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bestimmen, worüber ja schon früher auf der Grundlage des deutschen Rechts gehandelt worden ist.

Die Annahme der deutschen Rechtsansicht von dem Dauerdelikt der Desertion durch das Gesetz vom 11. April 1890 hat sicherlich den Vorzug, dafs die Verjährungszeit insbesondere auch bei den Auswanderern einfacher und genauer berechnet werden kann. Früher lief bis zur Auswanderung etwa eine Verjährungszeit von einem Jahr einem Monat und drei Tagen, um durch sie in ihrem Laufe unterbrochen zu werden und erst wieder mit der Rückkehr zu beginnen. Jetzt beginnt sie überhaupt erst mit dem Ablauf der Militärdienstzeit, zu welcher man sich verpflichtet hatte. Im Gegensatz zum deutschen Rechte mit seiner Militärdienstpflicht bis zum 39. Lebensjahre führt dies insofern zu keinen Unzuträglichkeiten, als die Dienstzeit sich nur auf drei Jahre beläuft, und das staatliche Interesse dadurch gewahrt wird, dafs die Verjährungszeit im Falle der Abwesenheit des Schuldigen (wozu regelmässig wohl der Aufenthalt im Auslande, aber dem Wortlaute nach auch ein Sichverborgenhalten gerechnet werden wird) nicht läuft.

2. Jedoch mögen die kritischen Bedenken Winthrops gegen diese Übernahme eines fremden Gedankens vom amerikanischen Standpunkte aus nicht unbegründet sein. Sie mögen hier zum Schlusse dieses Abschnitts Aufnahme finden, weil auch für unser Recht de lege ferenda daraus etwas zu gewinnen ist. Winthrop sagt:

1 Sie war übrigens in der Literatur schon früher vertreten. Vgl. Wilson S. 15 § 8, und gegen diese Ansicht von dem Dauerdelikt 1882 Attorney-General Taft (bei Wilson S. 16 § 10), dessen Ansicht dahin geht, dafs die Fortdauer der Dienstverpflichtung nach Vollendung der Desertion der letzteren wohl den Charakter eines Dauerdelikts geben konnte, dafs aber gerade der ganze Vertrag durch die Tat gebrochen werde und die Dienstverpflichtung als durch sie unmöglich geworden wegfiele und nicht fortdauern könne, so dafs also das Delikt gerade darin besteht und sich darin vollendet, dass der Militärdienstvertrag durch die Tat zu nichte gemacht wird.

2 Vgl. Winthrop, Milit. Law, S. 383.

3 Milit. Law a. a. O.

In the original article the point fixed is the date of the commission of the offence. In the amendment of 1890 mustered instead of enlisted. This condition engrafted upon our code from the German military system was designed of course to extend the period of prosecution of deserters, but it is quite unequal in its operation. Thus a soldier deserting a short time prior to the expiration of his term of enlistment must be prosecuted, if at all, within about two years; while one deserting, presently after his entering upon his enlistment (which under existing law must be five years) (als Anmerkung hierzu hinzugefügt no fixed at three years by the act of August 1, 1894) need not be prosecuted till at the end of nearly seven years. Thus the longer a soldier remains in the service with the more chance of impunity may he desert it.

Diese Unterscheidung, meint Winthrop, sei nicht begründet, vielmehr sollte die Verjährungsfrist bei allen Delikten die gleiche sein. Auch sei es im allgemeinen ein zweifelhaftes Beginnen, in die amerikanische Militärrechtspraxis eine Regel einzuführen, die aus einem fremden Code stamme, insbesondere dann, wenn diese Regel auf einer im amerikanischen Rechte nicht begründeten Theorie beruhe. Die Theorie, auf welche sich diese Regel gründe, sei, dafs Desertion ein Dauerdelikt sei, das ist ein Delikt, welches einmal an einem bestimmten Tage begangen, fortdauernd mit jedem Tage, der auf den Zeitpunkt der Aushebung des Soldaten folgt, aufs neue begangen werde, so dafs die Verjährung nicht vor Ablauf des letzten Tages zu laufen beginne, an welchem das Delikt ebenso wie am ersten Tage begangen werde. Diese Haarspalterei könne nicht auf die Desertion im amerikanischen Recht angewandt werden. Ein Dauerdelikt sei ein solches, welches an sich und ohne Beziehung zu der Intention des Verletzers dem einzelnen oder der Öffentlichkeit solange unrecht tue, als es nicht niedergeschlagen werde, und sei daher als unabhängig von jedem und irgend einem Tage seiner Fortdauer zu erachten.

But desertion, fährt Winthrop fort, is an offence of which the gist is a particular intent and one which must be entertained as a particular time viz. at the moment of the unauthorized departure. Thus, in the view of the author, a desertion is, as a legal offence, committed but once, being complete and consumate on the day on which the soldier quits the service with the animus non revertendi; the continuing offence thereafter committed being not the desertion but the simple minor offence of absence without leave involved in it, and which of course continues till the deserters apprehension or voluntary return.

Auf Grund aller dieser Erwägungen kommt Winthrop zu dem Vorschlage, dafs alle Delikte in zwei Jahren, die Desertion in drei Jahren verjähren soll. Das Berechtigte seiner Einwendungen ist zum Schlusse bei den Erörterungen de lege ferenda zu berücksichtigen.

Die vorstehenden Betrachtungen über das amerikanische Militärstrafrecht, so unvollständig und vielleicht auch unzutreffend sie im einzelnen auch sein mögen, ergeben für unser Thema, dafs es höchst zweifelhaft ist, ob der Artikel II des Vertrages vom 22. Februar 1868 in den Vereinigten

Staaten sich noch in Kraft befindet, und dafs er, wenn er sich in Kraft befunden hätte oder befände, jedenfalls bisher von den amerikanischen Gerichten unangewendet geblieben ist. Ob und welche Wirkungen eine solche staatsrechtliche Ungültigkeit auf den völkerrechtlichen Bestand des Vertrages hat, wird aus den folgenden Untersuchungen auf Grundlage der deutschen Verträge deutlicher werden.

Zweites Kapitel.

Die staatsrechtliche Ungültigkeit der süddeutschen Bancroftverträge und ihre völkerrechtliche Bedeutung.

§ 1. Die staatsrechtliche Ungültigkeit der süddeutschen Verträge.

I. Die Besonderheiten des württembergischen Vertrages. Eine Prüfung der völker- und staatsrechtlichen Gültigkeit der Bancroftverträge ist bisher nicht erfolgt. Zweifel sind, soweit ich sehe, nur einmal aufgetaucht, und zwar in der württembergischen Kammer. Hier wurde die Frage praktisch, weil der Vertrag den Ständen erst nach seinem Abschlufs und nach seiner Ratifikation durch Vortrag vom 27. Juni 1871, d. i. nach Abschlufs des Vertrages zwischen Württemberg und dem Norddeutschen Bunde vom 25. November 1870, wodurch des letzteren Verfassung auf Württemberg ausgedehnt wurde, und nach Gründung des Deutschen Reiches zwecks verfassungsmäfsiger Zustimmung vorgelegt wurde und so erst in der Sitzung vom 23. Februar 1872 zur Abstimmung und Annahme gelangte. Aus dem Bericht der staatsrechtlichen Kommission betreffend den

1 Verhandlungen der Württembergischen Kammer 1870/72, BeilagenBand I Abteilung I S. 200.

2 Verhandlungen der Württembergischen Kammer 1870/72, 3. ProtokollBand S. 1604. Anlage IV, c.

Bancroftvertrag1 interessiert hier insbesondere der § 1, den ich im Wortlaute wiedergebe:

„Die formelle Berechtigung der württembergischen Stände, dem Vertrage die ständische Zustimmung zu erteilen, kann nicht bezweifelt werden, auch nachdem durch Vertrag zwischen Württemberg einer- und dem Norddeutschen Bunde, Baden, Hessen andererseits Berlin 25. November 1870 die Verfassung des Deutschen Reiches auf Württemberg ausgedehnt worden ist. Obgleich der vorliegende Vertrag seinem Inhalte nach den in dem Artikel 4 Ziffer 1 Reichsverfassung bezeichneten Angelegenheiten beizuzählen ist, so kann er doch nicht der Zustimmung des Reichstages unterliegen, da er vor dem 1. Januar 1871 vom König von Württemberg abgeschlossen wurde, und ebenso wenig wollte und konnte durch den Vertrag vom 25. November 1870 die Anwendbarkeit des zwischen dem Norddeutschen Bunde und den Vereinigten Staaten am 22. Februar 1868 abgeschlossenen Vertrages, mit welcher der vorliegende konform geht, bewirkt werden."

"

Hiernach und mit Rücksicht darauf, dafs die Reichsverfassung die Landesgesetzgebung auch in den nach Artikel 4 Reichsverfassung der Beaufsichtigung und Gesetzgebung des Reiches unterliegenden Angelegenheiten nicht ausschliefst, und der vorliegende Vertrag, wie sich bei seiner materiellen Prüfung ergeben wird, gegen ein Reichsgesetz nicht verstösst, derselbe aber, weil eingreifend in die Landesgesetzgebung, der ständischen Zustimmung bedarf, wie solche auch ausdrücklich vorbehalten wurde, kann formell die Beschlufsfassung in betreff des vorliegenden Vertrages durch die Hohe Kammer einem Bedenken nicht unterliegen."

Weiter gehört hierher die Erklärung des Freiherrn von Wächter, Ministers der Auswärtigen Angelegenheiten in der Kammer der Standesherren vom 5. März 18722, dafs

„Seitens des Reichskanzleramtes lediglich keine Einwendung gegen die Ratifizierung des vorliegenden Vertrages gemacht worden sei, dasselbe sich vielmehr vollkommen einverstanden erklärt habe, dafs der amerikanische Gesandte aber seine vollkommene Übereinstimmung mit der Ansicht der Regierung ausgesprochen und wiederholt den Wunsch kundgegeben habe, der Vertrag möchte baldmöglichst die Zustimmung beider Kammern Württembergs erlangen, damit er endlich in Wirksamkeit treten könne, obgleich er faktisch schon in Ausführung gekommen sei."

Der letzte Satz erhellt deutlich, dafs sich die Regierung

1 Verhandlungen der Württembergischen Kammer, Beilagen-Band I Abteilung II Nr. 173 S. 629. Anlage IV, b.

2 Verhandlungen der Württembergischen Kammer der Standesherren von 1870-1872, erster Protokoll-Band, 24. Sitzung vom 5. März 1872 S. 344, Anlage IV, d; auch wiedergegeben bei Bazille und Köstlin S. 94 u. 95.

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