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Nr. 13202. RÖMISCHE KURIE. Rundschreiben Pius X. über die unbefleckte Empfängnis. (Offizielle Deutsche

Ausgabe,,Kölnische Volkszeitung" 12. Februar 1904.)

2. Februar 1904.

Papst Pius X. || Den ehrwürdigen Brüdern, den Patriarchen, Primaten, Erzbischöfen, Bischöfen und sonstigen Oberhirten, die mit dem apostolischen Stuhle in Frieden und Gemeinschaft stehen, Gruß und Apostolischen Segen.

Ehrwürdige Brüder!

Noch wenige Monate, und das Jahr bringt uns den freudevollen Tag heran, an dem vor fünf Jahrzehnten Unser Vorgänger, Papst Pius IX. heiligen Andenkens, inmitten eines glänzenden Kreises von Kardinälen und Bischöfen, in Kraft seines unfehlbaren Lehramtes, feierlich aussprach und erklärte, es sei Gegenstand der göttlichen Offenbarung, daß die allerheiligste Jungfrau Maria, im ersten Augenblick ihrer Empfängnis, frei von aller Makel der Erbsünde bewahrt worden sei. Allmänniglich ist es bekannt, mit welch festlichen Kundgebungen der Freude und des Dankes von den Gläubigen auf dem ganzen Erdkreis dieser Ausspruch entgegengenommen wurde. Seit Menschengedenken ist keine allgemeinere und einhelligere Bezeugung der Liebe, sei es gegen die hehre Gottesmutter, sei es gegen den Stellvertreter Jesu Christi auf Erden, erlebt worden. Gehen wir nun in Unserer Erwartung zu weit, Ehrwürdige Brüder, wenn wir Uns der Hoffnung hingeben, daß bei dieser Erinnerungsfeier der unbefleckten Empfängnis der Jungfrau auch jetzt, nach Ablauf eines halben Jahrhunderts, ein lebhafter Widerhall dieser heiligen Freude in unseren Herzen anheben, und daß das herrliche Schauspiel des Glaubens und der Liebe gegen die Gottesmutter dieser entschwundenen Zeit sich erneuern werde? Diesen lebhaften Wunsch erweckt in Uns die der Allerseligsten Jungfrau gehegte Liebe, welche, ein Gnadengeschenk ihrer Güte, allzeit in Unserm Herzen reiche Pflege fand; zur sichern Hoffnung und Erwartung aber, daß dieser Unser Wunsch auch in Erfüllung gehen werde, berechtigt Uns die Liebe aller wahren Katholiken, die nie müde werden. und immer bereit sind, der hehren Gottesmutter stets neue Beweise der Liebe und der Verehrung zu erbringen. Ja, wir wollen es bekennen, dieses Unser Verlangen entspricht einer gewissen inneren Stimme, die Uns zu sagen scheint, daß jetzt und bald jene Hoffnungen und Erwartungen erfüllt würden, zu denen Unser Vorgänger Pius, und mit ihm alle Bischöfe, nicht ohne Grund, sich gedrängt fühlten, wenn einmal die Wahrheit der unbefleckten Empfängnis als Glaubenssatz ausgesprochen

wäre.

Freilich bedauern nicht wenige, daß diese Hoffnungen bis auf den heutigen Tag noch auf ihre Erfüllung warten lassen, und glauben mit Jeremias sprechen zu können: Wir hofften auf Frieden, und nichts Gutes ist geworden; wir hofften auf Zeit der Heilung und siehe! Schrecken. (Jer. VIII, 15.) Solch Kleingläubigen aber sollte man dieses verweisen; sie haben keinen Einblick in die Werke Gottes und vermögen sie nicht in Wahrheit zu beurteilen. Wer vermag die geheimen Gnadenschätze zu ermessen und aufzuzählen, welche Gott infolge der Dazwischenkunft der Jungfrau diese ganze Zeit hindurch der Kirche zugewendet? Aber abgesehen davon: haben wir nicht die ungestörte Abhaltung des Vatikanischen Konzils erlebt und damit die Glaubenserklärung der Unfehlbarkeit des Papstes, ein höchst zeitgemäßes Mittel gegen künftige Irrungen; haben wir nicht das Schauspiel eines neuen und nie dagewesenen Liebeseifers gesehen, der aus allen Ständen und Länderstrichen die Gläubigen heranzog, dem Stellvertreter Christi Verehrung und Huldigung zu erweisen? Was müssen wir nun von alledem denken und urteilen? Hat sich nicht eine ganz wunderbare Vorsehung Gottes an Unsern zwei Vorgängern, Pius und Leo, geoffenbart, die trotz der sturmvollen Zeit, in einer Regierungsdauer, wie sie kaum einem anderen verliehen war, die Kirche so heilig verwaltet haben? Kaum hatte ferner Pius die Wahrheit der unbefleckten Empfängnis Marias als Glaubenssatz ausgesprochen, als sich in dem Städtchen Lourdes die Jungfrau in Wundern zu offenbaren begann, und der Macht- und Prachtbau des Heiligtums der Unbefleckten sich erhob, bei dem auf ihre Fürbitte täglich noch Wunder geschehen, die geeignet sind, den Unglauben der Jetztzeit zu widerlegen. - So viele große Erweise von Güte hat Gott auf die milde Fürbitte der Jungfrau im Laufe dieser fünfzig Jahre erteilt; und sollen wir nun nicht hoffen können, daß unsere Rettung näher ist, als wir glaubten? Und dies um so mehr, da es der Erfahrung nach Gesetz der göttlichen Vorsehung zu sein scheint, daß Gott am nächsten ist, wo die Gefahr am höchsten. Nahe ist's, daß komme die Zeit, und ihre Tage werden nicht verlängert werden. Denn der Herr erbarmt sich Jakobs und erwählet nochmals Israel. (Isai. XIV 1.) So haben wir Hoffnung, bald rufen zu können: Zerbrochen hat Gott den Stock der Gottlosen. Es ruhet und schweigt die ganze Erde, sie freut sich und jubelt. (Isai. XIV, 5 und 7.) || Der Hauptgrund aber, weshalb Wir wünschen, daß die fünfzigste Jubelfeier der Erklärung der unbefleckten Empfängnis Marias als Glaubenssatz in der christlichen Welt einen neuen ungewöhnlichen Eifer anregen möchte, ist Unser, in Unserem neulichen Rundschreiben ausgesprochenes Verlangen, alles wieder aufzurichten in Christus. Denn wer sieht nicht ein, daß es kein sichereres

Mittel gibt, alle mit Christus zu vereinigen und durch ihn die vollkommene Kindschaft zu erlangen, damit wir selig und makellos vor Gott seien, als durch Maria? Wenn in Wahrheit Maria gesagt wurde: Selig bist du, welche geglaubt, daß alles, was dir gesagt worden von dem Herrn, vollendet werden wird (Luc. I, 45), nämlich daß sie den Sohn Gottes empfangen und gebären würde; wenn sie deshalb in ihrem Schoße den empfing, welcher die Wahrheit selbst ist, damit er, auf einem ganz neuen Wege und durch eine neue Geburt erzeugt, unsichtbar seinem Wesen nach, sichtbar in unserer Natur würde (S. Leo M. Serm. 2, de Nativ. Domini, c. 2), um als Sohn Gottes Mensch geworden, Urheber und Vollender unseres Glaubens zu werden, so folgt daraus notwendig, daß seine heilige Mutter, nachdem sie so Mitbewirkerin der göttlichen Geheimnisse geworden, auch als deren Bewahrerin und, nach Christus, als die vornehmste Grundlage angesehen werden müsse, auf welcher der Aufbau im Glauben durch alle Jahrhunderte auszuführen sei. || Oder hätte Gott vielleicht nicht auf einem anderen Wege, als durch die Jungfrau, uns den Wiederhersteller des Menschengeschlechtes und Urheber des Glaubens geben können? Nun war es aber der Ratschluß der göttlichen Vorsehung, uns den Gottmenschen durch Maria zu geben, die, überschattet vom heiligen Geiste, ihn in ihrem Schoße getragen; darum bleibt uns keine andere Wahl, als daß wir Christus empfangen durch Maria. Deshalb erscheint, so oft in der h. Schrift Prophezeiungen ausgesprochen werden von unserer künftigen Erlösung, neben dem Welterlöser auch seine heilige Mutter. Er wird gesendet als das Lamm, der Herrscher der Erde, aber von dem Felsen in der Wüste: er sproßt als Blume auf, aber aus der Wurzel Jesse. Schon Adam erblickte sie in der Ferne als die Zertreterin des Kopfes der Schlange und trocknete bei ihrem Anblick die Tränen über den Fluch, der ihn getroffen. An sie dachte Noe in der rettenden Arche und Abraham, als ihm Einhalt getan wurde, den Sohn zu opfern. Als die Leiter, auf welcher die Engel auf- und abstiegen, erschaute sie Jakob; Moses erkannte sie in dem brennenden und nicht verbrennenden Dornbusch; David begrüßte sie, als er beim Einzug der Arche sang und tanzte; Elias endlich gewahrte sie in der Wolke, die aus dem Meere stieg. Kurz, das Endziel des Gesetzes und die Wahrheit in den Vorbildern und Prophezeiungen finden wir, nach Christus, sicher in Maria. || Wahrlich, niemand, der bedenkt, daß die Jungfrau die einzige aus allen es gewesen, mit welcher Jesus, wie ein Sohn mit seiner Mutter, dreißig Jahre lang häuslichen Umgang pflegte, und durch die innigste Lebensgemeinschaft verbunden war, kann daran zweifeln, daß sie, und niemand wie sie, uns den Zugang zur Kenntnis Christi zu eröffnen

vermag. Wer erfaßte tiefer als sie, die Mutter, das Geheimnis der Geburt und der Kindheit Christi, vor allem das Geheimnis der Menschwerdung, das der Anfang und das Fundament des Glaubens ist? Sie bewahrte und überdachte nicht bloß in ihrem Herzen die Geschehnisse in Bethlehem und im Tempel zu Jerusalem bei der Darbringung, sondern, ganz eingeweiht in die geheimen Gedanken und Absichten Christi, lebte sie wirklich das Leben ihres Sohnes. Niemand wie sie hat Christus erkannt, und deshalb ist sie auch wie niemand anders die rechte Wegweiserin und die Führerin zu Christus. || Deshalb besitzt auch, wie Wir schon angedeutet haben, niemand mehr Macht, die Menschen mit Christus zu vereinigen, denn diese Jungfrau. Nach Christi Wort ist dies das ewige Leben, daß sie dich kennen den einzigen wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesus Christus (Joh. XVII, 3). Da wir aber durch Maria zur lebenspendenden Kenntnis Christi gelangen, so werden wir auch um so leichter durch sie das Leben gewinnen, dessen Quelle und Beginn eben Christus ist. Wie werden wir aber erst in dieser Hoffnung bestärkt, wenn wir überdenken, wie viele mächtige Gründe für Maria selbst bestehen, uns diese Gnaden zu vermitteln! || Oder ist Maria nicht die Mutter Christi? Dann ist sie aber auch unsere Mutter. Das ist als Grundwahrheit von jedem festzuhalten: Jesus, das menschgewordene Wort, ist der Erlöser des Menschengeschlechtes. Wenn er nun als Gottmensch wie alle anderen Menschen einen greifbaren Leib angenommen, so hat er als Erlöser unseres Geschlechtes ebenso einen geistigen, mystischen Leib gewonnen; und dieser mystische Leib ist die Gemeinschaft derer, die an Christus glauben. ,,Wir, die Vielen, sind ein Leib in Christus" (Rom. XII, 5). Nun aber hat die Jungfrau den ewigen Sohn Gottes nicht bloß empfangen, damit er, infolge der angenommenen Menschennatur, Mensch sei, sondern auf daß er, durch die Annahme dieser Menschennatur aus ihr, der Erlöser der Menschen würde. Deshalb sagte der Engel den Hirten: Es ist euch heute geboren der Erlöser, welcher Christus ist, der Herr (Luc. 11, 11). In einem und demselben Schoße der reinsten Mutter hat er Fleisch angenommen und sich zugleich einen geistigen Leib zugelegt, der aus denen besteht, die an ihn glauben würden. So kann man mit Recht sagen: Maria trug, als sie in ihrem Schoß den Erlöser umschloß, in demselben auch alle die, deren Leben in dem Leben des Erlösers eingeschlossen war. Alle also, so viele wir mit Christus vereinigt und, nach den Worten des Apostels, Glieder seines Leibes, von seinem Fleisch und von seinen Gebeinen (Ephes. V, 30) sind, wir alle sind gleichsam aus dem Schoße Marias herausgetreten als ein Leib, der mit dem Haupte vereinigt ist. Somit heißen wir geistiger und mystischer Weise mit

Recht Kinder Marias, und sie ist unser aller Mutter: freilich Mutter dem Geiste nach, aber doch durchaus Mutter der Glieder Christi, die wir sind. (S. Aug., L. de S. Virginitate, c. 6.) Die allerheiligste Jungfrau ist also Mutter Gottes und Mutter der Menschen. Ohne Zweifel wird sie deshalb alles aufbieten, damit Christus, das Haupt des Leibes der Kirche, (Koloss. I, 18) uns als seinen Gliedern alle seine Gnadenschätze einflöße, vor allem, damit wir ihn kennen lernen und durch ihn leben (1. Joan. IV, 9). Zum Lobpreis der heiligen Gottesgebärerin gehört also nicht bloß, daß sie den eingebornen Sohn Gottes, der mit menschlichen Gliedern geboren werden sollte, einen Teil ihres Fleisches bot (S. Bed. Ven., L. 4, in Luc. IX), um aus demselben ein Opfer zu bereiten für das Heil der Menschen, sondern daß sie das Amt übernahm, dieses Opferlamm zu beschützen, zu ernähren, ja zu seiner Zeit zum Opferaltar zu bringen. So bestand also zwischen dem Sohn und der Mutter eine nimmer unterbrochene Gemeinschaft des Lebens und der Leiden, und von beiden gilt das Wort des Propheten: Mein Leben verging in Schmerz und meine Jahre in Seufzer (Ps. XXX, 11). Als nun das Lebensende ihres Sohnes herankam, stand neben dem Kreuze Jesu sie, seine Mutter, und zwar nicht wie betäubt und schmerzverloren in dem Anblick des gräßlichen Schauspiels, sondern dem Geiste nach freudig bewegt, daß ihr Eingeborener für das Heil des Menschengeschlechtes zum Opfer dargebracht wurde; ja sie selbst litt mit solch lebhafter Teilnahme, daß sie, wenn dies tunlich gewesen wäre, alle Marter ihres Sohnes von Herzen gern für uns gelitten hätte. (S. Bonav. I, Sent. d. 48 ad litt. dub. 4.) Durch diese Teilnahme an den Leiden und der Liebe Christi verdiente Maria, daß auch sie mit Recht die Wiederherstellerin der verlorenen Menschenwelt wurde (Eadmeri Mon. De Excellentia Virg. Mariae, c. 9), und deshalb auch zur Ausspenderin aller Gnadenschätze, die Christus durch seinen Tod und sein Blut erkaufte, eingesetzt ward. || Damit wollen wir nicht gesagt haben, daß die Verleihung dieser Gnaden nicht eigentlich und rechtmäßig Christus zustehe, er ausschließlich hat durch seinen Tod die Gnaden uns erworben, und er ist von Amts wegen Mittler zwischen Gott und den Menschen. Aber infolge dieser Teilnahme der Mutter an den Leiden und Bedrängnissen des Sohnes, ist der hehren Jungfrau das Vorrecht geworden, daß sie bei ihrem eingeborenen Sohne nun die mächtige Mittlerin und Versöhnerin der ganzen Welt ist. (Pius IX. in der Bull. „Ineffabilis".) Christus ist die Quelle, aus deren Fülle wir alle erhalten. (Joh. I, 16), von ihm aus wird der ganze Leib zusammengefügt und zusammengehalten durch jedes Band der Dienstleistung und wird das Wachsen des Leibes bewerkstelligt zur Erbauung seiner selbst in Liebe

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