfasser, wie er zu seiner Vertheidigung sagt, nicht gestattete, noch zahlreichere Belege für die verschiedenen Gattungen anzuführen, so vermissen wir doch ungern irgendwelche, wenn auch nur kurze Notiz über die verschiedenen Autoren, selbst wenn der Verfasser nur angedeutet hätte, aus welcher Provinz der betreffende Schriftsteller stammt. Dies wäre bei der weit auseinander gehenden Verschiedenheit der altfranzösischen Provinzialdialecte, für die Beurtheilung der Sprache von nicht geringem Belang gewesen.

Was die Auswahl überhaupt betrifft, so muss man zugestehen, dass meistentheils die Stücke genommen sind, die für den Verfasser und die Zeit characteristisch sind.

So finden wir im 10. Jahrhundert die Heiligenlegenden, im 11. den karolingischen Sagenkreis, im 12. die grossen Epen von Wace, dem Pfaffen Lambert, Chrestien de Troyes und Beneoit, sowie die Minnelieder und Kreuzlieder; im 13. Jahrhundert, wo zuerst ein grösseres historisches Document in Prosa: Villehardouin's anziehende Schilderung der Eroberung von Constantinopel vorliegt, die Chanson du Renard, die feurigen Lieder des Königs Thibaut IV. von Navarra, des Gazes Brulez und Adans li Bocus, des Robert de Blois Vorschriften über weibliche Erziehung (Chastiement des dames). Sodann folgt die anmuthige Erzählung von Aucasin und Nicolete. Hieran schliesst sich die bekannte Erzählung von der „halben Decke." Ausser dem Roman de la Rose sind auch Rondels, Pastourelles und Jeu parti vertreten.

Im 14. Jahrhundert begegnen wir Joinville's naiv geschriebener Histoire de St. Louis, ausserdem sind Baudouin von Sebourg und im 15. Jahrhundert Alain Chartier's Bréviaire des Nobles, sowie die Farce Pathelin, das Mystère de la Passion und schliesslich Comine's Memoiren hervorzuheben.

Der zweite Theil des Buches enthält, kurz zusammengestellt, eine Formenlehre des Altfranzösischen. Selbstverständlich kann man an dieser kurzen Angabe der Wortformen kein eingehendes Studium der altfranzösischen Grammatik machen. Dieser kurze Abriss giebt dem Anfänger nur das Nothdürftigste zum Verständniss der altfranzösischen Flexion und Formenlebre. Auf höheren wissenschaftlichen Werth kann dieser Theil daher keinen besonderen Anspruch erheben.

Der dritte Theil, das Glossar, giebt vollständig die Bedeutung der Worter, ohne indessen auf Etymologie und Vergleichung der Formen mit anderen romanischen Idiomen einzugehen und der Verfasser kann nur die Absicht gehabt haben, dem `practischen Bedürfniss des Verständnisses abzuhelfen, was ihm auch recht wohl gelungen ist.

Berlin.

Dr. Puschel,

Lessing et le goût français en Allemagne, par L. Cronslé, ancien élève de l'école normale. Paris, Durand. 1863.

Das Buch, dem diese Besprechung gilt, ist zwar nicht heute oder gestern erschienen, vielmehr schon vor vier Jahren. Nichts desto weniger wird es sich verlohnen, noch jetzt darauf zurückzukommen, da die Anerkennung, die es in Deutschland gefunden, wie es scheint, seinem Wertbe durchaus nicht entspricht.

Kaum kann es einen Abschnitt unserer Literaturgeschichte geben, den wir gespannter sind, einmal im Lichte französischer Betrachtung zu sehen, als die Periode der Mitte und der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts. Mit dem Beginne des 19. erreichen die literarischen Interessen der beiden Nachbarlander eine kräftige Solidarität, ein unausgesetztes Herüber und Hinüber der geistigen Bewegungen, die im Grossen und Ganzen in parallelen Linien verlaufen, macht sich dem oberflächlichsten Blicke bemerklich. Etwas Aehnliches findet zwar auch früher statt, doch in ganz anderer Weise. Damals nur unselbständige Nachahmung oder übertriebene Anfeindung des Fremden, nichts weniger als ein ruhiges, selbstbewusstes und darum achtungsvolles Verhaltniss der Literaturen zu einander. Lessing steht auf der Grenze der beiden Zeitalter, in ihm fasst sich die nationale Kraft noch einmal energisch, fast eigensinnig zusammen, bevor die fremden Geistesströme friedlich nebeneinander fliessen nach einer Richtung, die Goethe wies,in das grosse Meer der Weltliteratur. Trotz diesem Parallelismus des Schaffens ist die Zahl derer nicht eben gross, wiewohl in stetem Wachsen begriffen, die in Frankreich es sich zur Aufgabe gemacht haben, die genauere Kenntniss unserer Nationalliteratur zu erwerben und zu verbreiten. Man irrt wohl nicht, wenn man annimmt, dass Lessing drüben wenige Freunde hat, wenig bekannt ist. Zwar sind seine Stücke in's Französische übersetzt, Nathan der Weise drei Mal, auf der Buhne hat sich aber keines erhalten, der Laokoon wurde erst mehr als ein Menschenalter nach seiner Entstehung in Frankreich bekannt. Eingehendere Erwähnungen und Urtheile über Lessing sind immer nur vereinzelt anzutreffen, kurz Lessings Art scheint im Ganzen wenig Sympathisches für die Franzosen zu haben, oder seine Feindschaft ist durch geringe Beachtung erwidert worden. Wir können sagen, dass der Deutsche, wenn er von Lessing hört oder spricht, vor allem Andern an Nathan denkt, diese krystallene Brücke von unvergänglicher Schönheit und die uns mit einer Zeit verbindet, der wir ja freilich sonst vielfach entwachsen sind. Durch Nathan ist Lessing in Deutschland modern und wird es bleiben. Wer ihn dagegen in Frankreich kennt und selbst verehrt, wird erst zuletzt an Nathan denken. Kaum Einer erhebt sich drüben zu der Höhe der Würdigung, die bei uns an der Tagesordnung ist. Ist doch bei uns das Verhältniss zu Nathan geradezu ein Prüfstein der Weltanschauung, der Gradmesser der Geistesfreiheit; in Frankreich werden einige hervorragende Schönheiten des Stückes anerkannt, Frau von Staël lässt sich von dem weisen Nathan,,wunderbar rühren“, im Uebrigen wird es, wie Lessing's ganzes Theater wenig geschätzt. Demogeot nennt Lessing mit einigem Recht den Diderot Deutschlands, doch mehr sagt er nicht von seinem Stücke als: Il voulut bannir du théâtre toute pompe ambitieuse, mais il en bannit en même temps l'idéal, il tomba dans l'affectation du naturel, la pire des affectations: la plupart de ses pièces ne sont que la reproduction des choses réelles, le procès verbal de la nature au lieu d'en être le tableau vivant et expressif.

So nehmen wir denn mit freudiger Spannung das eine ausführliche Werk eines Franzosen über Lessing zur Hand, vielleicht wird dann dem Manne, den nach Wahrheit und Gerechtigkeit dürstete, wie keinen Zweiten. Wahrheit und Gerechtigkeit zu Theil. In jedem Falle ist die freie Discussion in seinem Geiste, auch wenn sie gegen ihn gekehrt sein sollte. Er wird den Kampf mit Waffen nicht ablehnen, die er selbst geschmiedet, die er strahlenden Glanzes seinem Volke als kostbarstes und unverlierbares Erbe hinterlassen hat.

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