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b) Das sind Forderungen, die nach allem unbedingt gestellt werden müssen, das minimum dessen, was auf dem Strafrechtsgebiete verlangt werden kann. Die gesetzgeberische Formulierung macht keine besonderen Schwierigkeiten und wird daher hier übergangen. Zu erörtern ist aber eine andere Frage: Das Abwesenheitsverfahren in Fällen der Wehrpflichtverletzung und unerlaubten Auswanderung hat sich als praktisch bewährt und wird von der bevorstehenden Strafprozefsreform übernommen werden1. Es hat den Vorzug einer schnellen Strafjustiz, einer alsbaldigen strafrechtlichen Erledigung (Sühne) nach begangener Tat. Die Verfolgung eines Dauerdelikts, dessen erste Begehung jahrzehnte lang zurückliegt und aus der Erinnerung geschwunden ist, dessen Fortdauer aber von allen Beteiligten so recht innerlich nicht mehr erlebt und nur auf grund logischer Schlufsfolgerungen ein konstruktives Dasein führt, liegt nicht im Interesse der Strafrechtspflege. So ist aber die Rechtslage gegenüber einem abwesenden nach ein oder zwei Jahrzehnten zurückkehrenden Fahnenflüchtigen. Ich sehe keine durchschlagenden Gründe, weshalb das Abwesenheitsverfahren, das für die Wehrpflichtverletzung gilt, nicht analog auf die Fahnenflucht übertragen werden soll. Stier hebt in seiner wertvollen Abhandlung (S. 81) hervor, dafs der wesentlichste Fortschritt der neueren Gesetzgebung in der scharfen Abgrenzung der unerlaubten Entfernung von der Fahnenflucht und darin bestehe, dafs die Absicht, sich dauernd der Dienstpflicht zu entziehen, zum Teilungsprinzip beider Begriffe erhoben sei; er meint, die beiden Begriffe würden in den Gesetzgebungen der romanischen

1 Die Protokolle der Kommission für die Reform des Strafprozesses (Bd. II S. 578 f.) enthalten keine Beschlüsse zum 4. Abschnitt der Str.Pr.O. § 470 f. Die Anträge betreffend die andere prozessuale Behandlung der abwesenden Wehrpflichtigen betreffen das Wiederaufnahmeverfahren (Bd. I S. 274 zu § 411 Str.Pr.O.), das Verfahren bei amtsrichterlichen Strafbefehlen gegen sie (ibid. S. 344) und die Ausdehnung der gesetzlichen Zuständigkeit der Schöffengerichte auf die Vergehen gegen 140 St.G.B. (ibid. S. 420) und sind insgesamt wieder zurückgezogen worden.

Völker noch heute nach der Zeitdauer der Abwesenheit, in denen der germanischen Völker nach der Absicht getrennt, die der Tat zugrunde liegt; und bei dieser verschiedenen Regelung gibt er der Regelung der germanischen Völker den Vorzug. Die letztere Regelung entspreche fast vollkommen den Ansprüchen, die man an ein zweckentsprechendes und gerechtes Gesetz machen müsse. Ganz vollkommen würde der gesetzliche Zustand erst bei uns, wenn die ehrlose Gesinnung, aus der immer die Fahnenflucht entspringe, mehr berücksichtigt würde durch Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes, und damit solle zwangsweise verbunden sein Ausscheidung aus der Truppe und Überweisung an die Arbeiterabteilung und beim ersten Rückfall Entfernung aus dem Heere. Sehe ich vorläufig von letzterem Punkte ab, so will es mir scheinen, als wenn Stier die Verschiedenheit in der Regelung der romanischen und der germanischen Völker überschätzt und zwar zu ungunsten der ersteren. Das Teilungsprinzip der Delikte der unerlaubten Entfernung und der Fahnenflucht ist hier wie dort die Absicht der dauernden Dienstentziehung. Der Unterschied liegt allein in dem Verfahren, in der gesetzlichen Vermutung für diese Absicht nach Ablauf einer bestimmten Zeit auf der einen Seite und in dem Mangel dieser Vermutung und der Erforderlichkeit, die Absicht in der mündlichen Verhandlung unter Anwesenheit des Täters festzustellen, auf der anderen Seite. Und wenn wir ehrlich sein wollen, so müssen wir zugeben, dafs das letztere germanische Verfahren aufser seiner Umständlichkeit, der Erhöhung der Beweisschwierigkeit und der jahrzehntelangen Verzögerung der Sacherledigung im Grunde auf dasselbe hinauskommt wie das romanische Verfahren: Leugnet der Täter, so ist das Gericht genötigt, aus der Dauer der Abwesenheit auf jene Absicht zu schliefsen, und wird die in seiner Überzeugung gegebene Realität an die Stelle der gesetzlichen. Fiktion setzen. Diese gesetzliche Fiktion ist aber nur eine Vorwegnahme jener doch auch nur scheinbaren Realität;

beides sind Hilfsmittel der Rechtspflege zur Beschaffung der tatsächlichen Grundlagen einer Entscheidung. Und so sehr ich selbst den subjektiven Tatbestand der Fahnenflucht in den Vordergrund gerückt habe, ich kann nicht finden, dass den Forderungen einer zweckmässigen und gerechten Strafrechtspflege, die zugleich auch immer eine möglichst schnelle sein mufs, Eintrag geschehen würde, wenn nach Ablauf etwa eines Jahres seit Begehung der unerlaubten Entfernung jene Absicht kraft gesetzlicher Vorschrift als gegeben angesehen werden kann. Freilich gilt dies nicht für die mündliche Verhandlung in Anwesenheit des Täters. Hier verdient die auf die Überzeugung der Richter gegründete Realität vor der gesetzlichen Fiktion unbedingt den Vorzug. Aber nach einjähriger Abwesenheit des Täters seit der Tat spricht ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit dafür, dafs jene Absicht in seinem eigenen Interesse und im Interesse einer praktischen Strafrechtspflege sowie der Rechtssicherheit dann als gegeben unterstellt werden kann, wenn es ein Abwesenheitsverfahren gäbe, das geeignet wäre, die Sache durch eine gerichtlich endgültige Entscheidung zu erledigen, abgesehen von der eigentlichen Strafvollstreckung natürlich.

Demnach empfiehlt es sich analog den Vorschriften betreffend das Verfahren gegen Wehrpflichtige strafrechtliche Bestimmungen einzuführen, nach welchen ein Jahr nach der Tat der, welcher sich unerlaubt entfernt hat, wegen Fahnenflucht rechtskräftig auch in seiner Abwesenheit verurteilt werden kann.

c) Eine solche Gleichstellung des Verfahrens bei Fahnenflucht mit dem Verfahren des 4. Abschnitts 6. Buches der Str.P.O. ermöglicht nunmehr auch eine gleichmässige Behandlung der Strafverfolgungsverjährung bei den hier in Frage stehenden Militärdelikten mit allen anderen Delikten. Die Verjährung der Strafverfolgung der Militärdelikte beginnt mit der ich muss nach der über

erstmaligen Verwirk

lieferten Ansicht sagen lichung des Deliktstatbestandes, wie bei allen anderen Delikten. Bei der Fahnenflucht gilt die für das schwerere Delikt gerechtfertigte Besonderheit, dafs kraft besonderer gesetzlicher Vorschrift der Tatbestand frühestens ein Jahr nach Begehung der unerlaubten Entfernung als vollendet angesehen werden darf.

d) Diese Regelung erscheint strafrechtspolitisch befriedigend, mag man sich auf den Standpunkt einer Strafrechtstheorie stellen, welche man will, und doch wird jeder hier noch etwas vermissen. Auf der einen Seite werden besondere Garantieen gegen einen Fehlspruch im Abwesenheitsverfahren gefordert werden. Der Verurteilte, insbesondere der verurteilte Fahnenflüchtige müsste in der Lage sein, die Strafausschliefsungsgründe des § 51 folgende Str. G.B. in einem für diesen Fall zu erleichternden Wiederaufnahmeverfahren geltend zu machen und vor allem die gesetzliche Vermutung seiner Absicht dauernder Dienstentziehung zu widerlegen oder richtiger als unbegründet klarzustellen. Demgegenüber meine ich, dafs die Vorschriften der § 399 No. 5 Str.P.O. und § 436 No. 5 M.Str.G.O. genügen, weil es für den Verurteilten nicht schwer sein würde, neue Tatsachen oder Beweismittel beizubringen gegenüber den Erklärungen des § 472 Str.P.O. und den geforderten analogen Erklärungen bei der Fahnenflucht, die ja die tatsächliche Grundlage der Entscheidung abgeben.

Immerhin hat auch jetzt schon das Abwesenheitsverfahren gegen Wehrpflichtige einen Mangel, der in der Richtung des erwähnten Bedenkens liegt: Die Form der öffentlichen Zustellung gemäfs §§ 473, 320 und 476, 40 Str.P.O. führt schliefslich zu einem heimlichen Verfahren nach Art der Fehmgerichte, indem es die behördliche Öffentlichkeit der Amtsblätter und der Gerichtstafel anstelle der ParteiÖffentlichkeit setzt und so eine tatsächliche Grundlage für die Entscheidung fingiert. Nähme man aber selbst an, dass die Beteiligten die betreffenden Amtsblätter oder die Ver

öffentlichungen an der Gerichtstafel läsen, so sind die Fristen - ein Monat bei Ladungen und zwei Wochen bei Zustellung des Urteils - gänzlich unzureichend. Denn wenn so auch die letzte Bekanntmachung einen Beteiligten (Verwandten oder Ehegatten) erreicht, die Zeit, den Abwesenden zu benachrichtigen, der sich im Auslande befindet, und dessen Adresse vielleicht nicht bekannt ist, und die Zeit, eine Antwort oder Vollmacht zu erhalten und Anträge bei Gericht zu stellen, ist ganz unangemessen zu kurz; unangemessen kurz deshalb, weil der Ausschlufs von Vermögensberechtigten im Aufgebotsverfahren erst nach Ablauf einer Frist von sechs Monaten rechtlich möglich ist, hier im Strafverfahren dagegen, wo es sich nicht um Vermögensrechte, sondern um die Ehre und das Lebensglück, die ganze Existenz des Staatsbürgers handelt oder doch handeln kann, Fristen von zwei Wochen und ein Monat genügen sollen. Daher scheint es angebracht, mit der Bekanntmachung in den Amtsblättern eine gerichtliche Benachrichtigung des nächsten Familienangehörigen (§ 52 Abs. 2 Str.G.B.) zu verbinden und von der Zustellung an diesen, der polizeilich ja nicht schwer zu ermitteln sein dürfte, eine Frist von sechs Monaten nach Zustellung der Ladung für die Hauptverhandlung und eine Frist von sechs Monaten für die Rechtskraft des an diesen zugestellten Urteils festzusetzen und in der Zustellungsurkunde auf diese Ausschlufsfrist aufmerksam zu machen 2. Innerhalb der letzteren Frist soll es aber diesem Angehörigen oder mehreren von ihnen gemeinschaftlich möglich sein, in einer vermutenden stillschweigenden Bevollmächtigung des wenn man keinen Pfleger für ihn bestellen will, wie im Aufgebotsverfahren - Anträge zur Sache unter Angabe der tatsächlichen Unterlagen zu stellen; und das

zu

Abwesenden

1 Vgl. § 105 Abs. 3 K.O.

2 Die Protokolle (Bd. I S. 232, Bd. II S. 112 u. S. 517) zu § 320 Str.Pr.O. verlangen, dafs die öffentliche Ladung des Angeklagten zur Hauptverhandlung auf Antrag der Staatsanwaltschaft vom Gericht zu bewilligen ist, berühren aber die Frage gar nicht, ob die Fristen ausreichend sind.

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