Imagini ale paginilor
PDF
ePub

Theophilus, ab, Bürgermeister zu Kamenz in der Oberlausit. Dieser erblickte, während des dreis ßigjährigen Krieges, 1647, das Licht der Welt, kam 1659 auf das damals sehr berühmte fürstliche Gymnasium zu Merseburg, und zeichnete sich durch Fleiß und gute Aufführung aus. Kurz vor seiner Beziehung der Universität zu Leipzig brannten seine Vaterstadt und seine Eltern ganz ab. Der Rektor des Merseburger Gymnasiums, Georg Möbius, verschaffte ihm durch Empfehlung bei den beiden Bürs germeistern einen Unterstüßungsgehalt (Stipendium) auf drei Jahre, freien Tisch und Wohnung bei dem Bürgermeister Wagner. Er unterrichtete die beis den jüngsten Söhne seines Wohlthäters mit so gro: ßer Geschicklichkeit, daß einer von ihnen schon im vierzehnten Jahre mit ausgezeichnetem Ruhme Ma gifter werden konnte.

Theophilus vollendete, merkwürdig genug für seine Zeit, seine philosophischen Studien mit einer Streitschrift (Disputation) de religionum tolerantia, nämlich aller Religionen. Ob sie je durch den Druck bekannt geworden, ist völlig ungewiß. Dieser Duldungsprediger erreichte ein hohes Alter. Er starb, als Bürgermeister zu Kâmenz, im einundachtzigsten Jahre seines Lebens, vielfach vers dient um seine Mitbürger. Der älteste Sohn aus einer zweiten Ehe, Johann Gottfried, geboren am 20. November 1693, wurde Gotthold Ephraim Lessing's Vater.

Johann Gottfried zeichnete fich frühzeitig durch ein starkes Gedächtniß und einen außerordentlichen Hang zum Geschichtsstudium aus. Später auf dem Gymnasium zu Görliß machte er in der Erlernung der lateinischen und griechischen Sprache so große Fortschritte, daß seine Lehrer ihn im neunzehnten Jahre seines Alters für fähig erklärten, auf die Universität Wittenberg zu gehen. Hier legte er sich, neben dem Studium der Philosophie und Theologie, auch auf die Erlernung der orientalischen, der französischen und englischen Sprachen, daneben erwarb er sich eine große Gewandtheit in gelehrten Streitübungen, und durch sie die Magisterwürde; auch, erhielt er einen Churfürstlichen Unterstüßungsgehalt. Dabei war sein Betragen anspruchslos, bieder und fittsam.

1716 ging er nach Dresden, sich bei dem Oberkonsistorium prüfen zu lassen, kehrte aber im folgenden Jahre nach Wittenberg zurück, und schrieb, weil in diesem Jahre die zweihundertjährige Feier der lutherischen Kirchenverbesserung einfiel Vindicias Reformationis Lutheri a nonnullis no-. vatorum praejudiciis. Nach Endigung dieser Schrift erhielt er den Ruf als Prediger und Katechet in feine Baterstadt: Er nahm ihn 1718 an, schrieb einen Katechismus, der zu den besten der damaligen Zeit gehörte, ließ den vernünftigen Unterricht der Jugend seine vornehmste Sorge sein; rückte aber auch mit seinen Zeitgenossen in den übrigen theolo

gischen Wissenschaften fort, und vermehrte vorziige lich seine Kenntniß der Geschichte. Er stand mit den damals angesehenften Theologen in Briefwechsel, machte aber nach ihrem Tode keine neue Bekanntschaft dieser Art. 1724 wurde er Dekanus, - 'und ́ 1733 erfter Prediger zu Kamenz. 1725 heirathete er die älteste Tochter seines Vorgängers, Feller, und erzeugte mit ihr zehn Söhnë und zwei Töchter. Vier Söhne und eine Tochter überlebten .ihn.

Johann Gottfried hätte gern, wenn fie Fähigkeit dazu gehabt, aus allen seinen Söhnen Gelehrte gemacht. Er opferte sich mit der Mutter, die wenigstens in dem ältesten gern einen Prediger zu sehen wünschte, für den Vorsak, fie alle auf die Hochschule zu schicken, mit fast unbegreifli= cher Verleugnung des Selbstgenusses auf, und ward, tros seines heftigen Temperaments', über sein küme merliches Leben nie ungeduldig. Er gab willig für seine Kinder hin, was er hatte, theilte sogar fremden Bedrängten mit. Kein Bettler wurde, ohne eine kleine Gabe, von seiner Thür abgewiesen.. Ges funden Körpers,` heitern und zufriedenen Gemüths, gelassen und standhaft erfüllte er so still, als eifrig, die Pflichten des Vaters, des Ehemannes und des Predigers, und fahe ganz anderen Belohnungen entgegen, als denen, wornach wir hier streben. Er starb 1770, im siebenundsiebzigsten Jahre seines Lebens und im dreiundfunfzigsten seines Amtes.

Sein Streben nach vollkommüern Einsichten und

einem daraus geleiteten Handeln machte ihn zu einein der aufgeklärtesten Theologen seiner Zeit. Erläuterte das Christenthum nach seiner Erkenntniß und überzeugung, und nahm, wenn es erkannte Wahrheit galt, keine Rücksicht. Sich zu verleugnen, war ihm unmöglich. Das beweisen seine Schriften, deren er eine große Anzahl in die gelehrte Welt ausgehen ließ. Er hinterließ eine in den lehten Jahren seines Lebens ausgearbeitete Handschrift, unter dem Bitel: Meine Gedanken über die vor funfzig Jahren von mir widerlegten sic beuzehn Vorurtheile, die man nach einem Zeitlaufe von zweihundert Jahren zum Nachtheile der Kirchenverbesserung auf die Bahn gebracht."

[ocr errors]

In dieser Schrift werden 22 Anklagepunkte ge= gen Luther widerlegt. Da sie aber nicht im Druck. erschien, kann man nicht beurtheilen, mit welchem Glücke, welcher Gründlichkeit und Gewandtheit er seinen Helden und die Kirchenverbesserung gerettet habe. Daß er aber kein gewöhnlicher Verfechter des Beschuldigten gewesen, läßt sich aus dem, was von seinem Geiste, seinem Charakter, seinem Freifinne mits getheilt worden, ohne alle Partheilichkeit für den Bas ter unfres großen Landsmannes, als gewiß erwarten.

2.

[Ein so die Wahrheit liebender und suchender, Lo unermüdet in Erkenntniß fortschreitender, das

Erlannte so freifinnig und ohne Menschenfurcht auss sprechender Vater durfte wohl hoffen, daß sein Geißt auf seine Söhne forterben würde, und er sahe seine Hoffnung in einem vorzüglichen Maaße an dem ältesten derselben erfüllt. über ihn kam sein Geist zweifältig, ja dreifältig. Man möchte fagen, daß er den noch höhern in dem Taufwaffer emrfing, das ihn zum Mitgliede des großen Gottesreiches weihte, von dem des Gewissens und der Ers kenntniß Freiheit ausging zur Erlösung von der Knechtschaft: so reich war sein ganzes Leben ́ an Thätigkeit für das Rechte, für Licht und Klarheit, so unanfhaltsam wirkend für des Bessern Verbreitung und Sieg. Er suchte nicht seine. Ehre, sondern die Ehre des Heiligsten in dem Menschen, der Bernunft, als Gottesgeschenkes, und des Menschen unbestreitbarsten Vorrechtes in allen Dingen, vor allem in der Erforschung des Göttlichen, in der Begründung der höchsten Ungelegenheit auf Erden, in der Religion. Diefen Funken in des Menschen Brust, der ihn allein mit der Geisterwelt verbrüdert, Lebendig zu er halten, war das immer regsame. Streben seines irdischen Daseins, und gewiß ist er unerschrocken, wiewohl demüthig, vor dem Todtenrichter erschienen, der Geist und Herz unbewölkt durchschaut, und der Sterblichen Handeln und Wirken mit gerechter Wage wägt.

Waren gleich die Wege, wie Vater und Sohn,

« ÎnapoiContinuă »