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alsbald nach der Auswanderung eine gerichtliche Entscheidung ergangen ist, welche die Auswanderung in der angegebenen Weise für berechtigt erklärt. Kann und will das Reichsmilitärgericht diese gerichtlichen Feststellungen jener Entscheidung der Ersatzbehörden gegenüber ignorieren?

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Das лoτоν eudos liegt in dem oben zitierten Satze. Er ist der Grundstein der von ihm aus einheitlich mit unerbittlicher Logik durchgeführten Argumentation und ist doch im Gesetze ohne jede Stütze. § 11 Abs. 1 steht durchaus nicht im Widerspruch mit § 1 des Kriegsdienstgesetzes vom 9. November 1867 und Artikel 59 R.V. § 11 Abs. 1 R.M.G. enthält nur und nichts weiter eine Vorschrift, nach welcher die staatenlosen früheren Deutschen gestellungspflichtig sind und nachträglich ausgehoben werden können, aber nicht über das vollendete 31. Lebensjahr hinaus. Würden sie der Gestellungspflicht nachkommen und die Zeit, für welche sie ausgehoben sind, im Heere dienen, so haben sie alles getan, wozu sie gesetzlich verpflichtet sind. Eine weitere Inanspruchnahme ist gesetzlich ausgeschlossen. Alle andern in der Wehrpflicht noch enthaltenen Pflichten, wie Reservepflicht, Landwehrpflicht, Ersatzreservepflicht, Landsturmpflicht ruhen nur auf dem wehrpflichtigen Deutschen, nicht aber auf dem nicht wehrpflichtigen staatenlosen früheren Deutschen 1.

1 Laband Bd. IV S. 133 und dort Anm. 3 scheint seine abweichende Ansicht auf die Worte im Dienst" zu stützen. Er gibt aber freilich nicht an, unter welchen Umständen die Personen des § 11 landwehrpflichtig werden, und warum sie nur im Kriege der Ersatzreserveund Landsturmpflicht unterliegen. Wird diesen beiden Worten aber besondere Bedeutung beigelegt, so wird das Prädikat „zurück gehalten" ganz sinnlos. Können sie denn anders zurückgehalten werden als im Dienste ? Etwa „unter Umständen“ in der Landwehrpflicht? Mir scheint, die drei Worte gehören eng zusammen, die Worte im Dienste" sollen nur verdeutlichen und noch einmal klarstellen, dafs es sich in der Vorschrift um gar nichts anders handelt, als Leistung von Dienst im stehenden Heere.

Die aktive Dienstpflicht der Personen des § 11 Abs. 1 eine andere militärische Pflicht gibt es für sie, wie gesagt, überhaupt nicht - entspringt nicht aus der Wehrpflicht, die es nur bei deutschen Reichs- und Staatsangehörigen gibt, sondern steht ganz ausserhalb der darauf gegründeten Organisation unseres Heeres und ist die ganz besondere, kraft jener gesetzlichen Spezialvorschrift auferlegte Verpflichtung zu aktivem Waffendienste im stehenden Heere und nur hierzu. Abs. 3 § 11 R.M.G. widerspricht dem nicht, steht vielmehr in vollem Einklang mit dem Gesagten, ja erhärtet es noch. Die Ausgewanderten, welche zwar eine andere Staatsangehörigkeit erworben haben, aber vor vollendetem 31. Lebensjahr wieder Reichsangehörige werden, können bis dahin zum aktiven Dienste noch herangezogen werden und unterliegen den andern aus der Wehrpflicht entspringenden militärischen Pflichten nur kraft ihrer nunmehrigen Reichsangehörigkeit (Art. 57, 59 R.V., § 68 R.M.G.). Sind diese Ausführungen richtig, dann erhellt ohne weiteres, dafs die Wortauslegung des Senats trotz alles Scharfsinnes den Sinn auf den Kopf stellt: § 11 spricht überhaupt nur von Gestellungspflicht. Was das ist, ergibt § 26 W.O. Daher kann der „Wennsatz" gar keine Bedingung einer allgemeinen Wehrpflicht, sondern mufs notwendig Bedingung der Gestellungspflicht sein1. Die Gestellungspflicht und die Befugnis zur nachträglichen Aushebung besteht gar nicht, wenn der staatenlose frühere Deutsche keinen dauernden Aufenthalt in Deutschland genommen hat, und die Unterstellung unter die Militärgesetze ist abhängig von dem Vorhandensein dieser Voraussetzung.

Die Begründung dieses ganz andern Standpunktes und die Widerlegung der Argumente des Senats im einzelnen

1 Vgl. Steidle, Kommentar, Anm. 4 zu § 11 zum Schlufs S. 168 und siehe Verfügung vom 24. Januar 1904 betreffend die Militärpflicht früherer Reichsangehöriger in Min.Bl. 1904 S. 481.

würde hier zu weit führen und ergibt sich ja auch aus dem Dargelegten 1.

XII. Die Unterschiede in dem Verfahren gegen Abwesende bei Wehrpflichtverletzung und Fahnenflucht.

Natürlich gelten die Auseinandersetzungen zu XI. b) zum Schlusse nur für den Fall, dafs die Strafverfolgungsverjährung nicht unterbrochen wird; wenn sie unterbrochen wird, dann sind die Fristen wieder von der Unterbrechung an zu berechnen. Nun ist aber die Strafverfolgungsverjährung der Wehrpflichtverletzung insofern unpraktisch, als regelmässig das Verfahren gegen abwesende Wehrpflichtige früher nach dem preussischen Gesetz vom 10. März 1856 (G.S. S. 133) und jetzt gemäss dem im wesentlichen

1 Verwunderlich erscheint mir, wie sich der sonst so scharfsinnige Senat die glitzernde und so ganz unjuristische Definition der Wehrpflicht durch Laband (Bd. IV S. 128) zu eigen machen konnte. Die Wehrpflicht ist kein Inbegriff von gesetzlichen Voraussetzungen, ebensowenig wie irgend eine andere staatsbürgerliche Pflicht. Wollte man nach dieser Methode juristische Begriffe aufstellen, so kommt man schliesslich dahin, den Diebstahl als den Inbegriff von denjenigen gesetzlichen Voraussetzungen zu definieren, bei deren Vorhandensein der staatliche Strafanspruch wegen der Wegnahme einer fremden beweglichen Sache, in der Annahme, sie sich rechtswidrig zuzueignen, entstanden ist. Übrigens ist in Labands Definition nicht blofs der Oberbegriff falsch gewählt, sondern sie ist auch materiell unrichtig: Die Wehrpflicht besteht auch dann, wenn der Erlafs des Befehles der Staatsbehörden zur Leistung von Militärdiensten durch den Wehrpflichtigen (durch Nichtgestellung oder Auswanderung) gehindert wird und wegen Untauglichkeit oder aus anderen gesetzlichen Gründen mit rechtlicher Kraft und Gültigkeit nicht hätte ergehen können. Schliefslich muss mit Rücksicht auf das im Text Ausgeführte notwendig hinzugefügt werden, dafs nur der deutsche Reichs- und Staatsangehörige wehrpflichtig ist. Danach ist unter Wehrpflicht nach deutschem Militärrecht die öffentlich-rechtliche Verpflichtung des deutschen Reichs- und Staatsangehörigen zu verstehen, die Entscheidung der zuständigen Behörden über sein Militärverhältnis zu ermöglichen und nach der rechtmässig getroffenen Entscheidung den ergehenden, gesetzlich begründeten Befehl der zuständigen Behörden zum Eintritt in die bewaffnete Macht für die einberufene Zeit Folge zu leisten. Vgl. Mayer Bd. II S. 195 f. und G. Meyer, Verwaltungsrecht, Bd. II S. 70 f. Siegels (Annalen 1893 S. 781) Definition ist m. E. auch unrichtig, vermeidet aber doch, wenigstens formell, die logische Ungeheuerlichkeit der Lab and schen Definition, einen Rechtsbegriff durch den Inbegriff seiner gesetzlichen Voraussetzungen anstatt durch deren rechtlichen Inhalt und die rechtliche Natur ihrer Wirkungen bestimmen zu wollen.

übereinstimmenden 4. Abschnitt 6. Buch Str.P.O. alsbald durch Urteil seinen Abschlufs findet, und danach die fünfjährige Verjährungsfrist für die Strafvollstreckung zu laufen beginnt. Eine verschiedene Regelung hat das Verfahren bei der Fahnenflucht, insbesondere durch Inkrafttreten der M.Str.G.O. vom 1. Dezember 1898 am 1. Oktober 19001 gefunden. Auf diese Verschiedenheiten und das vor dem Inkrafttreten der M.Str.G.O. geltende Militärstrafprozefsrecht mag noch kurz eingegangen werden.

Der charakteristische Unterschied ist von jeher der gewesen, dafs das Kontumazialverfahren bei der Fahnenflucht nur eine provisorische Bedeutung hatte und niemals einen Abschlufs des Verfahrens herbeiführte.

a) Zur Zeit der Eingehung der Bancroftverträge bis zum Inkrafttreten der M.Str.G.O. vom 1. Dezember 1898 galt die preufsische Strafgerichtsordnung für das Heer vom 3. April 1845, und zwar für das Verfahren gegen abwesende Deserteure der vierte Abschnitt § 242 ff. Von Einzelheiten interessiert hier nur noch, dafs ursprünglich das Urteil gemäfs S$ 249, 253 den Abwesenden für einen Deserteur erklärte und auf Konfiskation seines Vermögens erkannte. Anstatt dieser Vermögenskonfiskation sollte nach der Verordnung vom 4. Januar 1849 (G.S. S. 47) mit Rücksicht auf die Abschaffung der Vermögenskonfiskation in Artikel 9 der Verfassung auf eine Geldbufse von 50-1000 Talern erkannt werden. Diese Bestimmung wurde dann wieder durch Gesetz vom 11. März 1850 (G.S. S. 271) dahin erweitert, dafs wegen der Geldstrafe und der Kosten des Verfahrens das Vermögen des Abwesenden mit Beschlag zu belegen ist. Eine entsprechende Bestimmung findet sich. im § 110 des preufsischen Str.G.B. von 1851. Der Zweck des Kontumazialurteils gegen Deserteure ist nicht Bestrafung, sondern Herbeiführung der Gestellung. Erfolgt die Gestellung, so ist in dem neu zu eröffnenden Verfahren das

1 Verordnung vom 28. Dezember 1899, R.G.Bl. 1900 S. 1.

Kontumazialurteil, eventuell auch die Beschlagnahme aufzuheben, dagegen die eingetriebene Geldstrafe nicht zurückzuzahlen, und im gewöhnlichen Verfahren gegen den Anwesenden auf die gemäfs § 95 ff. des Strafgesetzbuchs für das preussische Heer verwirkte Freiheitsstrafe zu erkennen. Die in den 70er Jahren erfolgte Änderung des materiellen Militärstrafrechts hat das formelle Recht nicht berührt (§ 2 Abs. 2, 2. Halbsatz des Einführungsgesetzes zum M.Str.G.B. vom 20. Juni 1872). § 2 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zur M.Str.G.O. vom 1. Dezember 1898 hat alle im Reichsgebiete geltenden militärstrafprozefsrechtlichen Vorschriften, insbesondere diejenigen über die Bestrafung der Fahnenflüchtigen im Wege des Ungehorsams- (Kontumazial-) verfahrens aufgehoben. Ist in diesem Verfahren vor Inkrafttreten der Militärstrafgerichtsordnung ein Urteil ergangen, so richtet sich die Vollstreckung wie auch das nach der Rückkehr des Verurteilten einzuleitende gewöhnliche Verfahren nach der letzteren kraft der Vorschrift des § 24 Ziff. 4 und 6 des Einführungsgesetzes zur M.Str.G.O. Eine Ausnahme gilt für die bereits eingezogene Geldstrafe, auf welche die bisherigen Bestimmungen anzuwenden sind.

b) Die rechtliche Natur des sogenannten Kontumazialurteils ist auch heute noch von Erheblichkeit für die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Rechtsmittel und Wiederaufnahme des Verfahrens möglich sind. Das Reichsmilitärgericht hat sich mit der letzteren Frage beschäftigt und ist auch zu dem richtigen Ergebnis gekommen, dafs eine Wiederaufnahme des Verfahrens sicherlich dann nicht gegeben ist, wenn das in § 24 Ziff. 4 Einführungsgesetz gedachte erneute Verfahren noch nicht unmöglich geworden ist. Die Begründung ist aber eigentümlich. Es heifst dort, das Kontumazialurteil habe durch Bestätigung und Bekanntmachung in Gemäfsheit der Bestimmungen der preussischen Str.G.O. vom 3. April 1845 „in gewissem Sinne" "Rechts

1 R.M.G.E. Bd. I Nr. 29 S. 81.

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