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worden. Ein Bedürfnis zur formellen Ausdehnung auf ElsafsLothringen war deshalb noch nicht fühlbar geworden. Und so mochte sein Nachfolger bei der damaligen Lage nicht mit Unrecht von dahin gehenden Verhandlungen abstehen und eine günstigere Zeit abwarten, welche eine völlige Neugestaltung der Verträge ermöglichte. Immerhin, wäre Davis den Anregungen Bancrofts gefolgt, hätte er nicht nach dem Grundsatze: Alles oder Nichts gehandelt, vielleicht, ja wahrscheinlich hätte Bancroft eine verbindliche Erklärung der deutschen Regierung herbeiführen können. Zwischen 1873 und Ende der 70er Jahre sind nun die bekannten Abhandlungen von von Martitz und Kapp, sowie von Wesendonck erschienen, welche mehr oder weniger energisch eine Kündigung der 1878 abgelaufenen Verträge forderten. Ihrem Einfluss ist es wohl mit zuzuschreiben, dafs nunmehr die deutsche Regierung eine strengere Handhabung der Verträge statt ihrer Kündigung, zu der sie sich nicht entschliefsen mochte, durchführte und sich schliefslich auch auf den Standpunkt stellte, dafs die Verträge insgesamt auf Elsafs-Lothringen nicht anwendbar seien. Die Gründe, welche die deutsche Regierung bestimmten, treten in ihrer Korrespondenz mit den Vertretern der Vereinigten Staaten hervor:

Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Fürst von Hohenlohe, schrieb an Mr. White am 5. August 18801 ich übertrage aus der englischen Übersetzung in die deutsche Sprache zurück:

Die Frage, ob der Vertrag vom 22. Februar 1868 oder die von den Südstaaten abgeschlossenen Verträge des Jahres 1868 und die Ausführungsbestimmungen in den Erlässen von 1868 auf Elsafs-Lothringen Anwendung finden, ist von allen Behörden des Reiches und des Reichslandes genau geprüft worden.

Diese Erwägung hat zu dem Ergebnis geführt, dass, da ElsafsLothringen niemals ein Teil des Norddeutschen Bundes war oder zu einem der süddeutschen Staaten Bayern, Württemberg, Baden, Südhessen gehörte, keiner der im Jahre 1868 abgeschlossenen Verträge auf Elsafs-Lothringen Anwendung findet.

1 For. Rel. 1880 S. 441.

Die Gesetze, welche betreffend die Staatsangehörigkeit in ElsassLothringen gelten, herrschen daher dort ohne irgend eine der vertraglichen Beschränkung zu gunsten von Personen, welche von da nach den Vereinigten Staaten auswandern. Diese Personen verlieren daher ohne förmliche Entlassung aus der elsafs-lothringischen Untertänigkeit die letztere nicht eher, als bis sie im Auslande ununterbrochen zehn Jahre sich aufgehalten haben und sind während dieser Zeit verpflichtet, die Pflichten zu erfüllen, welche ihnen infolge ihrer Untertänigkeit gegenüber ElsassLothringen obliegen.

Im Jahre 1896 wird noch einmal in der oben erwähnten Instruktion Mr. Olneys an den amerikanischen Gesandten in Berlin, Mr. Jackson, der Standpunkt der deutschen Regierung kurz dahin skizziert, dafs Elsafs-Lothringen zu keiner Zeit einen Teil des Norddeutschen Bundes bildete, noch je zu einem der süddeutschen Staaten gehörte. Seine Stellung wäre vielmehr die eines domanial property, an welchem alle konföderierten Staaten ein unteilbares Interesse besäfsen. Auf diesem Grunde beruhe letzten Endes die Ansicht der deutschen Regierung von der Unanwendbarkeit. Alsdann gibt die Instruktion eine kurze Darstellung der Geschichte der Frage und erkennt im Gegensatz zu der Instruktion des Staatssekretärs Bayard an den amerikanischen Gesandten Pendleton in Berlin vom 28. Juni 1887 (For. Rel. 1887 S. 895) unter Hinweis auf Fish an, dafs die Stellungnahme der Vereinigten Staaten zu der Frage selbst gewechselt habe, um zum Schlufs die Haltung der deutschen Regierung mit folgenden Bemerkungen charakterisieren und zu rechtfertigen:

zu

The German Constitution is essential local based upon the peculiar relation of the annexed territory to the Empire and rests upon the paramount independence of the Laws of Alsace and Lorraine alone in the absence of any convention binding those particular districts. The Government can not be expected to assent to any possible proposition that the local legislation of Alsace-Lorraine is paramount and executable in all the other constituent States of the Empire to the supersession of our treaties with those States.

Die gegenwärtige Lage von Elsafs-Lothringen, heifst es schliesslich weiter, scheint den bemerkenswerten Status eines unabhängigen Staates zu haben, der zu einem Reiche gehöre, dessen innere Angelegenheiten durch ein Parlament kontrolliert werde, in dem er nicht vertreten sei, und der wegen seiner Haltung als eines unabhängigen Staates gegenüber andern nicht verantwortlich gemacht werden könne.

Im vorliegenden Falle sind die von der amerikanischen Regierung gegen den Standpunkt der deutschen angeführten rechtlichen Gründe von Erheblickeit.

Mr. White antwortete dem oben angeführten Schreiben des Fürsten Hohenlohe in ausführlicher rechtlicher Auseinandersetzung am 28. August 18801:

1. durch ein völkerrechtliches Argument.

Welche wichtigen Gründe es auch immer gewesen sein mögen, welche zu der wiedergegebenen Erklärung geführt haben, der Unterzeichnete glaube, dafs Ihre Hoheit will agree that in view of the developpment of the North German Confederation into the German Empire and the incorporation of Alsace-Lorraine with the latter, a very strong argument may be made in support of the proposition, that the treaty of 1868 between the United States and the North German Confederation became binding upon the Empire which was developed out of said confederation, and especially upon the new acquisition of territory made by the same controlling power, which originally signed the treaty.

2. durch ein historisches Argument.

This view was distinctly announced at the establishment of the empire by the American envoy, Mr. Bancroft, as that which both parties agreed to and in his entire correspondence with his own government he steadily and constantly declared it to be undisputed by the Imperial German Government. Dies beweise schon, heifst es zur Weiterbegründung, die fast zehnjährige Übung und die Behandlung bestimmt aufgezählter Fälle 2.

3. durch praktische Argumente.

Hinweis auf den Grundsatz: quieta non movere, die Beunruhigung der amerikanischen Bevölkerung und die Ungerechtigkeit gegenüber den einzelnen Elsafs-Lothringern, die sich auf die bisher herrschende Praxis verlassen hatten und verlassen konnten.

1 For. Rel. 1880.

2 In dem Schreiben von White an den Grafen Limburg-Stirum (For. Rel. 1880 S. 460) wird gar erklärt, dafs am 20. März 1873 Herr von Bülow, damals Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, ausdrücklich die Anwendbarkeit des Vertrages von 1868 auf Elsafs-Lothringen dadurch bestätigt habe, dafs er den Erlafs des Kreisdirektors von Strafsburg billigte, der seine Entscheidung der Rückzahlung einer Geldstrafe auf die Anwendbarkeit des Vertrages stützte, und dafs der letztgenannte in genauer Übereinstimmung mit der Ansicht des Herrn von Bülow in einer Mitteilung vom 2. März 1877 geschrieben habe: Auf Ihr Schreiben vom 27. v. Mts. erwidere ich ganz ergebenst, dafs der Vertrag vom 22. Febr. 1868 auf nach Amerika auswandernde und von dort zurückkehrende Personen Anwendung findet, welche in Elsafs-Lothringen geboren sind. Natürlich ist die Ansicht des Kreisdirektors und deren Mitteilung unverbindlich.

Diese eingehenden Ausführungen hatten keinen anderen Erfolg, als dafs die deutsche Regierung im einzelnen Falle nachgab, im Prinzip aber auf ihrem Standpunkte beharrte und nur insofern Zugeständnisse machte, als sie sich bereit erklärte, in Verhandlungen über einen Zusatzvertrag betreffend Elsafs-Lothringen einzutreten.

1

Freilich sollten die Vorschläge für die Verhandlungen von den Vereinigten Staaten ausgehen, was Graf LimburgStirum, damals Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, damit begründete, dafs die geltenden Verträge für sie vorteilhafter wären, als für das deutsche Reich. Zu diesem ersten Schritt konnte sich die Regierung der Vereinigten Staaten nicht entschliefsen, weil sie damit stillschweigend den Standpunkt der deutschen Regierung anerkannt hätte, mochten auch genug praktische Gründe dahin drängen. Inzwischen trat wieder ein Personenwechsel in der amerikanischen Gesandtschaft zu Berlin und der Leitung der auswärtigen Angelegenheiten zu Washington ein. Im Jahre 1886 wird gar in der Botschaft des Präsidenten an den Kongrefs vom 6. Dezember der Differenzen betreffend die deutschen Bancroftverträge Erwähnung getan. Und so ergeht denn am 28. Juni 1887 eine energische Instruktion & von Herrn Bayard, dem amerikanischen Minister für die auswärtigen Angelegenheiten, an den Gesandten Pendleton zu Berlin, der der Meinung Ausdruck gegeben hatte, dafs die Haltung der deutschen Regierung durch die oben erwähnte Instruktion des Mr. Fish vom Jahre 1873 Anerkennung gefunden hätte. Dies wird entschieden mit zum Teil recht zweifelhaften und geradezu unrichtigen Gründen.

1 Vgl. Notes upon the Foreign Treaties in Sen. Exec. Doc. 1889 Vol. I Part. 2 S. 1217 f.

For. Rel. 1886 S. IV der Botschaft: Cases have continued to occur in Germany giving rise to much correspondence in relation to the privilege of sojourn of our naturalized citizens of German origin visiting the land of their birth, yet I am happy to state that our relations with that country have lost none of their accustomed cordiality.

3 For. Rel. 1887 S. 394.

bekämpft, und Pendleton wird deswegen schliefslich dahin zurecht gewiesen:

It is hardly necessary for me to remind you how serious would be the consequences if such a position should be conceded.

Dann aber hebt diese Instruktion rechtlich Folgendes hervor:

The United States have never denied the applicability of all treaties executed by them to territories acquired by them subsequent to the date of such treaties. On the hypothesis that territories annexed by a sovereign were not bound by the treaties previously entered into by him California annexed by the United States by the treaty with Mexico of 1848 would not be subject to the provisions of the treaty with Prussia 1828. It is difficult to suppose that Germany would insist on a construction which would divest her so far as concerns the California coast of the valuable commercial rights conferred on her by that treaty, and would deprive her consuls at California ports of the important prerogatives wich that treaty gives; the very one-sidedness of such a construction discloses its incompability with the principles of justice as well as of international law. All the citizens of the United States wish their commerce would be entitled to the protection of the treaty everywhere in Germany except Alsace-Lorraine; but German subjects and German commerce would be equally deprived of the protection of the treaty on our Pacific coast.

Hiermit halte man die Äufserung des Mr. Jackson in seiner Antwort an Mr. Olney, vom 11. März 1896 (For. Rel. 1896) zusammen, dafs der Vertrag von 1828 mit Preufsen von der deutschen Regierung immer als für das ganze Reich anwendbar angesehen worden sei, obgleich er nur mit einigen Staaten abgeschlossen wurde, und man wird nicht umhin können, zuzugestehen, dafs die Ansicht der deutschen Regierung rechtlich auf schwachen Füfsen steht.

II. Juristische Nachprüfung.

Bei der Prüfung der Rechtslage auf Grundlage der hier wiedergegebenen diplomatischen Korrespondenz ist scharf zwischen der völkerrechtlichen und der staatsrechtlichen Seite der Frage zu unterscheiden.

a) Das Auswärtige Amt unterstellt die Gültigkeit aller fünf deutschen Bancroftverträge und die völlige Gleichheit ihrer Rechtslage. Die völkerrechtliche Frage, ob Staatsverträge mit der Ausdehnung eines Staates auf neue Gebietsteile, mag der Staat in einer Konföderation sein oder

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