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wird auch durch Artikel II oder irgend eine andere Bestimmung der Bancroftverträge keine Regelung über den Verlust der Staatsangehörigkeit getroffen, so setzt er wie alle andern Bestimmungen doch voraus, dafs der Naturalisierte, welcher die durch die Naturalisation und den fünfjährigen ununterbrochenen Aufenthalt begründeten Rechte geltend macht, während dieser Zeit nicht sein früheres staatsbürgerrechtliches Verhältnis als solches betätigt und damit anerkannt hat. Diese Voraussetzung ist, abgesehen von allen historischen Gründen, in dem dargelegten Begriffe der Auswanderung enthalten. Dieser unterscheidet sich ganz erheblich von dem der Expatriation.

d) Sie fallen gar nicht unter denselben Oberbegriff. Auswanderung bezeichnet, wie regelmäfsig die Wörter auf ,,ung", sowohl die Tätigkeit des Auswanderns als auch den durch die Tätigkeit herbeigeführten Zustand des Ausgewandertseins, sowohl das Sichentfernen aus dem Staatsgebiet als das Entferntsein. Immer sind es Handlungen oder Unterlassungen, an die das Gesetz des Heimatstaates unter bestimmten Voraussetzungen straf- oder staatsrechtliche Rechtsfolgen knüpft. Expatriation dagegen bezeichnet einmal die Rechtsfolge des Verlustes der Staatsangehörigkeit, und zugleich den Inbegriff von gesetzlichen Voraussetzungen, welcher diese Rechtsfolge herbeizuführen geeignet ist, und ist in letzterer Beziehung nach dem Staatsrecht eines jeden Landes ein anderer Begriff. Eine dieser Voraussetzungen ist z. B. nach deutschem Staatsrecht die Abwesenheit vom Deutschen Reiche, gleichviel in welcher Absicht, nicht aber fünfjähriger ununterbrochener Aufenthalt und Naturalisation in den Vereinigten Staaten. Hierher gehört z. B. die Verehelichung einer Deutschen mit einem Ausländer und nach manchem ausländischen Staatsrecht die Verehelichung einer Ausländerin mit einem Deutschen. Unter dem Begriff: „Auswanderung" werden Tatsachen, unter dem Begriff: dem Begriff: Expatriation" Rechtssätze zusammengefasst, nämlich diejenigen, welche

den Verlust der Staatsangehörigkeit regeln.

Im engern

Sinn wird alsdann unter Expatriation häufig ein bestimmter auf den Willen desjenigen, der sich expatriiert, zurückzuführender Verlustgrund der Staatsangehörigkeit, nämlich die Auswanderung in dem herrschenden, dem erörterten Sinne verstanden, pars also pro toto angewendet1, wobei dann der Wille nach den einen auf den Erwerb einer neuen, nach den andern auf den Verlust der alten Staatsangehörigkeit gerichtet ist, nach andern wieder sich auf die Nichtausübung der Staatsangehörigkeit beschränkt.

Unter dem right of expatriation ist daher, wenn es in einem bestimmten Staate besteht, das subjektiv-öffentliche Recht zu verstehen, seine Staatsangehörigkeit und damit alle die darin begründeten Rechte und Pflichten, insbesondere der Regelfall, durch Annahme einer andern Staatsangehörigkeit aufzugeben. Von einem solchen Rechte der Expatriation kann man freilich im Falle der Aufgabe der Staatsangehörigkeit durch Verehelichung einer Deutschen mit einem Ausländer nicht sprechen, weil das subjektivöffentliche Recht ein Wollen-Können" (Jellinek) voraussetzt, die Verehelichung aber kraft Gesetzes unabhängig und gegen den Willen der sich Verehelichenden den Verlust der Staatsangehörigkeit, d. i. die Expatriation im eigentlichen Sinne des Wortes herbeiführt. Gleiches gilt für den Verlust durch zehnjährige Abwesenheit (§ 21 des Gesetzes vom 1. Juni 1870). Hier handelt es sich auch um eine Art der Expatriation, die kraft Gesetzes auch gegen oder ohne den Willen des Abwesenden eintritt, und deshalb kann auch hier nicht von einem Recht der Expatriation gesprochen werden. Wo aber ein solches Recht staatsrechtlich nicht anerkannt ist, wie z. B. in Deutschland, da bedeutet right of expatriation nichts als die rechtspolitische Forderung der Einführung und Geltung dieses subjektiv-öffentlichen Rechtes. Dieses Recht könnte

1 Vgl. Hamilton Fish in den Opinions, S. 1187.

natürlich im einzelnen in der verschiedensten Weise ausgestaltet werden und wird wohl immer die Annahme einer fremden Staatsangehörigkeit und den Ablauf einer bestimmten, je nach den Staatsinteressen, längeren oder kürzeren Zeit zur Voraussetzung, als wesentliches weiteres Merkmal aber haben, dass der Wille des Staatsangehörigen geeignet ist, den Verlust seiner Staatsangehörigkeit herbeizuführen.

VII. Die Rechtsnatur der Straffreiheit des Art. II.

a) Der Artikel II erkennt weder ein subjektiv-öffentliches Recht an, noch berührt die dort geregelte Straflosigkeit die Bestimmungen über den Verlust der Staatsangehörigkeit. Auch handelt es sich in ihm nicht um eine vorher schon fest zugesagte Amnestie für Delikte, die nicht vor der Auswanderung begangen werden. Denn eine Amnestie ist ein einmaliger, regelmäfsig mehrere Fälle umfassender Akt der Begnadigung, aber keine gesetzliche Vorschrift. Vielmehr ist die rechtliche Natur des Artikels II eine Modifikation des Instituts der Verjährung, oder, wenn man will, die an bestimmte Voraussetzungen geknüpfte Befreiung von einer Pflicht, deren Verletzung sonst strafrechtlich zu sühnen ist.

b) Im letzteren Falle würde es sich um eine nach der begangenen Pflichtverletzung eintretende, nach rückwärts hin wirksam werdende Befreiung handeln. Das auf Grund der Pflichtverletzung etwa ergangene rechtskräftige Urteil wäre, wie sich nachträglich herausstellt, auf einer unhaltbaren tatsächlichen Grundlage aufgebaut. Es hat eine Pflicht unterstellt, welche unter den Voraussetzungeu des Artikels II entweder überhaupt nicht besteht oder aber in Gemäfsheit dieser nachträglich festgestellten und erst feststellbaren Voraussetzungen als erfüllt angesehen werden muss. Die Verurteilung erfolgt, weil die etwaige künftige Verwirklichung jener Voraus

1 von Martitz in Annalen S. 832, und Wesendonck daselbst 1877, S. 207.

setzungen bei der Pflichtverletzung und in dem darauf alsbald folgenden Kontumazialverfahren nicht festgestellt werden kann und überhaupt fraglich ist. Die Vollstreckung des Urteils wie die Verfolgung wird aber gehemmt, wenn bei der Rückkehr die Voraussetzungen des Artikels II nachgewiesen werden. Bismarck hat dies so ausgedrückt, dafs er sagte, die Naturalisation und der fünfjährige ununterbrochene Aufenthalt in den Vereinigten Staaten stände der Erfüllung der staatsbürgerlichen Pflichten (insbesondere der Militärpflicht) gleich, deren Erfüllung sich der Auswandernde entzöge. Diese Fiktion bedeutet juristisch, dass auf Grund der vertragsgesetzlichen Vorschrift des Artikels II der Wille des nach den Vereinigten Staaten Auswandernden und dort innerhalb eines fünfjährigen ununterbrochenen Aufenthalts Naturalisierten nicht als strafbar zu gelten hat, dafs die betreffende Person unter den angegebenen Voraussetzungen so anzusehen ist, als wenn sie schon zur Zeit des Verlassens des Staatsgebiets aus all den staatsbürgerlichen Pflichten, welche die Auswanderung verbieten, entlassen worden wäre.

c) Eine solche Konstruktion enthielte im Prinzip eine Anerkennung des Rechts der Expatriation, insofern der Wille des nach den Vereinigten Staaten Auswandernden von staatsbürgerlichen Pflichten zu befreien vermag, welche bei der Auswanderung noch bestanden, und zwar durch die Auswanderung, ex tunc.

Eine solche Konstruktion widerspricht aber dem Wortlaut wie der Entstehungsgeschichte des Artikels II. Wohl ist sie ein juristischer Ausdruck des de facto durch Artikel II herbeigeführten Zustandes und beschreibt in juristischer Zusammenfassung die tatsächlichen Wirkungen, welche er verursacht. Juristisch aber besagen die Worte: „darf nicht zur Untersuchung und Strafe gezogen werden“ eine dauernde Hemmung des Strafverfahrens, ähnlich wie es die Verjährung tut. Aber auch gerade so wie diese?

d) Die Verjährung setzt die Vollendung eines Deliktes

voraus, entweder so, dafs (bei Handlungen) der rechtswidrige Erfolg herbeigeführt oder so (bei Unterlassungen), dafs der herbeigeführte rechtswidrige Zustand aufgehört hat. Die Delikte aber, die nicht vor der Auswanderung, sondern durch sie begangen werden, wie Wehrpflichtverletzung und Fahnenflucht, sind Dauerdelikte, sie hören erst auf, wenn der durch die Auswanderung geschaffene Zustand nicht mehr rechtswidrig ist, das ist mit Fortfall der Pflicht, sei es durch Erfüllung, sei es durch Überschreiten des die Pflicht begründenden Lebensalters, sei es durch Verlust der Staatsangehörigkeit, was noch zu erörtern sein wird. Alles dreies trifft vorliegend nicht zu, wenn der Naturalisierte alsbald nach der Naturalisation und dem Ablauf der fünfjährigen Frist in die Heimat zurückkehrt; auch nach der oben wiedergegebenen Bismarck schen Äufserung stehen Naturalisation und fünfjähriger ununterbrochener Aufenthalt in den Vereinigten Staaten der Erfüllung gleich, es soll so angesehen (fingiert) werden, als ob sie Erfüllung wären, aber sie sind keine Erfüllung.

e) Der staatliche Strafanspruch ist also nicht ausgeschlossen, weil er verjährt ist, noch ist er nach seiner Entstehung nachträglich in Wegfall gekommen, weil etwa, wie oben dargelegt, die Pflicht als nicht bestehend sich herausgestellt hätte. Vielmehr ist in Artikel II ein neuer Strafausschliefsungsgrund gegeben. Er hat mit anderen Strafausschliefsungsgründen, insbesondere der Verjährung, gemeinsam, dafs er eine strafbare Handlung voraussetzt, auf dessen Sühne der Staat verzichtet. Freilich hat er die ganz merkwürdige Besonderheit, dass er der Person gegenüber einen Verzicht ausspricht, welcher unter Umständen innerhalb der Machtsphäre der Strafgewalt den rechtswidrigen Zustand aufrecht erhält; dafs dagegen die Strafgewalt nicht in der Lage ist, dem rechtswidrigen Zustande ein Ende zu machen, sondern verpflichtet ist, ihn zu dulden, oder doch nur (durch Ausweisung) den privilegierten Rechtsbrecher aufserhalb ihrer Machtsphäre bringen und so allein sich

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