Imagini ale paginilor
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den Laokoon nicht schreien, ñur feufzeu. Nun wendet man sein Gesicht nicht mit Unlust von ihm ab, man verweilt, von dem füßen Gefühle des Mitleids gereizt, gern auf ihm.

Hieraus nun folgert Lessing: Da der Künstler, besonders der Maler, nur einen Augenblick und diesen nur in einem einzigen Gesichtspunkte brauchen kann; da seine Werke nicht bloß erblickt, sondern auch betrachtet und lange und wiederholt betrachtet werden sollen: so muß dieser Augenblick, dieser Gesichtspunkt der fruchtbarste sein, ein solcher, welcher der Einbildungskraft das meiste freie Spiel läßt. Biel sehen muß der Beschauer, noch mehr Hinzudenken, ja noch mehr hinzudenken können, als er zu sehen glaubt. Der Ausdruck der Leidenschaft aber auf der höchsten Staffel tritt der interessanten Geschäftigkeit unseres Geistes und unserer Phantasie in den Weg. Noch mehr, die Kunst giebt diesem einzigen Augenblicke eine unveränderliche Dauer, folg= lich kann nichts Vorübergehendes ihr Vorwurf sein. Der höchste Affekt ist ein solches Vorübergehendes. Den Ekel und die Unlust zu hindern, die aus dem beständigen Wiederanblicke entstehen, wird der weise Künstler nie das Äußerste erblicken, er wird es den Betrachter hinzudenken lassen. So unsere Phantasie thätig erhaltend, wird er nur immer neue Veranlassung geben, die dargestellte Scene uns auszudenken, auszugestalten.

Der Dichter hingegen, dem zur Nachahmung

Das ganze Reich der Bollkommenheit offen steht, be: wirkt unsere Theilnahme durch weit ediere Eigenschaften. Er hat es weniger mit dem Sinne unsere Gesichts zu thun, und nichts nöthigt ihn, sein Ge: mälde in einen einzigen Augenblick zusammen zu drängen. Darum kann auch der Laskoon des Bir gil schreien, ohne unsere Einbildungskraft zu beleidigen. Bei dem erzählenden Dichter geht dies Schreien vorüber und ist der rasche Ausdruck des körperlichen Schmerzes; dem dramatischen Dichter kommt dieser Freibrief nicht zu. Ein Anderes ist die Erzählung von Jemandes Geschrei, ein Anderes das Geschrei selbst. Dort glauben wir nur, schreien zu hören, hier hören wir's wirklich, Aber dieses wirkliche Hören beleidigt unser Ohr und unser Auge zugleich, indem wir den, welcher schreit, auch erblicken. Ein schreiender Laokoon auf der Bühne steht also mit der Kunst des Drama in gleichem Widerspruche.

Der für den Sinn des Gesichts arbeitende Künstler bedarf zur Versiunlichung der Götter, oder bloß dem Begriff abgezogener Wesen der sie bezeichnenden Andeutungen (Attribute); der Dichter hingegen kann keinen Gegenstand brauchen, der nur gesehen wird. Er darf nur sagen, wie diese Be: sen heißen, was sie thun. Er kann eutbehren, was jenem die Noth aufdringt.

Der Künstler malt, der Dichter malt, je ner mit Farben, dieser mit Worten. Das Leffing's W. 1. Sb.

Gebiet des Malers ist Raum, das Gebiet des Dichters Beitfolge. Bei jenem steht die Hands lung still und ihre verschiedenen Theile entwickeln sich neben einander im Raume; bei diesem schreis. tet sie fort und ihre verschiedenen Theile entfalten sich auf einander in der Folge der Zeit. Jene Kunst stellt Körper, diese Handlungen dat.

Da dem nun so ist, so gehört die Schilderung förperlicher Schönheit auch nur in das Gebiet der Malerei. Nur in ihren Darstellungen kann die übereinstimmende Wirkung mannigfaltiger Theile auf einmal übersehen werden. Sie liegen neben einander. Der Dichter hingegen, nur vermögend, die Elemente der Schönheit nach einander zu zeigen, muß sich der Schilderung der körperlichen Schönheit enthalten. Bergebens ist der Versuch, diese nachh einander geordneten Elemente in einen Überblick zus fammen zu drängen. Es geht über die Grenzen der menschlichen Einbildung, sich vorzustellen, wie die geschilderten Augen, die Nase, der Mund zu fammen aussehen. Nur durch ihre hervorgebrachte Wirkung vermag der Dichter uns körperliche Schönheit zu versînulichen, nur durch die Verwandlung der Schönheit in Reiz, der nichts anders, als die Schönheit in Bewegung ist. Des Maź lers Gestalten find Gestalten ohne Bewegung; diese kann er nur errathen lassen.

Ift nun Schilderung körperlicher Schönheit Erb- und Eigenthum des Malers, so widerspricht

die Schilderung körperlicher Häßlichkeit dem Zwecke seiner Kunst, die nur angenehme Empfindungen erregen soll. Sie beleidigt unser Gesicht, widerspricht unserm Geschmack an Ordnung und übereinstimmung, und erweckt Abscheut. Selbst das Bergnügen an der treuen Machahmung leidet Abbruch Durch die Überlegung, wie übel die Kunft angewendet worden. Bei dem Dichter wird die Einwirkung der Häßlichkeit durch die auf einander folgende Eczählung ihrer Elemente merklich gemildert, und bes schäftigt die Phantasie weniger; ihre Eindrücke find augenblicklich, da sie in der Malerei bleibend werden. Das eben macht sie für den Dichter brauchbar. Er mußt sie als Stoff gewiffer vers mischter Empfindungen, in Ermangelung rein angenehmer. Diese vermischten Empfindungen find das Lächerliche und Schreckliche. Das Lächerliche und Schreckliche kann das Ergebniß der Malerei nie auf lange werden. Zwar kann die unschädliche Häßlichkeit, besonders wenn ein Streben nach Reiz und Aysehn damit verbunden ist, auch im Gemälde zum Lachen reizen, und die schädliche Häßlichkeit, wie in der Natur, auch hier Schrecken erregen; aber sie kann aus obigen Gründen nicht lange diese Wirkung haben, da die -unangenehme Empfindung die Oberhand ge= winnt. Was in dem ersten Augenblicke in der un± schädlichen Häßlichkeit poffierlich war, wird in der Folge abscheulich, und in der schäd

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lichen Häßlichkeit bleibt, indem das Schreckliche sich nach und nach verliert, nur das Unförmliche unverändert zurück.

Was aber gebiert das unveränderlich Unförmliche anders, als nahe an Ekel grenzende Unlust, und was streitet mehr gegen den Zweck der Malerei? Eher ist die Nachahmung des Ekelhaften in der Poesie erlaubt, da der wörtliche Ausdruck das Elelhafte sehr mildert; da es durch den Gegenfäß, in den es mit Würde und Anstand gestellt wird, das Lächerliche vermehren kann. Selbst ein Mittel zur Erhöhung des Schrecklichen kann das Ekelhafte werden. Das Gräßliche ist nichts, als ein ekelhaftes Schreckliche; und dieses selbst in der Natur, wenn unser Mitleid dabei interessirt wird, gar keine unangenehme Empfindung. Ja, es giebt eine Art des Schrecklichen, zu dem der Dichter nur durch das Elelhafte kommen kann: das Schreckliche des Hungers.

Dies die Hauptumriffe der Sessingschen Uns tersuchung. Sie hand geistvolle Bestreiter, aber noch mehr unverständige. Die ersten gestanden ihre Zweis fel mit bescheidenem Freimuthe, mit würdigender Wchtung; die lesten fuhren hoch daher, hofmeister tex, prunkten mit ihrer aus den Schulheften zu sammengebettelten Weisheit, und befehdeten, was sie entweder nur halb, oder gar nicht verstanden hatten. Unter diesen war Kloß gleichsam der Rotteführer, ein Mann - nicht ohne Talent, Kenntniß

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