Imagini ale paginilor
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lustig gingen. Aber selbst wenn auch dieser Einwand nicht zu gewärtigen wäre, die Vereinigten Staaten sind aus politischen Gründen überhaupt nicht in der Lage, sich strikte auf den Rechtsstandpunkt zu stellen, und haben es im vorliegenden Falle in der Tat auch nicht getan. Sie begnügten sich und mussten sich damit begnügen, gegen die restriktive Auslegung des Vertrages durch die deutsche Regierung wenn man überhaupt den praktisch-politischen Argumentationen des Herrn von Alvensleben gegenüber von einer solchen Auslegung reden kann einige rechtliche Gesichtspunkte anzuführen, ohne sie als solche wirklich mit dem Verlangen ihrer Berücksichtigung geltend zu machen. Der Staatssekretär der Vereinigten Staaten, Herr Bayard wich eben zurück und mufste zurück weichen, weil bei der Sachlage die andernfalls in Aussicht gestellte Kündigung und die dadurch bewirkte Vertragslosigkeit für die Vereinigten Staaten schlimmere Folgen mit sich führt, als eine noch so restriktive Auslegung des Vertrages 1.

Dieses merkwürdige Widerspiel politischen Nachgebens trotz zu Recht bestehender Forderungen auf amerikanischer Seite und vorwiegend politischer Argumente auf deutscher Seite begegnet auch bei der Frage nach der Anwendbarkeit des Vertrages von 1868 auf Elsafs-Lothringen.

1 Die deutsche Ausweisungspolitik ist durch Ministerialerlasse zur allgemeinen Durchführung gelangt. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Marschall von Biberstein hat ihr auch in einer Note vom 1. April 1897 (For. Rel. 1897 S. 210) an den amerikanischen Gesandten Uhl Ausdruck gegeben, indem er schreibt, er erlaube sich hinzuzufügen, dafs diese Erlasse (von 1868) die Rechte der Lokalbehörden nicht berühren, aus staatspolitischen Gründen frühere Deutsche, welche nach Amerika auswanderten zur Zeit oder kurz vor der Zeit der Erreichung ihres militärpflichtigen Alters, und welche dann nach der Naturalisation in ihr Heimatland zurückkehrten, auszuweisen, wenn immer sie sich lästig machen oder ihre Gegenwart aus anderen Gründen unerwünscht erscheint.

§ 3. Die Gültigkeit des Vertrages vom 22. Februar 1868 für Elsafs-Lothringen, Helgoland und die Schutzgebiete.

I. Die praktische Bedeutung der Frage und die diplomatische Korrespondenz betreffend Elsafs-Lothringen.

Ein Blick auf die Tabelle des Herrn Squiers zeigt, dafs zum ersten Mal bei Nr. 125, also Ende des Jahres 1878, Anfang 1879, ein Fall auftritt, in welchem die deutsche Regierung die amerikanische Intervention zurückwies, unter anderem auch mit dem Hinweis, dafs der Vertrag vom 22. Februar 1868 auf Elsafs-Lothringen sich nicht erstrecke. Im ganzen werden 7 Fälle verzeichnet, in welchen eine Anwendung des Vertrages mit dieser Begründung abgelehnt worden ist. Alle 7 Fälle folgen aber, was die Zeit anlangt, dem bezeichneten. Vor Nr. 125, also vor Ende des Jahres 1878 ist der Vertrag ohne Unterschied und ganz vorbehaltlos auch auf Elsafs-Lothringen angewandt worden. Seit Ende des Jahres 1878 ist der amerikanischen Intervention in elsafs-lothringischen Fällen immer mit dem ausdrücklichen Vorbehalt stattgegeben worden, dafs dies nicht in Anwendung und Erfüllung des Vertrages geschehe. Von im Ganzen 37 elsafs-lothringischen Fällen hat die deutsche Regierung 15 Fälle (einschliesslich der genannten 7) abschlägig beschieden, weil das staatsbürgerliche Verhältnis der Elsafs Lothringer zum deutschen Reiche seit dem 28. Januar 1873 allein durch das Gesetz vom 1. Juni 18701 bestimmt und durch die Naturalisation in Gemäfsheit des Vertrages vom 22. Februar 1868 in keiner Weise berührt werde 2.

1 Siehe Leoni, Verfassungsrecht, S. 17 ff.

2 Interessante statistische Angaben über die Auswanderung Deutscher nach den Vereinigten Staaten überhaupt finden sich bei Richmond Mayo-Smith. Danach sind in dem Jahrzehnt 1881-1890 ausgewandert nach dort 1452970 Deutsche, davon 836 290 Männer (56,6%) und 904002 (62,20) Männer und Frauen über 40 Jahre, 386 934 (26,6%) Personen unter 15 Jahren und 162 034 (11,2%) Personen über 42 Jahre. Vgl. auch Stier S. 6 u. 31 f., von Philippovich a. a. O., und Hasse S. 51 und 131 f. Und für die Zeit von 1900 siehe jetzt Statistik des

Die diplomatische Korrespondenz über diese Frage ist nie zur Ruhe gekommen. Mit einer gewissen Heftigkeit und anerkennenswerten Gründlichkeit wurde sie von amerikanischer Seite, insbesondere in den Jahren 1880 und 1896 geführt. Solange die Frage unpraktisch war, d. h. solange die deutsche Regierung anstandslos den Vertrag von 1868 auf Elsafs-Lothringen anwandte, stellte sich die amerikanische Regierung auf den Standpunkt, dafs keiner der Bancroftverträge auf Elsafs-Lothringen Anwendung finde, und benutzte diese Ansicht als Argument für die Revision der Verträge und den Neuabschlufs eines einheitlichen Vertrages für das ganze Reich. Als aber die deutsche Regierung die Unanwendbarkeit der Verträge proklamierte, wurden gewichtige rechtliche Bedenken gegen eine solche Ansicht angeführt. Der zuerst von den Vereinigten Staaten eingenommene Standpunkt gewährt auch einen interessanten Einblick in die Stimmung, welche in der ersten Epoche nach Abschlufs des Vertrags diesem gegenüber am Berliner Hofe herrschte.

Der amerikanische Staatssekretär Fish schreibt schon am 14. April 18731, also nach fünfjährigem Bestehen der Verträge an Bancroft, der zu dieser Zeit noch Gesandter in Berlin war, eine ausführliche Instruktion über die Mängel

deutschen Reiches Bd. 150 S. 134, 180 und S. 214 des Tabellenwerks Tabelle X und Die Deutschen im Auslande usw. S. 3, 7, 9, 25, 47 der textlichen Darstellung. Einige hier bedeutsame Daten seien wiedergegeben: Von 3029514 deutschen reichsgebürtigen Auswanderern und 450 392 deutschen Staatsangehörigen, die nicht im Reiche geboren sind, befinden sich die meisten, nämlich 2 669 164 Personen, und zwar 1 432 445 männliche in den Vereinigten Staaten von Amerika; dagegen befinden sich 24 842, davon 10704 männliche, in den Vereinigten Staaten von Nordamerika Geborene im Deutschen Reich. Das sind auf 100 Deutsche 0,9 Amerikaner oder ein Wanderungsverlust von 2644 322 Millionen Personen an die Vereinigten Staaten. Nur 8% der in den Vereinigten Staaten wohnenden Deutschen haben ihre Absicht, Amerikaner zu werden, weder verwirklicht noch erklärt. Die Reichsangehörigkeit ist bei 700 710 Personen im Auslande nachgewiesen. Wieviele Amerikaner in Deutschland naturalisiert sind, wird leider nicht angegeben. Auf 39 Kriegsschiffen befanden sich 10 144 deutsche Staatsangehöriger, auf 1228 Handelsschiffen 40 269 Deutsche, insgesamt 50 413 Personen.

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For. Relations 1873 S. 279; auch bei Wharton, Digest, S. 374.

der von letzterem zum Abschlufs gebrachten Verträge zur Begründung ihrer Revision und Vereinheitlichung für das ganze deutsche Reich. Als ersten Fehler der bestehenden Verträge bezeichnet er, dafs sie nicht das gleiche Gebiet umfassen, wie das deutsche Reich, dafs keine ihrer Vorschriften sich auf Elsafs-Lothringen erstrecke, woher ein grofser Einwandererstrom nach den Vereinigten Staaten fliefse, der des Schutzes bedürfe.

Bancroft hat sich, so scheint es fast, in seinem Autorstolz getroffen gefühlt. In seiner Antwort1 weist er die Kritik mit der kurzen Bemerkung zurück, dafs er unfähig sei, in den Naturalisationsverträgen alle die Fehler zu finden, auf welche hingewiesen worden sei. Im Gegenteil denke er, dafs die bedeutendsten von ihnen nicht existieren, und dafs andere ohne praktische Bedeutung seien. Er geht aber auf die einzelnen, sehr scharfsinnigen und meist zutreffenden kritischen Beanstandungen von Fish gar nicht ein, sondern gibt persönlich interessante Einzelheiten aus der Entstehungsgeschichte und allgemeine Bemerkungen über die Tragweite der Verträge. Den Vorteil wahrnehmend, so antwortet er, dafs der Neuankömmling herzlich willkommen geheifsen wurde, dafs eine Neigung, die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten näher zu kultivieren, erwachte, widmete ich mich unmittelbar diesem Gegenstande (der Naturalisationsverträge), der von so vitaler Bedeutung für das Wohl von Millionen Deutschen war, welche unser Land als ihre Heimat angenommen hatten. Weiter heifst es:

I saw there was no chance of success except by an entirely new form as one relating to the natural and inherent right of man to choose for himself the land of his dwelling-place.

The idea of the natural right of emigration was from the first received by Bismarck with favor...2

1 For. Rel. 1873 S. 283.

2 Die ausgelassene Stelle besagt, dafs jene Idee auch allen Parteirichtungen der liberalen Politiker in Deutschland annehmbar gewesen sei, und verbreitet sich dann über die Persönlichkeit Bismarcks: The prince of Bismarck by nature as well as by observation study and reflection, ready to receive liberal ideas and to reduce them to practise, when the time for it appears to have come. His conservatism consists in the wish that these reforms should be carried out under the lead of the conservative party, and his preference has always been to introduce trough the conservative party the reforms which he undertakes, if he would but give him their countenance. Diese Stelle gebe ich hier wieder, weil sie vielleicht die Anregung geben könnte, die ausländischen Parlamentspapiere genau zu studieren, um Bismarcks Persönlichkeit einmal im Lichte des Auslandes oder der ausländischen Politiker, die Berührung mit ihm hatten, darzustellen. Vgl. dazu Bismarck Bd. II S. 142 f. Übrigens verkennt Bancroft, dafs Bismarck bestimmte, die Festigung des Bundes bezweckenden Motive und nicht abstrakte Vorliebe für schöne Ideen und Staats- u. völkerrechtl. Abhandl. V 1. — Bendix.

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Mit Rücksicht auf seine Verträge aber meint Bancroft:

This principle of the natural right to emigrate is incorporated into every one of the treaties with the four South German powers with logical strictness and clearness, and without the shadow of a compromise.

Und schliefslich:

So I was able to send home treaties from the four powers coinciding exactly in principle and in the consequences to be deducted from the principle with the treaty with North Germany.

Ganz besonders interessant und die Lage hell erleuchtend ist aber die Stelle aus einem ungedruckten Brief Bancrofts, welche in der Instruktion des Mr. Olney an Mr. Jackson vom 3. März 1896 (For. Rel. 1896 S. 188) mitgeteilt wird:

Alsace and Lorraine having been annexed to the German Empire by treaty with France. I hold that the naturalization treaty ratified with the North German Government holds good with regards to both of them yet as the North German Union was already merged in the German Empire, before the cession of the two provinces was completed, it may be better to obtain from the German Government in some written form that shall bind the Government an acknowledgement that the benefits conferred on our adopted German citizens by the naturalization treaty shall equally extend to emigrants from Alsace and Lorraine. If you will permit me to do this I have no doubt I shall be able to obtain from this government such a declaration as shall be perfectly satisfactory to all parties interested in the matter.

Dieses Schreiben bezieht sich auch noch auf die oben z. T. wiedergegebene, von Fish an Bancroft gerichtete Instruktion. Was tut nun Davis, der Nachfolger von Fish? Er lehnt die erbetene Ermächtigung zu Verhandlungen über die Ausdehnung des Norddeutschen Vertrages auf ElsafsLothringen ab, weil er einen einheitlichen Vertrag für ganz Deutschland haben und keine halben Mafsregeln treffen will1.

Die Bedenken von Fish waren mehr theoretischer Natur. Praktisch waren die Verträge bisher im Sinne der Vereinigten Staaten auch auf Elsafs - Lothringen angewandt

Prinzipien geleitet haben werden. Dafs dies die politische Stimmung gewesen ist, wird durch Landgraff in den Preufsischen Jahrbüchern (Bd. 33, 1869, S. 229 insbes.) belegt und von Bismarck Bd. II S. 56. Siehe auch Wedekind S. 53, 58.

1 Vgl. Wharton, A Digest, S. 377; Davis an Bancroft vom 4. Juni 1873.

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