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reits in Geltung befindlichen Gesetzes zugeht. Das sind aber sicher Zustände, einer großen und gebildeten Nation nicht sonderlich angemessen, und mit ihnen sich etwas eingehender zu beschäftigen, sollten die amerikanischen Congreßmänner für eine unabweisbare Pflicht ansehen; handelt es sich dabei auch nicht um Fragen, durch welche das Parteiinteresse gefördert werden kann, so stehen doch solche auf dem Spiele, deren sachgemäße Erledigung eine wesentliche Grundlage für geordnetes öffentliches Leben überhaupt bildet.

Im Anschlusse an das Vorgetragene ist denn noch auf zwei Punkte aufmerksam zu machen, welche nur allzu oft übersehen werden. Zunächst werden gewisse Personen oder Factoren von einzelnen Verfassungen mit Befugnissen ausgestattet, welche ihrer Natur nach unzweifelhaft als unmittelbarer Ausfluß der staatlichen Souveränetät gelten müssen; des Weitern auch angewiesen, das Ergebniß ihrer diesbezüglichen Thätigkeit in allgemein erkennbaren Normen zusammenzufassen, aber troßdem, weil man nämlich die von ihnen ausgehenden Acte nicht als „Gesetze“ anzusehen beliebt, auch ihrerseits nicht als „Gesetzgeber“ bezeichnet; daraus glaubt man weiter den Schluß ziehen zu können, daß sie in Wahrheit auch gar nicht „Träger der Staatsgewalt“ seien, weil sie sonst eben als „Legislative“ erscheinen müßten. Allein offenbar liegt hier lediglich ein falscher Gebrauch des Wortes Gesetzgeber" oder doch zum mindesten eine rein willkürliche Beschränkung mit Bezug auf die Anwendbarkeit desselben vor; die Wissenschaft darf sich dadurch nicht bestimmen lassen; sie hat vielmehr, unbekümmert um alles das, streng die Schlußfolgerungen zu ziehen, welche sich aus dem Wesen der Sache ergeben; d. H. anzuerkennen, daß solche Personen oder Factoren, wenn auch vielleicht nicht „Gesetzgeber“ im rein formellen, durch den Sprachgebrauch der Verfassung bedingten Sinne, so doch in Wahrheit „Träger der Souveränetät“ sind.

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Aber man muß entschieden noch weiter gehen. Oben wurde gesagt, daß es unbestritten nothwendig sei, die Grundsäße, nach denen die Regierung eines Staats gehandhabt werden solle, weil und sofern sie die Interessen aller Bürger wesentlich berühren, in die Form von Gesezen zu kleiden; nun gibt es aber eine, wenn auch freilich sehr geringe, Zahl von Regierungshandlungen, welche der Feststellung im Wege solcher Normen nicht bedürfen, und zwar aus dem sehr einfachen Grunde, weil sie, vom

praktischen Standpunkte aus gesehen, nur für einzelne Individuen und nicht für die Allgemeinheit von Interesse sind. Für die Frage, ob jemand Träger der staatlichen Souveränetät sei, ist also einzig und allein der materielle Inhalt der ihm verfassungsmäßig verliehenen Befugnisse maßgebend; die Form, in welcher er seine Thätigkeit zu üben hat, ist lediglich eine Folge daraus, welche nicht immer die gleiche zu sein braucht. Aus allem Gesagten folgt, daß die Worte Gesetzgeber“ und „Träger der Staatsgewalt" zwar im allgemeinen, aber nicht schlechthin gleichbedeutend sind; zwar können Geseze nur von jemandem erlassen werden, wenn und weil er Träger jener Gewalt ist; aber nicht alles, was als Ausfluß der staatlichen Souveränetät erscheint, bedarf der Einkleidung in allgemein erkennbare Normen; und wenn es einer Einkleidung in solche der Natur der Sache nach bedarf, dann stehen dieselben den Gesetzen begrifflich vollkommen gleich, auch wenn sie von der Verfassung nicht mit diesem Namen belegt werden.

Die Anerkennung dieser logisch unanfechtbaren Grundfäße muß dazu führen, das amerikanische Staatsrecht in einzelnen wesentlichen Punkten ganz anders aufzufassen, als es bisher von seiten der meisten Schriftsteller geschehen ist; und bei der Besprechung dieser concreten Einzelheiten wird die Richtigkeit dessen, was hier nur in ganz allgemeinen Umrissen vorgetragen werden konnte, um ein Bedeutendes besser zu Tage treten.

IV. Gleich allen neuern Staatsverfassungen enthält auch die amerikanische Anweisungen darüber, wie sich der Wille der Regierungsfactoren in materieller Hinsicht zu bethätigen habe? Solche Anweisungen finden sich vornehmlich in Art. I, Sect. X, und in den ersten neun Artikeln der Amendements; man wird sich erinnern, daß diese lettern dem schon vor und ebenso nach Annahme der Constitution sehr lebhaft auftretenden Wunsche entsprechen, eine geseßliche Anerkennung der sogenannten Menschenrechte herbeizuführen. Alle diesbezügliche Bestimmungen sind nun in negativer Form gehalten; indem sie vorschreiben, daß die in ihnen näher gekennzeichneten Rechte" niemand geschmälert oder entzogen werden dürfen; und daher kommt es denn, daß man dieselben auch wol als Schranken der Souveränetät“ bezeichnet hat. Allein das kann man nur für richtig anerkennen, wenn man die Sache rein äußerlich und von lediglich praktischem Standpunkte aus betrachtet. Wenn man ihr dagegen näher auf den Grund

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sieht und sie begrifflich klar stellen will, wird man zugestehen müssen, daß es,,Schranken der Souveränetät" gar nicht geben fann; dieser Ausdruck enthält einen Widerspruch in sich selbst, denn die,,Souveränetät“ ist ihrer Natur nach etwas Unbeschränktes, und, genauer betrachtet, haben dann auch alle jene Bestimmungen, in ihrer negativen Form, einen durchaus positiven Inhalt. Sie zeigen einfach an, in welcher positiven Weise die verschiedenen Befugnisse der Regierungsfactoren von diesen auszuüben seien, wenn dieselben den innerhalb des Volkes herrschenden Anschauungen entsprechen und damit in Wahrheit als Träger der an sich ideellen Staatsgewalt erscheinen wollen, als deren Verkörperung sie ja überhaupt nur zur Ausübung der Souveränetät berechtigt sind. Alle jene Vorschriften, an welche hier gedacht wird, sind daher, obgleich es auf den ersten Blick gerade umgekehrt erscheint, nicht sowol absoluter als relativer Natur; d. h. es muß für jede derselben ein, sei es genau umschriebenes, sei es allgemeiner aufzufassendes materielles Hoheitsrecht gefunden werden können, an welches sie sich in der Art anlehnt, daß sie die Bethätigung desselben nach einer ganz bestimmten Richtung hin bedingt. Im Verlaufe dieser Arbeit sollen daher auch die einzelnen Vorschriften, um welche es sich hier handelt, im Anschlusse an jedes betreffende Hoheitsrecht vorgetragen werden, welches sie in formeller Hinsicht ergänzen.

V. Die Constitution von 1787 gibt genaue Vorschriften über die Person, welcher die Leitung der ausübenden Gewalt (executive power) im Gegensaße zur gesetzgebenden (legislative power) obliegt; aber gerade mit Bezug auf diesen Punkt sind die Urheber jener Verfassung offenbar von Anschauungen ausgegangen, in denen erst die neuere Wissenschaft eine vollkommenere Klärung herbeizuführen vermocht hat; es ist daher unumgänglich, die hier in Betracht kommenden Fragen etwas eingehender zu erörtern.

Die Lehre von der „Theilung der Gewalten" ist einer der verhängnißvollsten Irrthümer gewesen, in welche das allgemeine Staatsrecht je verfallen ist; welches der eigentliche Kern dieser Lehre sei, wird am besten im Anschlusse an die oben unter III enthaltenen Ausführungen erkannt werden. Dort wurde nachgewiesen, daß die Regierenden ihren Willen regelmäßig in die Form allgemein erkennbarer Normen, d. i. der Geseze zu kleiden haben; daraus hat man denn früher geglaubt, den Schluß ziehen zu dürfen, daß die Thätigkeit der betreffenden Factoren überhaupt

nur in dem Erlasse von Gesetzen zu bestehen habe, und da dies nun offenbar nicht ausreicht zur Verwirklichung jener Zwecke, denen die Träger der Staatsgewalt zu entsprechen haben, wähnte man, neben dem Gesetzgeber" noch einen andern Factor als Träger der Staatsgewalt annehmen zu müssen, dessen Aufgabe die praktische Durchführung der Gesetze sei. Diese Auffassung liegt auch der amerikanischen Constitution zu Grunde, wie aus der ganzen Eintheilung derselben ohne weiteres entnommen werden kann. Während nämlich Art. I von der gesetzgebenden Gewalt handelt, stellt der Art. II dieser die ausführende“ gegenüber, und sämmtliche amerikanische Publicisten nehmen an, daß damit diese beiden Gewalten einander vollständig coordinirt worden seien. Daß jenes Gesetzgebungswerk den gedachten Standpunkt einnimmt, darf aber nicht überraschen; waren doch zur Zeit seiner Entstehung noch kaum hundert Jahre verflossen, seitdem der Engländer Locke eben jene Lehre von der Theilung erfunden oder doch zuerst wissenschaftlich zu begründen versucht hatte, und stand doch damals das Ansehen Montesquieu's in voller Blüte, welcher, dem englischen Staatsphilosophen folgend, geradezu behauptete, daß eine derartige Theilung die Vorbedingung aller bürgerlichen Freiheit sei, ja daß die Voraussetzungen für politische Wohlfahrt zunähmen, je mehr man die Gewalten theile; daher denn in der Constitution von 1787 der Art. III, welcher neben der gesetzgebenden" und ,,ausführenden noch von einer dritten, jenen beiden wiederum coordinirten, nämlich der richterlichen Gewalt" (judicial power) der Vereinigten Staaten handelt.

Daß es verschiedene Träger derselben und an sich immer Einen Staatsgewalt je entsprechend der verschiedenen Richtungen geben kann, in welchen die Bethätigung der Souveränetät zu erfolgen hat, ist, wie oben auseinandergesetzt wurde, zweifellos logisch zulässig: also man kann einem ganz bestimmten Factor vielleicht die Regelung des Civil- und Strafrechtes, einem andern diejenige der auswärtigen Angelegenheiten überlassen u. s. f.; aber damit ist doch, wenn man so sagen darf, nur eine quantitative Theilung jener Gewalt ge= schaffen; eine „qualitative“ Zersplitterung derselben ist dagegen schlechterdings undenkbar. Wenn nach der ganzen Eigenart eines ausgebildeten politischen Gemeinwesens gefordert werden muß, daß der Träger der Staatsgewalt „Gesetze“ gebe, so heißt das nicht, daß er nur allgemein erkennbare Normen hinsichtlich der Art und Weise aufzustellen habe, nach denen die Regierung vor sich geht,

sondern vielmehr, daß er einmal seinen Willen in solchen Normen zu äußern, dann aber auch, daß er für die praktische Durchführung derselben zu sorgen habe; hätte er diese lehte Befugniß nicht, so wären alle seine Rechte eine bloße Fiction ohne jedwede praktische Bedeutung. Wenn andererseits die menschliche Natur, wer immer Träger der Staatsgewalt sein mag, es diesem unmöglich macht, selbst die praktische Bethätigung der von ihm ausgehenden Gesetze zu besorgen, so ändert dies an dem entwickelten Grundsatze selbstverständlich gar nichts; das ist nicht mehr als eine bloße Thatsache, mit welcher allerdings nothwendigerweise zu rechnen, aus der aber nichts anderes zu entnehmen ist, als daß diejenigen Personen, welche dazu berufen werden, ihrerseits die praktische Ausführung der Gesetze zu handhaben, nur als Beauftragte oder Delegatare der Regierenden erscheinen, also eine Thätigkeit nur nach den von den letztern aufgestellten Grundsäßen üben können, aber auch üben müssen. Der ,,Chef der Executive" ist danach lediglich ein Generaldelegatar der gesetzgebenden Factoren; er hat nur abgeleitete und keineswegs originäre oder solche Befugnisse, welche denen der eigentlichen Regierungsfactoren coordinirt sind. Diese an sich so unendlich einfache Auffassung der Sache wird nun allerdings häufig dadurch erschwert, daß eine Verfassungsurkunde, und so auch die amerikanische, unmittelbar selbst bestimmt, wer Träger der Executive" sein solle; sind nämlich in Wahrheit die Befugnisse der Executive solche, welche eigentlich der Legislative zustehen und von dieser nur wegen thatsächlicher Unmöglichkeit nicht geübt werden können, so muß dafür gesorgt werden, daß die erstere ganz und gar dem Willen der letztern gemäß handele; und daraus würde sich, strenggenommen, ergeben, daß die Legislative, wie sie das überhaupt als Träger der Souve ränetät an sich schon zu thun berechtigt wäre, in der Lage sein muß, die Person desjenigen zu bestimmen, dem die Executive zufällt. Wenn nun dieser Gedankengang nicht befolgt, sondern von der Verfassung selbst ohne weiteres vorgeschrieben wird, wem die Executive gebühre, so kann man darin sehr wohl eine derjenigen Vorschriften finden, deren Wesen bereits oben unter IV. des Nähern besprochen worden ist; d. h. man kann den Proceß, mittels dessen die fragliche Person ohne Zuthun der Legislative ge= funden wird, dennoch ansehen als beruhend in dem Willen der lettern, der nur durch das Grundgeset anticipirt worden sei. Aber selbst wenn man diese Auffassung für zu gekünstelt hält,

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