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bleibt es auch, weil er nicht 10 Jahre abwesend gewesen ist; er darf daher als Norddeutscher nicht ausgewiesen werden und ist aktiv und passiv wahlberechtigt.

Die deutschen Bancroftverträge liegen insgesamt aufserhalb des Gesetzes vom 1. Juni 1870, mit dem Unterschied freilich, dafs der vom 22. Februar 1868 das Gesetz durch seine bezüglichen Rechtssätze ergänzt, während die übrigen dem Gesetze zuwiderlaufende Bestimmungen enthalten und deshalb gemäss § 26 daselbst aufgehoben sind. Der Vertrag vom 22. Februar 1868 ist eben gerade ein Vertrag des deutschen Reiches, er enthält Reichsrecht, dessen Hauptbestimmungen dahin gehen, dafs die Pflichten des nach den Vereinigten Staaten ausgewanderten Reichsangehörigen unter bestimmten Voraussetzungen wieder wirksam werden sollen. Die süddeutschen Verträge dagegen enthalten Landesrecht, dessen Hauptbestimmungen entsprechend dahin gehen, dass die Pflichten des Angehörigen des betreffenden süddeutschen Staates, der nach den Vereinigten Staaten ausgewandert ist, bei seiner Rückkehr von seinem Heimatsstaate nicht geltend gemacht werden, und dafs seine Pflichten und Rechte unter bestimmten Voraussetzungen wieder wirksam werden sollen. (Art. IV.) Diese Vorschriften laufen dem Gesetze vom 1. Juni 1870 insofern zuwider, als die Nicht-Geltendmachung der Staatsangehörigkeit zugleich ein Verzicht auf die Geltendmachung der Reichsangehörigkeit enthält, und als die Vorschriften für das Wieder-Wirksam werden der Staatsangehörigkeit zugleich auch eine Regelung der Reichsangehörigkeit voraussetzen und geben. Das sind landesgesetzliche Bestimmungen, die in dem bezeichneten Reichsgesetze nicht vorgesehen und daher ungültig sind. Schliefslich kommt von dem hier vertretenen Standpunkt aus hinzu, dass in dem Vertrag vom 22. Februar 1868 Reichsrecht gegeben ist und die landesrechtlichen Vorschriften der süddeutschen Staaten damit in Widerspruch stehen. Die Richtigkeit dieses Standpunkts ergibt sich aber vor allem daraus, dass die Pflichtverletzungen, auf deren Verfolgung die

süddeutschen Staaten verzichten, Pflichten betreffen, welche gegen das Reich bestehen, und dafs die Einzelstaaten nicht befugt sind, vertragsgesetzlich zu bestimmen, dafs die Verletzung von Reichsgesetzen nicht verfolgt und bestraft werden soll.

b) Letzten Endes ist Hauptgegenstand der Verträge die Regelung der Straflosigkeit von Delikten gegen die militärischen Pflichten. Seit der Gründung des Deutschen Reiches gibt es aber nur noch ein Reichsheer, nur noch eine deutsche Wehr-, eine deutsche Dienstpflicht, keine norddeutsche, badische, hessische, württembergische, bayerische. Wehr- und Dienstpflicht bestehen gegenüber dem Deutschen Reiche, nicht gegenüber dem einzelnen Bundesstaate 1. Dals der letztere Verletzungen gegen jene durch Reichsverfassung und Reichsgesetze auferlegten Pflichten durch landesrechtliche vertragsgesetzliche Vorschriften mögen die betreffenden Staatsverträge vor oder nach Gründung des Reichs in Kraft treten regeln könnte, widerspricht Artikel II und IV Ziffer 13 der Reichsverfassung. Vielmehr heben die allgemeinen reichsrechtlichen Vorschriften über die Verletzung jener Pflichten die früheren landesrechtlichen Vertragsgesetze auf und können über den gleichen Gegenstand nur wieder durch Reichsgesetze bezw. Staatsverträge des Reichs abgeändert werden, lassen aber die norddeutschen vertragsgesetzlichen Vorschriften als Reichsrecht in Geltung 2.

1 Weder der Vertrag, betr. den Beitritt Bayerns zur Verfassung des Deutschen Bundes III § 5, noch das Schlufsprotokoll hierzu (II, VI), beide vom 23. November 1870, noch die Militärkonvention zwischen dem Norddeutschen Bunde und Württemberg vom 21./25. November 1870 stehen entgegen, da in ihnen die für die deutsche Wehr- und Dienstpflicht grundlegenden Artikel 57, 59 R.V. anerkannt werden, und die militärischen Sonderrechte Württembergs und Bayerns nunmehr auch vor allem durch Einführung des ReichsM.Str.G.B., des ReichsM.Gesetzes, den es ergänzenden Gesetzen und der R.M.Str.G.O. über die Vorschriften des Artikel 61 R.V. hinaus einschneidende Beschränkungen zu gunsten der Reichsgewalt erfahren haben.

2 Vgl. statt vieler: Stengel, Das Staatsrecht des Königreichs Preufsen, S. 570 Anm. 1; Pröbst S. 252.

Man denke auch einmal rein praktisch: Ein Süddeutscher kommt vor ein norddeutsches Gericht wegen Verletzung der Wehrpflicht oder wegen Fahnenflucht. Wie sollte dieses das süddeutsche Landesgesetz, welches in Artikel II des betreffenden süddeutschen Bancroftvertrages enthalten ist und nur für den Bayer, Württemberger, Hessen oder Badener gilt, wenn er in seine Heimat zurückkehrt, bei Verstofs gegen die reichsgesetzliche Vorschrift des § 140 Str. G. B. und § 64 flg. M. Str. G. B. auf einen Süddeutschen 1 zur Anwendung bringen können? Und umgekehrt würde dasselbe gelten, wenn ein Norddeutscher in Süddeutschland zur Aburteilung käme. Sach- und Rechtslage ist, wie dargelegt, keine andere, wenn der Süddeutsche in seine Heimat zurückkehrt.

Daher ist der Vertrag vom 22. Februar 1868 als deutsches Reichsvertragsgesetz bestehen geblieben. Sein Rechtsbestand, mag er auch strafrechtlich betrachtet selbst zweifelhaft sein, wie oben dargelegt, schliefst jedenfalls staatsrechtlich die Gültigkeit der süddeutschen Verträge aus; und zwar vor allem deshalb, weil heute in der strafrechtlichen Bestimmung des Artikels II der süddeutschen Verträge ihr eigentlicher Gegenstand gelegen ist, und sie mit der Ungültigkeit des Artikel II, mögen selbst im übrigen die andern beigebrachten Gründe nicht ausreichen, insgesamt hinfällig werden.

§ 2. Die völkerrechtliche Bedeutung der staatsrechtlichen Ungültigkeit der süddeutschen Verträge auf Grundlage des Staatsrechts der Vereinigten Staaten und des Deutschen Reichs.

Hat nun die staatsrechtliche Ungültigkeit der süddeutschen Verträge ihr völkerrechtliches Erlöschen zur

1 Die vom Standpunkte der Deutsch-Amerikaner geschriebenen Pamphlete von Wedekind und Munde richteten sich freilich vor allem gegen Art. IV, weil dieser das Prinzip des Art. I erheblich zu ungunsten der zurückkehrenden Deutsch-Amerikaner einschränkt. Dagegen Tingle S. 10, 92.

2 Vgl. Seyferth in B.G. 1900 (Bd. 10) S. 194 f.

Folge? Oder können sie völkerrechtlich trotzdem fortbestehen? Und umgekehrt, müfsten sie nicht staatsrechtlich gültig sein, wenn sie völkerrechtlich noch bestehen? Ist überhaupt eine staatsrechtliche Unwirksamkeit ohne völkerrechtliche Aufhebung möglich? Und könnten jene Verträge nicht völkerrechtlich erloschen und doch staatsrechtlich gültig sein?

I. Die Literatur.

Bevor diese Fragen beantwortet werden können, mufs ein kurzer Blick auf die umfangreiche Literatur über die Staatsverträge geworfen werden.

1

Die völkerrechtliche Literatur über die Endigungsgründe der Staatsverträge, ihre Interpretation und die Einwirkung von Gebiets- und Verfassungsveränderungen auf ihre Gültigkeit läfst uns ganz im Stich, da sie Argumente für und wider die hier vertretenen Ansichten darbietet.

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a) Was zunächst die Interpretation von Staatsverträgen anlangt, so wird gelehrt, dafs sie, wenn eben möglich, den Rechtsbestand und im Zweifel die günstigste Bedeutung der Verträge zum Ziele haben sollte. Im Falle von Widersprüchen soll extensiv, nicht restriktiv interpretiert werden. Auf der anderen Seite wird wieder die Ansicht vertreten *, dafs die kontrahierende Partei, welche sich nicht klar und vollständig ausgedrückt hat, die Konsequenz ihrer Nachlässigkeit tragen muss und später keine Einschränkung oder Erweiterung ihrer Meinung einführen darf. Dann soll wieder

1 Angabe insbesondere der deutschen Spezialliteratur bei Laband Bd. II S. 114. Aufser den dort zusammengestellten Werken ergibt unser Literaturverzeichnis die erforderlichen Nachweise.

2 Hier wird unter Interpretation nach der deutschen Rechtswissenschaft jede Art der Auslegung, logische wie grammatische, verstanden. Die amerikanisch-englische Rechtslehre dagegen gebraucht den Ausdruck im engeren Sinne für die grammatische Interpretation und versteht unter Konstruktion die logische Interpretation. Vgl. Wharton, A digest, Bd. II S. 36.

3 Wharton a. a. O. Bd. II S. 30 u. 34; Davis S. 245; Taylor S. 314 und andere. Vgl. auch Notes upon the Treaties S. 19 u. 20. 4 Phillimore Bd. II S. 89 ff., insbesondere S. 104.

der Wille für die Interpretation des Wortes mafsgebend sein, wenn er auch keinen genügenden Ausdruck gefunden hat. Schliefslich ist bestritten, wer überhaupt zur Interpretation berechtigt sei, ob die Regierung oder die Verwaltung oder die Gerichte oder, je nach der Materie, alle drei 1. Alle diese Interpretationsregeln sind unter der Voraussetzung aufgestellt, dafs der zu interpretierende Staatsvertrag schliefslich als zu Recht bestehend angesehen werden muss. Ob ein solcher zu Recht besteht, kann wohl unter Berücksichtigung jener Regeln, aber nicht aus ihnen entschieden werden. Mag man auch noch so sehr fordern und bestrebt sein, den Rechtsbestand eines Staatsvertrages nachzuweisen, es gibt eben Endigungsgründe, welche dieses Bestreben aussichtslos erscheinen lassen. Treffen solche Endigungsgründe für die hier in Frage stehenden Bancroftverträge der deutsche Südstaaten zu?

b) Die erste grundlegende Frage ist vorliegend, ob überhaupt völkerrechtliche Verträge und die darauf beruhenden Verbindlichkeiten durch die Gesetzgebung des einen Kontrahenten aufgehoben werden können, oder in welcher Weise ein Widerspruch zwischen älteren Staatsverträgen und jüngeren Gesetzen des einen Kontrahenten zu lösen ist. Diese Frage ist nicht blofs, wie es den Anschein haben kann, eine völkerrechtliche, sondern auch eine staatsrechtliche, insbesondere dann, wenn die Staatsverträge zu gesetzlichen Normen des betreffenden Staats geführt oder selbst als solche zu gelten haben.

Von vornherein sei hier gleich angemerkt, dafs die Staatsverträge als solche der völkerrechtlichen Rechtsordnung

1 Pradier-Fodéré Bd. II S. 875-877 und folgende, der freilich nicht berücksichtigt, dafs letzten Endes wohl jede Gewalt, sowohl die gerichtlichen als die Verwaltungs- wie auch die Regierungsbehörden innerhalb ihrer Kompetenz die Interpretation aller Zweifelsfragen vornehmen müssen und dürfen und häufig genug auch gar nicht in der Lage sind, die Interpretation von der angeblich zuständigen Stelle vornehmen zu lassen. S. 878 ff. die allgemeinen Interpretationsregeln, vgl. auch HalleckBaker Bd. I S. 244 ff., wo sich eine Zusammenstellung von Ansichten verschiedener Schriftsteller findet.

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