Imagini ale paginilor
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Rechte, ohne die Pflichten zu erfüllen, und erinnern sich vielleicht der ersteren, wenn die letzteren sie nicht mehr drücken können. Die ersteren dagegen haben mit ihrer Entlassung endgültig jede Möglichkeit der Wiederanknüpfung der alten Beziehungen verloren, sie sind vollständig Staatsfremde geworden, nicht etwa blofs deshalb, weil sie jede Beziehung abbrechen wollten, sondern weil ihr Pflicht- und Rechtsgefühl das alte Staatsangehörigkeitsverhältnis mit dem neuen nicht vereinigen konnte und aus diesem Konflikt heraus die Auflösung des alten herbeiführte1.

So ist es denn auch hauptsächlich die dritte Gruppe der aufserhalb des Reichsgebiets befindlichen Reichs- und Staatsangehörigen gewesen, die Gruppe der Unentschiedenen und Unbewufsten", welche denen, die eine Erschwerung des Verlustes der Staatsangehörigkeit fordern und vorschlagen, als Ausgangspunkt und Grundlage ihrer Argumentation dienen. Sie ist vor allem gerichtet gegen den extremen Individualismus, der den Willen des einzelnen entscheiden lassen will, und der eine vorzügliche Formulierung in einer Entscheidung des amerikanischen Richters Iredell im Fall Talbot aus dem Jahre 1795 gefunden hat:

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That a man might not be a slave; that he should not be confined against his will to a particular spot because he happens to draw his first breath upon it; that he should not be compelled to continue in a society to which he is accidentally attached, when he can better his situation elsewhere much less when he must starve in one country and may live comfortably in another, are positions which I hold as strongly as any man, and they are such as most nations in the world clearly recognize.

The only difference of opinion is as to the proper manner of executing this right."

Und aus derselben Zeit klingt die mahnende und grollende Stimme de Vattel's gegen die Verstiegenheit des nationalen Prinzips jener Zeit 3.

1 Vgl. Lehmann S. 834.

2 Wiedergegeben in dem Bericht des Schatzsekretärs Richardson. Siehe oben S. 262 Anm. 1.

3 Bd. I § 225.

Staats- u. völkerrechtl. Abhandl. V 1.

Bendix.

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„Il paraît par divers traits de l'histoire, en particulier de l'histoire de Suisse et des pays voisins, que le droit des gens établi par la coutume dans ces pays-là, il y a quelques siècles, ne permettait pas à un état de recevoir au nombre de ces citoyens les sujets d'un autre état. Cet article d'une coutume vicieuse n'avait d'autre fondement que l'esclavage dans lequel les peuples étaient alors réduits. Un prince, un seigneur comptait ses sujets dans le rang de ses biens propres, il en calculait le nombre comme celui de ses troupaux, et à la honte de l'humanité cet étrange abus n'est pas encore détruit par tout."

Vattel fährt dann fort (§ 226):

„Si le souverain entreprend de troubler ceux qui ont le droit d'emigration, il leur injure; et ces gens-là peuvent legitimement implorer la protection de la puissance, qui voudra les recevoir. C'est ainsi que l'on a vu le roi de Prusse Frédéric Guillaume accorder sa protection aux protestans émigrans de Saltzbourg."

Diese Stimmen aus dem Jahrhundert des Individualismus, wenn sie auch heute nicht mehr in jeder Beziehung vorbindlich sind, enthalten doch eine leise Mahnung an die Strömungen, welche im Staatsinteresse eine unbedingte Unterworfenheit der Untertanen, eine unbeschränkte Herrschaft der Staatsgewalt über sie durch möglichste Erschwerung des Verlustes der Staatsangehörigkeit verlangen. Die Erinnerung an die Sklaverei und der Vergleich mit dem. Eigentum an Heerden, vor allem aber auch der Hinweis auf die Auswanderung der Protestanten aus Salzburg und ihre Aufnahme und ihren Schutz durch den Preufsenkönig sollten doch nahe legen, dafs heute die Untertanen nicht wieder, analog den früheren Jahrhunderten, als Güter und Eigentum des Staats angesehen werden können, dafs der moderne Staat nicht jene Erbschaft seiner Vorgänger antreten und über seine Angehörigen nicht so verfügen und sie nicht so behandeln kann, wie nach de Vattel die Fürsten des 18. und früherer Jahrhunderte es zu tun pflegten. Sicherlich! Das Verhältnis des Individuums zum Staate und umgekehrt hat sich seit de Vattel's Zeiten erheblich geändert. Wir haben heute mehr historisches

1 Vgl. Ullmann S. 236: „Die rechtliche Möglichkeit der Staatswahl erscheint als eine vom Staate gewährte Freiheit, nicht als ein einem übergeordneten Normenkomplex einem fingierten Menschenrechte entlehnte Freiheit."

Verständnis für jene härtere Behandlung und geringere Bewertung des Individuums, wie sie zur Zeit des Absolutismus üblich war, wir sehen auch heute wieder in der stärksten Inanspruchnahme des Staatsangehörigen zum Wohle des Ganzen das gute Recht und die politische Aufgabe des Staates. Wir lassen sogar von dem Standpunkt der Gesamtinteressen des Ganzen jenen Vergleich mit den Gütern gelten In der Tat ist das Volk, sind die einzelnen Volksgenossen das kostbarste Gut des Staates, und deshalb kann dem einzelnen nicht das Recht konzediert werden, sich aller Pflichten gegen den Staat, gegen das Stück Erde, mit dem er doch nicht so ganz zufällig verknüpft ist, aus dem er seine Kraft gesogen, dem er seine Erziehung und den Schutz seiner besten Jahre verdankt, los nnd ledig zu erklären. Und wer weifs, ob der König von Preufsen heute nicht Neigung verspüren würde und pflichtmässig Neigung verspüren müsste, wenn Salzburg in Preufsen läge, eine Auswanderung zahlreicher Salzburger zu verhindern, ganz davon zu schweigen, dafs den wirklichen und richtigen Salzburgern heute wahrscheinlich die Ausweisung aus dem überfüllten Preufsen bevorstehen würde, bezw. dafs sie überhaupt nicht aufgenommen werden würden. Wir halten es daher für eine berechtigte Bevölkerungspolitik, den Abzug und Verlust des kostbarsten Staatsgutes" hintan zu halten. Aber dieses Ziel kann durch keine übermässige Erschwerung des Verlustes der Staatsangehörigkeit erreicht werden, nicht dadurch, dafs man auf diesem Wege staatsrechtlich die Individualität und das Glücksbedürfnis der Staatsangehörigen zu brutalisieren sucht. Vielmehr mufs als Grundlage jeder Diskussion gelten, dafs die Staatsangehörigen, auf der einen Seite das wertvollste Gut des Staates, auf der anderen Seite selbständige und nach eignen Zielen strebende Persönlichkeiten sind, dafs sie auf der einen Seite notwendig Objekte der Regierung, doch zugleich auch als Subjekte mit ihren, den einzelnen eigentümlichen Interessen anerkannt werden.

c) Der eigene Standpunkt. Kritik der gegnerischen Ansichten und Vorschläge.

c) So tritt denn schliefslich ein Standpunkt hervor, der ohne Rücksicht auf die Interessen fremder Staaten, wohl aber in Berücksichtigung ihrer übereinstimmenden und ihrer entgegengesetzten Interessen einen Ausgleich zwischen den staatlichen und individuellen Interessen auf der Grundlage der Anerkennung des Willens der Individuen für erforderlich hält. Ein erster Schritt zu diesem Standpunkt liegt bereits in dem mit dem Wortlaut des § 21 und der richtigen Praxis des Reichsgerichts (vgl. jedoch R.G.E.str. Bd. 37 S. 308) unvereinbaren Versuch, die Geschäftsfähigkeit als Voraussetzung für den Beginn der Frist einer zehnjährigen Abwesenheit zu konstruieren und in jeder auch ganz vorübergehenden Rückkehr auf deutsches Gebiet (warum nicht auch konsequenter Weise auf ein deutsches Schiff?) die Unterbrechung des Fristablaufes durch Betätigung eines nicht auf den Verlust, sondern auf den Fortbestand der Reichs- und Staatsangehörigkeit gerichteten Willens zu erblicken. So sehr diese Bestrebungen de lege ferenda zu begrüfsen sind, so liegt doch von diesem Standpunkte aus in ihnen das aussichtslose Bemühen, an Stelle der Realität der Willensfaktoren ihr Vorhandensein gesetzlich zu präsumieren und so eine tatsächliche Grundlage zu fingieren. Aber niemals wird eine Gesetzgebung zum Ziele führen, welche sich nicht auf den Boden gegebener Machtverhältnisse stellt, welche nicht die Realität ganz in sich aufnehmen will. Die mächtigste und wichtigste Realität, welche die Regelung des Staatsbürgerrechts zum Gegenstande hat, ist aber der Wille der Staatsangehörigen. Man darf ihn nicht brutalisieren, man darf ihn nicht fingieren, man soll nur versuchen, mit ihm eine Regelung zu schaffen, welche den staatlichen Interessen entspricht, und man soll immer dann eine Rechtsregel ablehnen, wenn sie ungeeignet ist, jenem Willen Geltung zu verschaffen. Die Frage ist nur in jedem einzelnen Falle, was entspricht den staatlichen

Interessen, und welches ist der wahre, richtige, als solcher anerkennenswerte Wille eines Staatsangehörigen. Oder, wie Iredell sagte: „The only difference of opinion is as to the proper manner of executing this right", nur dafs ich aus praktischen Gründen hier den viel bestrittenen Ausdruck eines subjektiv-öffentlichen Rechts nicht auf Auswanderung, sondern auf Loslösung von der angeborenen Staatsangehörigkeit anwenden möchte. Ob die Anerkennung des Willens in unserm Sinne die Anerkennung besonderer Rechte enthält, ist gleichgültig; gefordert wird diese Anerkennung nur, wenn und weil die Gesetzgebung ohnmächtig ist, den Inhalt des Willens und der Interessen der Ausgewanderten zu bestimmen, und weil die Regelung des Fortbestandes der staatsbürgerlichen Beziehungen nicht mit dem äusseren und inneren Verhalten der Personen, die in Frage kommen, und nicht mit den dem Staate zur Durchführung verfüg baren Machtmitteln in offenbarem Widerspruch stehen kann.

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Von diesem Standpunkte aus sind von vornherein alle die Versuche und Bestrebungen abzulehnen, welche allein vom staatlichen Interesse aus eine Regelung für möglich und für erforderlich halten. (Hasse Lehr- von Arnim, Alldeutscher Verband, Hesse, Deutsche Kolonialgesellschaft). Wollten und könnten sie konsequent sein, so müfsten wieder Abzugsgelder erhoben werden, unsere Grenzen müfsten gegen den Austritt unserer Staatsangehörigen bewacht und hohe Strafen müfsten für jeden Versuch, das Vaterland unerlaubt dauernd zu verlassen, angedroht werden, und zwar schliesslich doch als schwerste Strafe gegen die ungetreuen Volksgenossen der Verlust der Reichs- und Staatsangehörigkeit selbst, das Gut, das die zu Hause Gebliebenen als ihr höchstes bezeichnen würden, für das sie selbst aber in der Schwierigkeit des Daseinskampfes allmählich das Verständnis verloren haben. Man verlange und erwarte doch nicht das Unmögliche. Man suche doch die Tatsache zu verstehen, dafs von den Millionen nach den Vereinigten Staaten ausgewanderten Deutschen nur

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