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8% ihre Reichs- und Staatsangehörigkeit bewahrt haben. Und man sei doch ehrlich genug, einzugestehen, dass die Macht der fremden Verhältnisse und die Dringlichkeit der eigenen Interessen auch das stärkste Nationalgefühl, selbst wenn der Schutz der Deutschen im Auslande durch die Reichsregierung den nationalsten Wünschen bis zur Verletzung der entgegengesetzten Interessen anderer Staaten entspräche, man erlaube mir den Ausdruck kleinkriegen. Nicht in dem Sinne, dafs gar kein Gefühl und gar keine Sehnsucht nach der alten Heimat mehr übrig bleibt, wohl aber in dem Sinne, dafs die formellen staatsrechtlichen Beziehungen gering geachtet und schliesslich aufgegeben werden, um ganz offenbare rechtliche und politische Vorteile des Inländers gegenüber dem Ausländer dafür zu erhalten. Ja, wenn die Rechtsstellung der Inländer mit der der Ausländer in den verschiedenen Staaten keine Unterschiede zeigten, wenn der Deutsche, der nach den Vereinigten Staaten kommt, zivilrechtlich und öffentlichrechtlich dem Amerikaner gleichstände, und wenn unsere Wehr- und Strafgesetzgebung nicht die straffreie Rückkehr bis zum Lebensabend hinausschieben und dadurch zur Assimilation im fremden Lande zwingen würde, dann fielen die wichtigsten Motive für die Naturalisation hinweg. Solange aber der fremde Staat völkerrechtlich in der Lage ist und er wird es immer sein durch seine innere Gesetzgebung Motive für die Naturalisation zu schaffen oder gar die Rechte und Pflichten seiner Staatsangehörigkeit ohne irgend eine Mitwirkung des Eingewanderten zu verleihen bezw. aufzuerlegen, da wird der eingewanderte Deutsche im fremden Lande seine Reichs- und Staatsangehörigkeit schon aus äufseren Umständen, die schliefslich mächtiger sind, als seine Anhänglichkeit an die alte Heimat, auf die Dauer nicht bewahren können, wenn er gezwungen ist, im fremden Lande sich für sich und seine Nachkommen einzurichten.

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Die dargelegten Gründe gegen eine prinzipielle Er

schwerung des Verlustes der Staatsangehörigkeit sprechen auch gegen eine prinzipielle Erschwerung der Naturalisation in Deutschland selbst, was hier nicht weiter zur Erörterung steht.

Auf der anderen Seite dagegen sind von dem hier vertretenen Standpunkte aus von vornherein auch alle die Versuche und Bestrebungen abzuweisen, welche allein vom individuellen Interesse aus eine Regelung des Verlustes oder des Fortbestandes der Staatsangehörigkeit für möglich und erforderlich halten, wie das nach den Ansichten des 18. Jahrhunderts und der damit eng verknüpften einschlägigen amerikanischen Gesetzgebung und Praxis über das Verhältnis von Staat und Individuum nahe gelegt wird. Der richtige Weg liegt vielmehr in der Mitte, nämlich in der Richtung, dafs die Betätigung des Willens der auswärtigen Deutschen nicht blofs den Verlust der Staatsangehörigkeit herbeiführen, sondern auch hemmen und etwaige Fristen unterbrechen kann, und dafs eine Nichtbetätigung des Willens in bezug auf die Staatsangehörigkeit nicht blofs als Grund für den Verlust, sondern auch als Grund des Fortbestandes, als Vermutung eines entsprechenden Willens verwertet werden kann.

Wie dürfte sich nun auf grund dieser prinzipiellen Auseinandersetzungen die Regelung im einzelnen gestalten?

II. Die Regelung im einzelnen.

a) Vorbetrachtung.

Jede künftige Regelung der Staatsangehörigkeit mufs den bestehenden Rechtszustand zum Ausgangspunkt nehmen und darf nicht aus dem Auge lassen, dafs es schliesslich doch der internationale Verkehr ist, in welchen die nationale Staatsangehörigkeits-Gesetzgebung eingreift.

1. Die Vorschriften des Gesetzes vom 1. Juni 1870 über den Verlust der Staatsangehörigkeit haben alle Vorzüge und alle Schwächen einer einfachen Rechtsgestaltung komplizierter Lebensverhältnisse. Diese Einfachheit war

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zur Zeit der Reichsgründung unbedingt erforderlich, nicht, wegen der Bequemlichkeit der Verwaltung", (Hasse) sondern weil damals auf andere Weise kein einheitliches Reichsrecht auf diesem Gebiete zu schaffen gewesen wäre. Damals konnte an eine einheitliche Reichsverwaltung betreffend die Angelegenheiten der Angehörigkeit zu den einzelnen Bundesstaaten und der daraus abgeleiteten Reichsangehörigkeit nicht gedacht werden, mufste jedem Bundesstaate (der Zentralbehörde des Heimatsstaates) die Verwaltung überlassen werden. Und bei einer solchen Zersplitterung der Verwaltung in 25 von einander unabhängigen Körpern war die erstrebte und erforderliche Einheit nur möglich durch einen leicht anwendbaren Rechtssatz mit einer ganz aufserlichen und leicht feststellbaren Voraussetzung. Diese leichte Feststellbarkeit war um so nötiger, als die Organisation der auswärtigen Reichsbehörden zu Anfang ihrer Entwicklung nicht gleich mit der ungeheuren Arbeitslast der Kontrolle über den Fortbestand oder Verlust der Staatsangehörigkeit der Auslandsdeutschen belastet werden konnte, ganz abgesehen davon, dafs eine solche Vereinheitlichung der Verwaltung nach aufsen nicht leicht mit der Zersplitterung der Verwaltung im Innern in Übereinstimmung zu bringen war. In der Zersplitterung der Verwaltung gelangte die Selbständigkeit der einzelnen Bundesstaaten zur Anerkennung. Eine Vereinheitlichung in einer Reichs- bezw. Bundesbehörde auf dem Gebiete der Reichs- und Staatsangehörigkeit würde bedeutet haben, dass es sich nicht um eine Verbindung der selbständigen Regierungen, sondern um eine Unterwerfung unter eine einheitliche Spitze gehandelt hätte. Das war politisch und historisch unmöglich. Und deshalb war der Weg des § 21 1. c. eine Notwendigkeit trotz des unbefriedigenden Ergebnisses, dafs ein deutscher Reichs- und Staatsangehöriger zehn Jahre lang im Auslande leben, als Deutscher die deutschen Behörden im In- und Auslande in Anspruch nehmen kann, in jeder Weise den Willen, die Staats

angehörigkeit zu bewahren, betätigen kann oder doch in keiner Weise den Willen, sie aufzugeben, betätigt hat, und doch die Staatsangehörigkeit durch den einfachen Ablauf der zehnjährigen Frist verliert, wenn er aus irgend einem Grunde es unterlassen hat, sich in die Matrikel eines Bundes konsulats eintragen zu lassen.

2. Dem gegenüber besteht aber auch ein nicht gering zu schätzender Vorteil: Die gänzliche Unabhängigkeit des nationalen Rechtszustandes von der Gesetzgebung anderer Staaten über den Erwerb und Verlust ihrer Staatsangehörigkeit.

Dieser Vorteil macht es verständlich, dafs die Regierung auf den Antrag Braun nicht eingehen und als zweite Voraussetzung des Verlustes der deutschen Reichs- und Staatsangehörigkeit neben der zehnjährigen Frist die Naturalisation in einem anderen Staate nicht eingeführt wissen wollte. Denn die zweite Voraussetzung enthält eine Verweisung auf das Recht des fremden Staates, eine Anerkennung der nach ihm gültigen Naturalisation. Und wie könnte eine Anerkennung möglich sein, wenn eine Reziprozität nicht sicher gestellt wäre, ja wenn die Naturalisation in fremdem Lande unter Missachtung unserer gesetzlichen Vorschriften ohne jede Rücksicht auf den Fortbestand unserer Staatsangehörigkeit stattfindet? Würde aber selbst als Naturalisation nur anerkannt, was nach deutschem Gesetze darunter verstanden wird, so kann doch in diesem wie in dem anderen Falle ein solches Erfordernis für den Verlust der Staatsangehörigkeit nach unserem Rechte eine doppelte Bedeutung haben: Es enthielte die Anerkennung des Rechtsvorgangs der Naturalisation in einem fremden Staate um seiner selbst willen, also der Gültigkeit und Wirksamkeit des fremden Rechts für unser Rechtssystem. Oder es sähe in der Naturalisation die stärkste und entschiedenste Betätigung des nunmehr unabänderlichen Willens, die bisherige Staatsangehörigkeit aufzugeben, und brächte die Anerkennung eines solchen endgültigen Willens zum gesetzlichen Aus

druck. Die erste Möglichkeit weist aus sich selbst heraus auf den Weg internationaler Vereinbarungen, die zweite gestattet eine Regelung auf nationaler Grundlage. Beachtenswerte Vorschläge in der Richtung der ersten Möglichkeit hat das Institut de Droit International durch seine Beschlüsse aus dem Jahre 18961 gemacht. Field (Artikel 264 ff.) Bluntschli2 und Lisboa haben das gleiche Ziel internationaler Regelung gemeinschaftlicher Interessen im Auge. Einen interessanten Ausblick auf die Entwicklung eines künftigen internationalen Verwaltungsrechts über den Wechsel der Staatsangehörigkeit gewähren die Darlegungen von Palomeque über den auf völkerrechtlichen Verträgen beruhenden gegenseitigen Austausch von Akten betreffend den Zivilstand der eingewanderten Fremden und ihrer Nachkommen seitens der Aufnahmestaaten. Aber sie zeigten auch, in welch weiter Ferne ein solches Verwaltungsrecht liegt, und wie die Interessengegensätze der Staaten vorläufig eine gemeinsame Regelung der ganzen Materie kaum erwarten lässt, so dafs bestenfalls im einzelnen kleine völkerrechtliche Zugeständnisse und Ergänzungen der nationalen Gesetzgebung in Frage kommen dürften. Deshalb ist vorwiegend die zweite Möglichkeit, von welcher oben die Rede war, ins Auge zu fassen, also in den Fällen, wo internationale rechtliche Beziehungen in Frage kommen können, nicht deren rechtliche Bedeutung nach dem fremden Rechte, sondern deren tatsächliche Bedeutung für die Gestaltung unserer Gesetzgebung zu grunde zu legen.

1 Siehe Anlage X Nr. 1.

2 § 372 seines Völkerrechts.

3 In Rolins Revue 1903 (Bd. V) S. 148 ff. Vgl. auch ebendort 1869 (Bd. I) S. 102 Westlake, De la naturalisation et de l'Expatriation ou du Changement de la nationalité.

Rolins Revue 1904 (Bd. VI) S. 653 f.

5 Vgl. von und zu Bodman Anm. 3 und 4 S. 326 ff. Von und zu Bodmans Vorschlag der Aufgabe des deutschen Prinzips (S. 336) und der Anerkennung der fremden Naturalisation ist doch wohl durch die angebliche, übrigens unrichtige Durchbrechung dieses Prinzips seitens der Bancroftverträge nicht genügend begründet.

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