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nicht mehr als deutscher Wehrpflichtiger betrachtet werden solle. Die Südstaaten Bayern, Württemberg, Baden, Hessen, haben nun nach ihrem Beitritt zum Norddeutschen Bunde dieses Gesetz nebst den Ergänzungsvorschriften jenes Vertrages eingeführt, und damit sind stillschweigend auf Grund des § 26 des Gesetzes alle Vorschriften ihrer Verträge mit den Vereinigten Staaten aufgehoben, welche dem Gesetze und den es ergänzenden gesetzlichen Vorschriften zuwiderlaufen. Das Gesetz vom 1. Juni 1870 in Verbindung mit dem Vertrage des Norddeutschen Bundes und den Vereinigten Staaten schafft einheitliches Reichsrecht. Die oben dargestellten Besonderheiten des Artikel II der Verträge von Baden, Württemberg, Hessen sind aufser Kraft getreten. Es ergibt sich also, mag man den Art. II als eine strafgesetzliche Norm oder als eine staats- und verwaltungsrechtliche Anordnung mit strafrechtlichem Charakter ansehen:

In Geltung befindet sich nur noch Artikel II, des Vertrages zwischen dem Norddeutschen Bunde und den Vereinigten Staaten. Und zwar gilt seine Vorschrift für das ganze Reich und die deutschen Schutzgebiete. Zweifelhaft ist nur, ob der Artikel II und der Vertrag überhaupt für Elsafs-Lothringen und Helgoland gilt. Doch bevor ich in die staats- und völkerrechtliche Betrachtung der Gültigkeit und des Umfangs der Geltung der Bancroftverträge eintrete, habe ich kurz die Rechtslage der in Deutschland naturalisierten Amerikaner bei ihrer Rückkehr in die frühere Heimat zu erörtern, soweit in diesem Falle der Artikel II des Vertrages praktisch ist oder werden kann. Unter dem Vertrage wird dabei wie bisher so auch in Folgendem, wenn nichts anderes gesagt ist, der Vertrag mit dem Norddeutschen Bunde verstanden.

1 Die eigentliche Begründung dieser Thesen erfolgt später bei der Untersuchung über die Gültigkeit der Verträge überhaupt.

§ 2. Straffreie Rückkehr der im Deutschen Reiche naturalisierten Amerikaner nach den Vereinigten Staaten.

I. Praktische Bedeutung der Frage.

Soweit aus der deutsch-amerikanischen diplomatischen Korrespondenz zu ersehen und hier in Deutschland bekannt geworden ist, ist bisher eine Anwendung des Artikel II des Vertrages für im Deutschen Reiche naturalisierte Amerikaner, die nach fünfjährigem Aufenthalt im Reiche nach den Vereinigten Staaten zurückkehrten, niemals praktisch geworden. Daher hat die an die Spitze gestellte Frage vorwiegend theoretisches Interesse, praktisches nur insofern, als ihre Untersuchung die einseitige Bedeutung des Vertrages ins klare stellt und bei einer etwaigen Neuregelung verwertet werden kann.

Die einseitige Bedeutung des Vertrages hängt einerseits damit zusammen, dafs es in den Vereinigten Staaten eine allgemeine Wehrpflicht nicht gibt, und daher auch die strafbaren Handlungen der Wehrpflichtverletzungen und unerlaubten Auswanderung nicht vorkommen. Auf der anderen Seite aber ist der Fall, dafs geborene oder naturalisierte Amerikaner im Deutschen Reiche naturalisiert werden, ziemlich selten; und dafs unter diesen seltenen Fällen Amerikaner betroffen werden, welche aus der Armee der Vereinigten Staaten fahnenflüchtig geworden und nachher in ihre ursprüngliche Heimat zurückgekehrt sind, ist, wie gesagt, im diplomatischen Verkehr nicht praktisch geworden. Ob die amerikanischen Gerichte sich mit solchen Fällen zu befassen gehabt haben, habe ich nicht feststellen können, wie überhaupt eine Entscheidung eines amerikanischen Gerichts auf Grundlage der Bancroftverträge, soweit ich sehe, nicht ergangen ist. Weiter aber steht auch noch

1 Auf meine Anfrage hin haben die amerikanische Gesandtschaft zu Berlin und die deutsche Gesandtschaft zu Washington übereinstimmend erklärt, dafs ihnen kein Fall bekannt sei.

fest, dafs die amerikanische Diplomatie die Fahnenflucht nicht zu den Delikten rechnet, welche des Schutzes von Artikel II teilhaftig sind. Dafs diese Ansicht nach deutschem Recht unrichtig ist, ist nachgewiesen. Nunmehr ist zu

prüfen, ob sie vom Standpunkt des amerikanischen Militärstrafrechts aus haltbar ist.

II. Die gesetzlichen Grundlagen.

In der mir zugänglichen Literatur über das amerikanische Militärstrafrecht wird die hier interessierende Frage überhaupt nicht erörtert. Ich mufs daher versuchen, allein auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen und ihrer in Übung befindlichen Auslegung ein Bild zu entwerfen. Grundlegend ist natürlich der Begriff und die rechtliche Natur der Fahnenflucht nach amerikanischem Militärstrafrecht in Verbindung mit den geltenden Vorschriften über die Verjährung.

47 Art. of War lautet:

Any officer or soldier who having received pay or having been duly enlisted in the service of the United States, deserts the same, shall in time of war, suffer death, or such other punishment as a court-martial may direct; and in time of peace any punishment, except death, which a court-martial may direct.

Der 50. Kriegsartikel enthält dann noch eine Vorschrift darüber, dafs es auch als Desertion angesehen werden soll, wenn Unteroffiziere und Gemeine bei einem anderen. Truppenteil sich einschreiben lassen, als zu dem sie gehören, was hier aber nicht interessiert.

Sec. 1998 Rev. St. bestimmt folgendes:

Every person who hereafter (nach dem 19. April 1865) deserts the military or naval service of the United States or who being duly enrolled departs the jurisdiction of the district in which he is enrolled, or goes beyond the limits of the United States with intend to avoid any draft into the military or naval service lawfully ordered, shall be liable to all the penalties and forfeitures of section 1996.

Section 1996 lautet aber:

All persons who deserted the military or naval service of the United States and did not return thereto or report themselves to a provost-marshall within sixty days after the issuance of the proclamation by the president dated the eleventh day of March eighteen hundred and

sixty-five, are deemed to have voluntarily relinquished and forfeited the rights of citizenship, as well as their right to become and such deserters shall be forever incapable of holding any office of trust or profit under the United States or of exercising any rights of citizens

thereof.

26. February 18911 12. March 1901

Das höchste Strafmafs für die Begehung der Desertion ist durch die Executivorder (Maximum Punishment Code) vom dahin festgesetzt, dafs im Falle der freiwilligen Gestellung bis zu einem Jahr Gefängnis (Confinement at hard labor) verhängt werden kann, wenn die Abwesenheit nicht länger als 30 Tage gedauert hat, bis zu 18 Monaten, wenn sie länger gedauert hat, und dafs im Falle der Ergreifung bis zu 18 Monaten Gefängnis verhängt werden kann, wenn der Deserteur nicht mehr als 6 Monate im Dienste gestanden hat, bis zu 22 Jahren, wenn er länger im Dienste gestanden hat. Schliefslich setzt diese Ausführungsverordnung noch als Strafverschärfungsgründe für jeden Rückfall 1 Jahr und für Beteiligung mehrerer das Höchstmals von 5 Jahren aufser den Ehrenstrafen fest. Die Ehrenstrafen sind hauptsächlich in der zitierten Sektion 1996 geregelt, aufserdem kommen als solche noch hinzu die vermögensrechtlichen Wirkungen, bestehend in dem Verlust der in Verwahrung gegebenen Spargelder, im Pensionsverlust und dem Verluste des Anrechts auf Zuweisung vom Staatsland, sowie schliefslich das Nachdienen, selbst wenn die Zeit, für welche die Militärdienstverpflichtung eingegangen war, schon abgelaufen war. Die Militärdienstzeit war früher 5 Jahre und ist jetzt auf 3 Jahre herabgesetzt3.

III. Die „enrolled persons“.

Vergleicht man die angeführten Gesetzesstellen, so fällt einmal auf, dafs in ihnen keine Definition für die Fahnen

1

Vgl. Murray, Manual, S. 53, und Milit. Laws of the United States S. 106.

8 The Milit. Laws S. 523-525, Sec. 1305, 2438, Rev.St.; Sec. 6 act of April 26, 1898, 48 Art. War.

3 The Milit. Laws S. 511 § 1370 nebst Anmerkung.

flucht gegeben wird, eine solche vielmehr der Rechtsprechung überlassen bleibt, und weiter, dafs in Sektion 1998 zwischen einem Deserteur und einem, der in ordnungsmässiger Weise ausgehoben ist (duly enrolled) und alsdann den Gerichtsbezirk des Aushebungsortes oder das Gebiet der Vereinigten Staaten überhaupt verlässt, unterschieden wird. Der Deserteur wird nun in 47 Art. War als duly enlisted man bezeichnet. Zwischen duly enrolled und duly enlisted persons besteht also offenbar der Unterschied, dafs die letzteren bereits der Armee angehören, die Dienstverpflichtung in formeller Weise wirksam übernommen haben, während die ersteren der Armee noch nicht angehören, sondern allein die Verpflichtung übernommen haben, in sie einzutreten, jenen Dienstvertrag zu vollziehen, aber ihn noch nicht vollzogen haben. Die enrolled persons haben die Voraussetzungen für die Eingehung des Dienstvertrages z. B. die Stellung zur Untersuchung der körperlichen Tauglichkeit oder nach der Gestellung die formelle Übernahme der Dienstverpflichtung nicht erfüllt. Sie haben keinen feierlichen Eid geleistet, noch auch ein die Dienstverpflichtung aussprechendes Schriftstück unterzeichnet. Durch schriftliche und eidliche Übernahme der Dienstverpflichtung kommt nach der in der amerikanischen Armee herrschenden Praxis1 der Vertrag des enlistment zustande. Erst mit dem Zustandekommen dieses Vertrages wird aus der Zivilperson eine Militärperson. Bis dahin hat das Verlassen des Gebiets der Vereinigten Staaten durch eine enrolled person die Verwirkung der in Sektion 1996 bestimmten Ehrenstrafe zur Folge, freilich nicht ohne weiteres, sondern auf Grund eines strafgerichtlichen Verfahrens.

Wandert nun eine solche Person nach Deutschland aus und wird hier naturalisiert, so ist ein solches Verfahren bei Rückkehr nach einem fünfjährigen Aufenthalt in Deutschland durch Artikel II des Vertrages vom 22. Februar 1868

1 The Milit. Laws S. 509 Anm. 1.

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