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Amerikaners vor der erworbenen amerikanischen Staatsangehörigkeit zurückweichen. Ist diese norddeutsche, bayerische, badische, württembergische, hessische Staatsangehörigkeit, wie sie in den betreffenden Landesgesetzen des Norddeutschen Bundes, Bayerns, Badens, Württembergs und Hessens Regelung gefunden hat, notwendiges Erfordernis für die Anwendung jeder einzelnen Bestimmung des Vertrages, insbesondere des uns beschäftigenden Artikel II, so wird es zum Problem, wie nach Überordnung einer gemeinsamen deutschen Reichsangehörigkeit über die betreffende einzelstaatliche Staatsangehörigkeit der allein auf die letztere gegründete Vertrag noch weiter bestehen kann.

b) Stellt man sich demgemäfs auf den Standpunkt der Zeit von 1868, so müfste, von da aus betrachtet, der Vertrag mit dem Norddeutschen Bunde in Wegfall gekommen sein, während allein noch die Verträge mit Bayern, Baden und Hessen sich in Geltung befinden. Denn seit Gründung des Deutschen Reiches gibt es keine norddeutsche Staatsangehörigkeit mehr, noch auch ein norddeutsches Staatsgebiet. An deren Stelle ist die deutsche Reichsangehörigkeit und das deutsche Reichsgebiet getreten 1. Nimmt man aber die Gültigkeit des Vertrages mit dem Norddeutschen Bunde an, so ist das Deutsche Reich als Rechtsnachfolgerin des Norddeutschen Bundes die aus ihm verpflichtete Gegenkontrahentin geworden. Ist das Deutsche Reich aber das verpflichtete und berechtigte Rechtssubjekt, so ist an die Stelle des Norddeutschen in dem Vertrage vom 22. Februar 1868 der Reichsdeutsche getreten, und anstatt der norddeutschen ist die

1 Die frühere Streitfrage, „ob die Erstreckung des strafrechtlichen Inlandbegriffs auf das ganze Reich vom 1. Januar 1872 oder 1. Januar 1871 (Gründung des Reichs) oder vom 4. Mai 1871 (dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 16. April 1871 betr. die Verfassung des Reichs) datiert" (vgl. Harburger, Der strafrechtliche Begriff „Inland“ usw. S. 73), hätte bei Anwendung der Verträge in den 70er und 80er, ja auch noch Anfang der 90er Jahre interessieren können, ist aber heute nicht mehr praktisch. Daher heifst es im Text, ohne dieser Frage präjudizieren zu wollen, durchgehends: seit Gründung des Reichs.

reichsdeutsche Staatsangehörigkeit Voraussetzung für die Anwendung des Vertrages. Es gibt in der Tat nach Gründung des Deutschen Reiches nur die eine Alternative: Gültigkeit der Verträge mit den süddeutschen Staaten und Ungültigkeit des Vertrages mit dem Norddeutschen Bunde oder umgekehrt Gültigkeit des letzteren und Ungültigkeit der ersteren. Beides zusammen ist unmöglich. Denn wären alle deutschen Bancroftverträge in Gemäfsheit des 1868 herrschenden Rechtszustandes je innerhalb des Gebietes eines jeden betreffenden Einzelstaates auch nach der Gründung des Reiches anwendbar, so ist nicht verständlich, wie das Deutsche Reich ausschliesslich für das Gebiet des früheren Norddeutschen Bundes die Rechte und Pflichten aus dem Vertrage vom 22. Februar 1868 zur Durchführung bringen könnte. Denn ist die reichsdeutsche Staatsgewalt an die Stelle der Staatsgewalt des Norddeutschen Bundes getreten, so mufs notwendig auch die deutsche Reichsangehörigkeit an die Stelle der norddeutschen Bundesangehörigkeit und das deutsche Reichsgebiet an die Stelle des Gebietes des Norddeutschen Bundes getreten sein. Die Staatsgewalt ist ihrer Natur nach immer eine einheitliche; wird sie berechtigt oder verpflichtet, so besteht Berechtigung und Verpflichtung für das unterworfene Gebiet und das von ihr beherrschte Volk. Dies ergibt sich für das Verhältnis des Norddeutschen Bundes zum Deutschen Reiche ohne weiteres aus allen Gesetzen des ersteren, welche innerhalb des Gebietes des letzteren in Geltung getreten sind (z. B. Kriegsdienstgesetz vom 9. November 1867, Gesetz vom 1. Juni 1870 über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit, Einführungsgesetz zum Str. G. B. vom 31. Mai 1870 und andere mehr). Aus allen diesen Gesetzen geht hervor, dafs an Stelle der norddeutschen Bundes- die deutsche Reichsangehörigkeit und an Stelle des norddeutschen Bundesgebiets das deutsche Reichsgebiet getreten ist. Das Verhältnis der Staatsgewalt des Norddeutschen Bundes zu der des Deutschen Reiches ist also nicht ein solches, wie bei Abtretung oder

Eroberung oder sonstigem derivativem oder originärem Erwerb von fremdem Staatsgebiet, dafs der erwerbende Staat die besonderen völkerrechtlichen Verbindlichkeiten des erworbenen Gebietes und die entsprechenden Rechte als solche übernimmt, ohne in seiner Totalität dadurch berechtigt oder verpflichtet zu werden. Vielmehr ist das Verhältnis derart, dass das Rechtssubjekt des Norddeutschen Bundes als Deutsches Reich weiter besteht, dass es nach innen hin, also staatsrechtlich ein anderes Gebiet und Volk und eine andere Organisation erhalten hat, dafs es aber nach aufsen völkerrechtlich ganz dasselbe geblieben ist. Daraus folgt aber für den Bancroftvertrag vom 22. Februar 1868, dafs seine Anwendung an Stelle der früheren norddeutschen Angehörigkeit nunmehr die deutsche Reichsangehörigkeit voraussetzt. Es ist auch schlechterdings gar nicht vorzustellen, wie ein Richter im Gebiet des früheren Norddeutschen Bundes einem nach Gründung des Reichs geborenen Braunschweiger, Hamburger oder Preufsen die Straffreiheit des Artikel II des Vertrages vom 22. Februar 1868 zubilligen könnte unter der Feststellung, er sei zwar Reichsangehöriger, könne aber als solcher die Anwendung des Vertrages auf sich nicht beanspruchen, sondern nur kraft der besonderen Eigenschaft, dafs er norddeutsche Bundesangehörigkeit besessen haben würde, wenn der Norddeutsche Bund noch fortbestanden hätte, schliesslich also unter der Fiktion, dafs trotz der Umwandlung des Norddeutschen Bundes in das Deutsche Reich die Angehörigen des letzteren, soweit sie Angehörige des ersteren gewesen sein würden, wenn er noch bestände, sich von den anderen Reichsangehörigen unterscheiden und insoweit also als besonderer staatsrechtlicher Begriff von dem allgemeinen Begriff der Reichsangehörigen auszusondern seien. Eine solche Konstruktion und eine andere ist bei Annahme der Gültigkeit der einzelnen Bancroftverträge je für die einzelnen Staatsgebiete nicht möglich steht aber in offenbarem Widerspruch mit Artikel III der Reichsverfassung.

III. Die staatsrechtliche Ungültigkeit der süddeutschen

Verträge.

a) So bleibt denn nur die andere Möglichkeit: Der Vertrag vom 22. Februar 1868 ist für das ganze Reich in Geltung, die übrigen deutschen Bancroftverträge aber bestehen nicht mehr zu Recht. Hierfür sprechen auch erhebliche positive Gründe. Voraussetzung der 5 deutschen Bancroftverträge war, wie wir sahen, die ganz für sich bestehende Staatsangehörigkeit der vertragschliefsenden deutschen Staaten. Nach Gründung des Reichs und Einführung des Reichsgesetzes vom 1. Juni 1870 in allen deutschen Staaten wird die Reichsangehörigkeit durch die Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaate erworben und erlischt mit deren Verlust (§ 1 daselbst). Beide - Reichs- und Staatsangehörigkeit gehören also untrennbar zusammen. Eine landesgesetzliche Bestimmung über den Erwerb und den Verlust der letzteren mufs notwendig die erstere mittreffen und enthält daher zugleich von selbst auch eine Regelung dieser. Enthalten nun, wie allgemein angenommen wurde und wird, die Bancroftverträge Bestimmungen über den Verlust der Staatsangehörigkeit, so fragt sich, ob der Rechtsbestand dieser Besimmungen in allen Verträgen durch § 21 Absatz 3 a. a. O. gewährleistet wird. Der Wortlaut des § 21 Absatz 3 spricht ganz offenbar dagegen. Es ist nur von Norddeutschen die Rede und nur von einem Staatsvertrag, als welcher der vom 22. Februar 1868 gemeint ist. Solange das Gesetz vom 1. Juni 1870 ein Gesetz des Norddeutschen Bundes war, gab es dem Norddeutschen Bunde, nicht den einzelnen ihm angehörigen Staaten die Ermächtigung zum Abschlufs von Staatsverträgen der in Absatz 3 bezeichneten Art. Als das Gesetz Reichsgesetz geworden war, erhielt entsprechend das Reich als Nachfolgerin des Bundes durch Absatz 3 jene Ermächtigung, nicht aber die Bundesstaaten. Es ist nach dem Zusammenhang des ganzen Gesetzes wie nach dem Sprachgebrauch vieler anderen Gesetze aus derselben Zeit ganz unmöglich, an die Stelle des Wortes:

„Norddeutsche" in Absatz 3 Württemberger, Bayer, Badener oder Hesse zu setzen. Daher würden die Bancroftverträge der süddeutschen Staaten mit Absatz 3 und Absatz 1 § 21 in Widerspruch stehen, also unwirksam geworden sein, wenn sie Bestimmungen enthielten, welche den Verlust der Staatsangehörigkeit an andere Voraussetzungen knüpften, als wie sie in Absatz 1 geregelt sind, während der Bancroftvertrag des Norddeutschen Bundes bei dieser Unterstellung als ein nunmehr für das ganze Reich und alle Reichsangehörigen geltender Vertrag in Kraft geblieben wäre. So einfach liegt aber die Sache nicht. Wie wiederholt erwähnt, enthalten alle deutschen Bancroftverträge keine Bestimmung über den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit, vielmehr hat sich grade aus der vorsichtigen Fassung, wie aus der Entstehungsgeschichte ergeben, dafs der in den Vereinigten Staaten. naturalisierte Bayer, Badener etc. unter den bekannten Voraussetzungen wohl als Amerikaner „behandelt“, „erachtet" werden, aber nicht, dafs er als Nichtdeutscher 1 gelten sollte. Dies ist von Erheblichkeit für die Nachkommen eines solchen. Ist z. B. ein Norddeutscher alsbald nach 5-jährigem ununterbrochenen Aufenthalt und Naturalisation in den Vereinigten Staaten nach der Heimat zurückgekehrt, und bringt er von dort einen 2-jährigen ehelichen Knaben mit, oder erzeugt er einen solchen alsbald nach seiner Rückkehr, so ist und bleibt dieser nach deutschem Staatsrecht Norddeutscher, von einer Anwendung des Bancroftvertrages auf ihn kann niemals die Rede sein 2. Der Vater und naturalisierte Amerikaner

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1 Die Sätze des preufsischen Oberverwaltungsgerichts (O.V.G.E. Bd. 14 S. 392) „die Beziehung des Absatzes 3 § 21 zu jenem Vertrage vom 22. Februar 1868 hat aber noch die positive Bedeutung, dafs jetzt klargestellt ist, dafs nach Artikel I und IV des Vertrages der Verlust der Staatsangehörigkeit definitiv eintritt und nicht suspendiert werde. Der demnächst Zurückkehrende besitzt die deutsche Reichsangehörigkeit nicht mehr“ sind in dieser allgemeinen Fassung unrichtig; sie verkennen, dass ein späteres Gesetz durch einfache Bezugnahme und Anerkennung eines früher abgeschlossenen Vertrages dessen ursprünglichen Sinn und Inhalt nicht verändern kann, dafs es nicht „klarstellen" kann, was der Vertrag absichtlich nicht klargestellt wissen wollte.

2 Siehe oben S. 59.

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