Imagini ale paginilor
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geht daraus die Ohnmacht der Regierung ihm gegenüber hervor, und es ist in der Tat für sie unwürdig, die eigene Machtlosigkeit noch öffentlich eingestehen zu müssen. Anders, wenn sich der Verbrecher durch Verlassen des Staatsgebiets ihrem Machtbereich entzogen hat. In diesem Falle kann er für sich nicht anführen, dafs er der Ungeschicklichkeit der Regierung seine Freiheit von der Verfolgung verdanke, in diesem Falle läuft die Verjährungszeit überhaupt nicht, läuft aber dann wieder weiter, wenn er sich durch seine Rückkehr wieder in den Machtbereich der verfolgenden Organe begeben hat, wenn gleichsam der Kampf zwischen dem Rechtsbrecher und den Staatsorganen, welche die öffentliche Ordnung aufrecht erhalten und den Rechtsbruch verfolgen, auf gleicher Grundlage seinen Fortgang nehmen kann. Die Auswanderung unterbricht also in dem dargestellten Sinne die Verjährung so, dafs die Zeit des Ausgewandertseins in die zweijährige Verjährungszeit nicht mit eingerechnet und der rückkehrende Auswanderer immer noch eine Bestrafung zu befürchten hat, bis von seiner Rückkekr an die unterbrochene zweijährige Verjährungszeit ganz abgelaufen ist. Hiernach ist also das Delikt der Desertion nach amerikanischem Militärstrafrecht für auswandernde Deserteure unverjährbar, insofern während der Zeit ihrer Abwesenheit vom Gebiete der Vereinigten Saaten die Verjährungs

1 Dafs und durch welche gerichtlichen Handlungen der Lauf der Verjährung unterbrochen wird, und welche Änderungen das Gesetz vom 11. April 1890 eingeführt hat, interessiert hier nicht. Vgl. Winthrop, Milit. Law, S. 382. Es ergibt sich jedenfalls, dafs vor dem Gesetz von 1890, ähnlich wie das Abwesenheitsverfahren des deutschen Rechts, durch Erlafs des Befehls zur Bildung des Gerichts der Lauf der Verjährung überhaupt gehemmt wurde, wenngleich es hierbei freilich nicht zu einem rechtskräftigen Urteil kam. Doch soll dieser Fall selten vorgekommen sein. Nach dem Gesetze von 1890 aber musste die zweijährige Verjährungsfrist vor der öffentlichen Anklage vor dem general court martial abgelaufen sein, konnte also in Abwesenheit des Angeklagten kein Schritt geschehen, durch welchen die Verjährung gehemmt wurde.

zeit nicht läuft, während nach deutschem Militärstrafrecht, wie oben dargelegt, auch während dieser Zeit die freilich spät beginnende Verjährungsfrist zu Ende laufen kann. Durch den Vertrag wird aber auch das amerikanische Militärstrafrecht erheblich modifiziert. Bei Begehung der Desertion durch Auswanderung und bei Rückkehr nach fünfjährigem Aufenthalt und Naturalisation in Deutschland wird der so zurückkehrende Deserteur durch Artikel II des Vertrages geschützt. Hier besteht also eine genaue Analogie zu dem in Deutschland auf Grund des Vertrages geltenden Rechte, insofern auf dieser Grundlage in beiden Ländern die durch Auswanderung nach dem anderen Lande begangene Fahnenflucht bei Rückkehr des Fahnenflüchtigen unter dem Schutze des Artikel II des Vertrages straffrei bleibt.

b) Durch das Gesetz vom 11. April 1890 ist nun eine Änderung in dem Laufe und der Berechnung der Verjährungszeit bei der Desertion eingetreten, so, dafs es als Dauerdelikt anerkannt und dem deutschen Militärstrafrecht wesentlich genähert wird. Die alte Bestimmung, dafs bei der Desertion die Zeit der Abwesenheit von den Vereinigten Staaten bei der Verjährung nicht mitgerechnet werden sollte, wird dahin erweitert, dass die zweijährige Verjährungszeit überhaupt erst beginnen solle mit dem Ende des Zeitraumes, für welche der Deserteur zum Dienste verpflichtet worden war, dafs also prinzipiell im Falle der Desertion durch Auswanderung der Beginn der Verjährung in den Zeitpunkt der Rückkehr fällt. Diese ganz erhebliche Änderung hatte zur Folge, dafs bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vom 1. August 1894, durch welches die Dauer der Dienstzeit von fünf auf drei Jahre herabgesetzt wurde, der Desertion begehende amerikanische Auswanderer, welcher nach Ablauf von fünf Jahren, gerechnet von seinem Diensteintritt (enlistment) ab, zurückkehrt, alsdann zwei Jahre unbehelligt in den Vereingten Staaten leben muss, um die Verjährungseinrede geltend machen zu können.

Nach der Zeit des Inkrafttretens jenes Gesetzes aber würde die Verjährung nach Ablauf von drei Jahren beginnen und nach Ablauf von fünf Jahren beendet sein, wenn der Deserteur davon die letzten beiden Jahre in den Vereinigten Staaten sich aufgehalten hat.

Hält sich der auswandernde Deserteur nun fünf Jahre in Deutschland auf, und wird er hier naturalisiert, so müfste er alsdann auf Grund des Vertrages von 1868 auch in der Zwischenzeit von 1890 bis zum Inkrafttreten des bezeichneten Gesetzes von 1894 schon frühestens nach Ablauf von fünf Jahren seit seinem enlistment nach den Vereinigten Staaten zurückkehren dürfen, ohne Verfolgung und Bestrafung wegen seiner früher begangenen Desertion befürchten zu müssen; nach Inkrafttreten des Gesetzes vom 1. August 1894 müfste er dieses auf Grund des Vertrages ohne weiteres tun können, danach wäre ein zweijähriger Aufenthalt in den Vereinigten Staaten nicht erforderlich, wenn der Vertrag nicht inzwischen durch ein späteres Gesetz aufser Kraft gesetzt worden ist. Dies ist in der Tat bezüglich des hier allein interessierenden Artikel II des Vertrages durch das Gesetz vom 11. April 1890 geschehen. Jedenfalls ist eine dahingehende Ansicht sehr wohl begründet.

VI. Wirkungen des Gesetzes vom 11. April 1890.

a) In den Vereinigten Staaten gilt der später noch näher zu erörternde Grundsatz, dafs jede spätere gesetzliche Vorschrift die früher ergangene, die mit ihr in Widerspruch steht, aufser Kraft setzt. Nach amerikanischem Militärstrafrecht hat sich ergeben, dafs die Desertion während der Abwesenheit von den Vereinigten Staaten überhaupt nicht verjähren und daher, solange die Abwesenheit dauert, niemals straffrei werden kann. Dieser Satz, stammend aus den seit 1775 erlassenen und vielfach insbesondere 1806 neu redigierten und veränderten Kriegsartikeln1, ist im

1 The Milit. Laws 1901 S. 962 Anm. 1.

Jahre 1868 durch den Vertrag vom 22. Februar 1868 dahin eingeschränkt worden, dafs fünfjähriger Aufenthalt und Naturalisation in Deutschland den zurückkehrenden Amerikaner aufser Verfolgung und Bestrafung wegen Desertion stellt, und zwar nicht blofs, wie Artikel 103 bestimmt, seitens eines general court-martial, sondern gegenüber jedem gerichtlichen Einschreiten. Dieser Rechtszustand ist aber nun durch jenes Gesetz vom 11. April 1890 verändert worden. Dieses Gesetz hat aufs neue den alten Grundsatz ausgesprochen, dafs der zurückkehrende Abwesende Verfolgung und Bestrafung wegen der Delikte zu gewärtigen hat, die bei seinem Verlassen der Vereinigten Staaten noch nicht verjährt waren, und die während seiner Abwesenheit die Strafbarkeit durch Verjährung oder durch andere dem gleichstehende Gründe nicht verlieren können, ja, wie wir sahen, diesen Grundsatz verschärft. Damit aber liegt ein späteres Gesetz vor, welches die früher erlassene Vorschrift des Vertrages vom 22. Februar 1868, Artikel II wieder aufhebt. Das dürfte nicht für die oben bezeichneten enrolled persons gelten, welche unter den Artikel 103 deswegen überhaupt nicht fallen, weil ihr Delikt kein Kapitalverbrechen und nur mit den Ehrenstrafen der Sektion 1996 bedroht ist, und nicht vor die general courts-martial gehört, sondern vor die unteren Militärgerichte, die beiden Bestimmungen des Artikel 103 aber nur für das Verfahren vor dem erstgenannten Gericht gelten. Für die enrolled persons also ist der Vertrag von 1868 noch in Geltung, da, soweit ich sehe, Gesetze, die ihre Rechtslage verändern, nach 1868 nicht ergangen sind.

Freilich hatte der Artikel 103 auch für die Deserteure, wie gesagt, immer insofern eine praktisch eingeschränkte Bedeutung, als die Einrede der Verjährung nur im Verfahren, das vor die general court-martial gehört, und nur vor diesem, also nicht in dem court of inquiry vorgebracht werden konnte. Dies hängt damit zusammen, dafs die Verjährung als ein Verteidigungsmittel des Angeklagten, nicht

als Mangel einer sei es materiell oder prozessrechtlich erforderlichen Voraussetzung für die Bestrafung des Delikts gestaltet ist und von Gerichts wegen nicht berücksichtigt zu werden braucht. Dadurch wird es in unserem Falle möglich, dafs ein Deserteur, der in Deutschland fünf Jahre sich aufgehalten hat und naturalisiert ist, nach seinem zweijährigen Aufenthalt hier nach den Vereinigten Staaten zurückkehrt und durch den court of inquiry verfolgt und durch den general court-martial verurteilt wird, selbst wenn den Gerichten bekannt, aber von den Angeschuldigten nicht vorgebracht ist, dafs das Delikt verjährt sei, oder dafs Artikel II des Vertrages vom 22. Februar 1868 Verfolgung und Bestrafung verbiete. Denn auch dieses Verbot wird. nach amerikanischem Recht als ein Verteidigungsmittel des Angeklagten aufgefasst werden. Freilich wird der Deserteur mit der Verteidigung aus dem Vertrage gar nicht gehört werden, da Artikel II, wie gesagt, in Bezug auf Desertion durch das Gesetz vom 11. April 1890 als aufgehoben gelten mufs.

b 1. Dieses Gesetz führt zugleich eine deutsche Rechtsansicht in das amerikanische Militärstrafrecht ein, nämlich die von der rechtlichen Natur der Desertion als eines Dauerdeliktes. Durch die Veränderung des Begriffs der Fahnenflucht wie auch durch die spätere Verkürzung der Dienstpflicht auf drei Jahre kann es fraglich werden, ob diese Wandlungen zu gunsten oder auch zu ungunsten des Deserteurs geltend gemacht werden können, der vor der Veränderung durch Auswanderung das Delikt der Desertion begangen hat. Die Antwort ergibt sich aus der vertraglichen Natur des Militärdienstverhältnisses und aus der Erwägung, dafs spätere Gesetze unter früheren Gesetzen verwirklichte Tatbestände nicht treffen, wenn sie es nicht ausdrücklich

1 Vgl. Murray, Manual, S. 32; Winthrop, Milit. Laws, S. 385 und 386.

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