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truppe und (§ 19) zur Heranziehung von Personen des Beurlaubtenstandes des Heeres und der kaiserlichen Marine zur Schutztruppe in Fällen der Gefahr. Von der ersten Ermächtigung ist bisher nur für Südwestafrika und Kiautschou durch Verordnung vom 30. März 1897 Gebrauch gemacht worden1. § 68 M.Str.G.B. kann auf diejenigen Mannschaften des Beurlaubtenstandes, welche der weiteren Dienstpflicht ganz oder teilweise in der Schutztruppe für Südwestafrika genügt haben, solange sie ihren dauernden Aufenthalt im südwestafrikanischen Schutzgebiete nehmen (§ 7 der Verordnung) niemals in Beziehung auf das Reichsheer oder die kaiserliche Marine, sondern immer nur in Beziehung auf die Schutztruppe praktisch werden, d. h. unerlaubte Entfernung und Fahnenflucht ist nur bei der letzteren möglich. Erst mit dem Verlassen des Schutzgebiets, sei es zu ständigem oder vorübergehendem Aufenthalte in Deutschland oder im Auslande, wird die Zugehörigkeit zum Heere oder zur kaiserlichen Marine, welche mit der Beendigung der aktiven Dienstzeit in dem Schutzgebiete eintrat, aber während des dauernden Aufenthaltes im Schutzgebiete ruhte, wieder voll wirksam. Die Anwendbarkeit des Artikel II ergibt sich bei dieser Rechtslage ohne weiteres, da die Wehrpflichtigen eben Reichsangehörige sind. Diese Bestimmungen sind bei Aufhebung der Verordnung vom 30. März 1897 in die neue Verordnung vom 5. Dezember 19022 (§§ 8 und 9) übergegangen. Schliefslich ist durch Verordnung vom 18. Juli 19008 die M.Str. G.O. vom 1. Dezember 1898 mit dem 1. Oktober 1900 an die Stelle der preufsischen getreten mit der wichtigen Mafsgabe, dafs die Rechtsmittel der Berufung und der Revision nicht gegeben sind. So gilt denn für alle Angehörigen der Schutztruppen auch für die Farbigen und die dort Übung ableistenden Offiziere

1 a. a. O. Teil VIII S. 278.
2 a. a. O. Teil VI S. 556 u. 481.

3 a. a. O. Teil V S. 109.

und Mannschaften des Beurlaubtenstandes dasselbe Militärstrafrecht wie für das Heer und die kaiserliche Marine des Reiches1. Der Artikel II des Bancroftvertrages gilt demnach für die Angehörigen der Schutztruppe wie für die des Heeres und der Marine mit Ausnahme der Farbigen, die keine Reichsangehörigen sind, oder doch solange sie es 16. April 1886 nach § 9 des Gesetzes vom noch nicht ge10. Sept. 1900 worden sind 2.

X. Die Verlängerung der Wehr- und Dienstpflicht durch das Gesetz vom 11. Februar 1888 und ihre Bedeutung für das Strafrecht und die Anwendung des Art. II.

Weitere Änderungen der Wehrpflicht sind durch das genannte Gesetz, betreffend Änderung der Wehrpflicht vom 11. Februar 1888 und die Gesetze, betreffend die Friedenspräsenzstärke des deutschen Heeres vom 3. August 1893 und 25. März 1899 und betreffend Änderung der Wehrpflicht vom 15. April 1905 in Kraft getreten. Auf alle Einzelheiten hier einzugehen, würde zu weit führen. Ganz besonders erheblich ist unter dem hier interessierenden Gesichtspunkte der Einwirkung auf das Strafrecht die Verlängerung der Wehrpflicht vom 42. auf das 45. Jahr durch das Gesetz von 1888 und der gesetzlichen Dienstpflicht vom 20. bis 32. Lebensjahre bis zum 31. März desjenigen Kalenderjahres, in welchem der Wehrpflichtige das 39. Lebensjahr vollendet, das ist um 7 Jahre (früher 12, jetzt 19 Jahre).

a) Die Erheblichkeit ergibt sich ohne weiteres aus einem Rundschreiben des preufsischen Generalauditoriats an die Militärgerichte höherer Ordnung vom 25. Mai 1889, das ich hier im Wortlaut wiedergebe:

Über den Einflufs des Gesetzes, betreffend Änderungen der Wehrpflicht, vom 11. Februar 1888 (Reichsgesetzblatt Seite 11) auf die Ver

1 Vgl. Anm. 3 S. 69.

2 Vgl. Beiträge S. 374 u. 463, jedoch vorwiegend politisch.

jährung der Strafverfolgung einer vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes begangenen Fahnenflucht sind von verschiedenen Militärgerichten an das Generalauditoriat Anfragen gerichtet worden, aus denen hervorgeht, dafs in dieser Beziehung abweichende und zum Teil unzutreffende Ansichten herrschen.

Das Generalauditoriat nimmt hieraus Anlafs, in Nachstehendem Stellung zu dieser Frage zu nehmen.

Nach § 76 des Militärstrafgesetzbuchs beginnt die Verjährung der Strafverfolgung wegen Fahnenflucht mit dem Tage, an welchem der Fahnenflüchtige, wenn er die Handlung nicht begangen hätte, seine gesetzliche oder von ihm übernommene Verflichtung zum Dienste erfüllt haben würde. Während nun die gesetzliche Verpflichtung zum Dienste vor Erlafs des Gesetzes vom 11. Februar 1888 im ganzen 12 Jahre währte, dauert sie jetzt bis zum 31. März desjenigen Kalenderjahres, in welchem der Wehrpflichtige das 39. Lebensjahr vollendet.

Bezüglich der Bedeutung dieser Änderung für die Verjährung der Strafverfolgung einer vor dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 11. Februar 1888 begangenen Fahnenflucht mufs unterschieden werden.

War vor diesem Zeitpunkte die Verjährung mit Rücksicht auf die frühere Dauer der gesetzlichen Wehrpflicht bereits vollendet, so bleibt es hierbei bewenden. Die Zulässigkeit der Strafverfolgung kann nicht deshalb wieder aufleben, weil durch ein späteres Gesetz die Dienstzeit verlängert worden ist.

Umgekehrt ist in denjenigen Fällen, in welchen vor dem genannten Zeitpunkt der Lauf der Verjährung noch nicht begonnen hatte, für den Beginn derselben die durch das Gesetz vom 11. Februar 1888 festgesetzte Dauer der gesetzlichen Wehrpflicht mafsgebend.

Das gleiche gilt auch dann, wenn unter der Herrschaft der früheren Gesetzgebung die gesetzliche Voraussetzung des Beginnes der Verjährung zwar erfüllt, die gesetzliche Verjährungszeit aber beim Inkrafttreten des Gesetzes vom 11. Februar 1888 noch nicht abgelaufen war. Das GeneralAuditoriat kann die entgegengestehende Auffassung nicht teilen, dafs in diesen Fällen der § 2 Abs. 2 des bürgerlichen Strafgesetzbuchs platzgreife. Denn wenn auch eine Verlängerung der gesetzlichen Dienstpflicht infolge der Bestimmung § 76 Militärstrafgesetzbuchs zugleich die Verjährung der Strafverfolgung wegen Fahnenflucht hinausschiebt und dadurch den Fahnenflüchtigen in eine ungünstigere Lage bringt, so darf doch anderseits nicht aufser acht gelassen werden, dafs die bestehende Gesetzgebung, wie aus der Sondervorschrift des § 76 gefolgert werden mufs, eine Verjährung der Fahnenflucht überhaupt ausschliefst, so lange die Verpflichtung zum Dienst noch nicht erfüllt ist, und dafs überdies das Gesetz vom 11. Februar 1888 auch auf solche Wehrpflichtige Anwendung findet, deren gesetzliche Verpflichtung zum Dienste nach den bis dahin geltenden Bestimmungen bereits ihr Ende erreicht hatte.

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1

Schlayer hat diesen Standpunkt des Generalauditoriats, den auch Solms2 vertreten hat, unter Hinweis auf § 2 Abs. 2 des Str.G.B. verworfen. Die Be

1 Deutsche Militär- und Zivilgerichtsbarkeit S. 78 Anm. 2; vgl. auch sein Militärstrafrecht Anm. 288 zu § 76.

2 3. Aufl. S. 93 Anm. 2 zu § 76.

gründung des Generalauditoriats ist auch nicht ausreichend, sie übersieht das eigentliche Problem. Denn ist es selbst richtig, was in dem letzten Satze des Rundschreibens angeführt ist, so fragt sich doch eben, ob die Änderung der Wehrverfassung, welche auf die bestehenden Militärverhältnisse einwirkt und insofern rückwirkende Kraft hat, auch eine Änderung des vollendeten Tatbestandes eines militärischen Delikts herbeiführen kann, ohne dafs dies ausdrücklich in dem späteren Gesetze bestimmt ist.

b) Man denke sich nur, jemand habe ganz bewusst unter genauer Kenntnis der bestehenden Gesetze im ersten Dienstjahr vor Inkrafttreten des Gesetzes vom 11. Februar 1888 die Fahnenflucht begangen, um nach Ablauf von 17 Jahren mit dem Eintritt der Verjährung zurückzukehren. Sein Vorsatz umfafst die zwölfjährige Dienstzeit, er will sich nicht einer abstrakten gesetzlichen Dienstpflicht dauernd entziehen, in dem Sinne, als er auch für den Fall künftiger gesetzlicher Verlängerungen der Dienstpflicht der nunmehr verlängerten Dienstpflicht sich entziehen will. Vielmehr geht die Absicht der dauernden Dienstentziehung immer nur auf die Entziehung seiner bestehenden gesetzlich festgelegten und der Zeit nach genau bestimmten Dienstpflicht. Auch die Natur der Fahnenflucht als eines. Dauerdeliktes ist nicht für die Ansicht des Generalauditoriats zu verwerten. Man kann nicht sagen: Bleibt der so Gesetzeskundige nach den Änderungen der Gesetzgebung fort, so hat er den nunmehrigen Rechtszustand in seinen Willen aufgenommen. Man kann auch nicht sagen, es handle sich um einen Rechtsirrtum, wenn der Fahnenflüchtige noch nach Änderung der Wehrverfassung meint, seine Dienstpflicht dauerte wie früher 12, nicht 19 Jahre. Denn es fragt sich ja gerade, ob an dem unter dem früheren Rechte geschaffenen Tatbestande bei seiner strafbaren Fortdauer durch später ergangene gesetzliche Bestimmungen etwas geändert wird, ganz unabhängig von dem Willen und Wissen des Täters, ja selbst wenn dieser von den Ände

rungen Kenntnis erhalten hat. Und diese Frage mufs nicht blofs mit Rücksicht auf § 2 Abs. 2 des Str.G.B., sondern vielmehr noch mit Rücksicht auf § 2 Abs. 1 desselben mit aller Entschiedenheit verneint werden. Handlung bedeutet in § 2 Abs. 1 Str.G.B. soviel wie Inbegriff aller zu einem Delikt erforderlichen Tatbestandsmerkmale. Die Veränderung der der Tatbestandsmerkmale eines Deliktes macht auch die Handlung zu einer anderen. Die Veränderung der Dauer der Dienst- und Wehrpflicht ist eine solche Veränderung eines Tatbestandsmerkmals. Durch sie wird auch die Handlung der Wehrpflichtverletzung und der Fahnenflucht zu einer anderen. Die vor dem Gesetz vom 11. Februar 1888 begangene Wehrpflichtverletzung oder Fahnenflucht ist eine andere Handlung als die nach seinem Inkrafttreten begangene. Und die Bestimmungen der letzteren können nicht auf die Bestimmungen für die erstere übertragen werden, weil dies zu einer Verletzung eines der höchsten Prinzipien des Strafrechts führen würde, dafs eben Deliktstatbestände durch nachträgliche Gesetze nicht mit rückwirkender Kraft geschaffen oder auch nur verändert werden dürfen (nulla poena sine lege). Als man mit dem Gesetz, betreffend die Bestrafung der Entziehung elektrischer Arbeit vom 9. April 1900 den Diebstahlsbegriff erweiterte, wird keiner auf den Gedanken gekommen sein, das Gesetz auch auf die vor seinem Inkrafttreten verübte, aber noch nicht verfolgbare Entziehung elektrischer Arbeit anzuwenden, selbst wenn solche Entziehungen auch über das Inkrafttreten des Gesetzes hinaus und von da ab freilich strafbar fortdauernd begangen worden sind. Die Natur der Fahnenflucht und der Wehrpflichtverletzung als Dauerdelikte ergibt nun nicht etwa, wie man in Analogie zu dem angeführten Beispiele versucht sein könnte, anzunehmen, dafs mit dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes die ursprüngliche strafbare Unterlassung der Rückkehr nicht fortdauere und nunmehr

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