Imagini ale paginilor
PDF
ePub

184 Vierzehntes Kapitel. Verfahren beim Impeachment u. s. w.

führung der Gesetze dem Geiste derselben entgegen, so befindet sich nicht die Executive in Widerspruch mit der Legislative, sondern es liegt eine Meinungsverschiedenheit vor zwischen den mehrern Factoren, welche an der leztern betheiligt sind; der eine dieser Factoren interpretirt die Intentionen, welche man bei dem Erlasse eines Gesetzes im Auge gehabt habe, abweichend von einem andern Factor, welcher ebenfalls an jenem Erlasse mitgewirkt hat, und dessen Ansicht daraus erkannt werden kann, wie er, als gleichzeitiger Leiter der Executive, die Handhabung dieser geschehen läßt. Hier käme es nun darauf an, objectiv festzustellen, welches in Wahrheit diese Intention gewesen sei, welcher jener Factoren also gleichsam sich in mala fide oder Irrthum befinde? Diese Feststellung dürfte selbstverständlich keinem der Betheiligten, sondern müßte einem von diesen Factoren begrifflich verschiedenen Richter überlassen werden. Dieser könnte dann allerdings zweckentsprechend neben jener Vorfrage auch noch diejenige entscheiden, ob die beanspruchte Reaction einzutreten habe oder nicht?

So schlägt die Sache hier ins gerade Gegentheil um. Die Befugnisse, welche in Amerika der Legislative zustehen, müssen ihr hier gerade genommen werden. Was aber die Zulässigkeit und die materiellen Wirkungen des ganzen Verfahrens im übrigen betrifft, so könnten und müßten diese sich ganz ebenso gestalten, wie nach der Constitution von 1787; denn in dieser Beziehung können Unterschiede wie überhaupt, so auch zwischen der Union und der europäischen constitutionellen Monarchie nicht gedacht werden.

Vierter Abschnitt.

Die Competenz der Unionsregierung.

Funfzehntes Kapitel.
Allgemeines.

Die Constitution von 1787 bestimmt genau die Grenzen der Competenz, mit welcher die Unionsregierung, als die Centralgewalt eines zusammengefeßten Staates, gegenüber den Staatsregierungen, als den Particulargewalten desselben zusammengesezten Staates, ausgestattet ist; sie enthält zugleich, wie das oben im dritten Kapitel bereits angedeutet worden ist, gleich allen geschriebenen Grundgeseßen Angaben über die Art und Weise, in welcher diese ihre materielle Competenz ausgeübt werden solle. Beide Gesichtspunkte gehören naturgemäß zusammen und werden sich bei einer systematischen Betrachtung zweckentsprechend miteinander verbinden lassen, sodaß bei Aufzählung der einzelnen Befugnisse, welche der Unionsregierung zustehen, zugleich auseinandergesetzt wird, wie nach der formellen Seite hin davon Ge= brauch zu machen sei.

Ehe jedoch auf diese Einzelheiten eingegangen wird, sind einige allgemeine Angaben unerläßlich; die fraglichen Befugnisse der Unionsregierung sind nämlich, vom verfassungsrechtlichen Standpunkte aus betrachtet, durchaus nicht einander gleichartig, und andererseits enthält die Constitution Vorschriften, welche den Vereinigten Staaten, als solchen, offenbar Hoheitsrechte zuer

theilen, aber so gefaßt sind, daß es sehr zweifelhaft erscheint: worin der Inhalt jener Rechte eigentlich bestehe.

Was den ersten Punkt anlangt, so hat man zu unterscheiden zwischen solchen Befugnissen, welche die Unionsregierung ausüben muß und andern, welche sie ausüben kann. In Art. I, Sect. VIII wird die Competenz der Unionsregierung angegeben; in Sect. X dieses Artikels wird dann noch einmal in zwei Abschnitten auseinandergesetzt, was die Particularstaaten nicht thun dürfen; z. B. Sect. VIII (11) befagt: die Unionsregierung soll befugt sein, Kapereibriefe auszugeben, Sect. X (1) wiederholt dann: kein Particularstaat foll Kapereibriefe ausgeben. An fich ist der zweite Satz ganz überflüssig, denn es versteht sich ganz von selbst, daß kein Particularstaat sich mit Angelegenheiten zu befassen hat, deren Leitung ausdrücklich als Sache der Unionsregierung bezeichnet wird. Auffallend aber muß es, schon bei oberflächlicher Betrachtung, erscheinen, daß die Negation der Sect. X sich mit der Position der Sect. VIII nicht vollkommen deckt, sondern nur einem Theile der lettern entspricht; und dieser Umstand führt dann von selbst auf den Weg, welchen man einzuschlagen hat, wenn man jene Wiederholung nicht für überflüssig ansehen will: Soweit die Sect. X die Particularstaaten geradezu von gewissen Hoheitsrechten ausschließt, können diese nur von der Unionsregierung geübt werden; mit Bezug auf alle andern in Sect. VIII hervorgehobenen Gegenständen steht ihr zwar ebenfalls die Regelung derselben zu, aber eine solche kann, unter Umständen, solange nämlich, als sie die Unionsregierung thatsächlich nicht bewirkt, auch von seiten der Einzelstaaten erfolgen.1 Die ganze Sache ist übrigens und zwar deshalb nicht mehr von großer Bedeutung, weil die Unionsregierung fast von der gesammten ihr zustehenden Competenz Gebrauch gemacht hat; doch ist das immerhin noch nicht durchweg geschehen. Nach Art. I, Sect. VIII, Abschn. 4 ist der Congreß unter anderm ermächtigt, ein einheitliches Concursgesetz für das ganze Gebiet der Vereinigten Staaten zu erlassen. 2

1 Vgl. Cooley,,,On the constitutional limitations", §. 18:,,On some other subjects... State laws may be valid until the power of Congress is exercised, when they become superseded either wholly or so far as they are found inconsistent."

2,,(The Congress shall have power) to establish... uniform laws on the subject of bankruptcies throughout the United States."

[ocr errors]

"

Ein solches ist jedoch jezt nur theilweise in Geltung, und jeder Particularstaat hat noch heutzutage sein eigenes Recht mit Bezug auf viele Fragen der Concursangelegenheiten. Wenn die Particularstaaten auf diese Weise in der Lage sind, Hoheitsrechte auszuüben, deren Wahrnehmung an sich der Unionsregierung zugesprochen ist, so wird dadurch nicht etwa eine „, eventuelle Competenz" der letztern begründet: ein solcher Begriff ist überhaupt ein Widerspruch in sich selbst. Jede Befugniß, welche dem Träger der Staatsgewalt als solchem gebührt, muß vielmehr von diesem bedingungslos geübt werden können; und wenn er insofern nicht in Thätigkeit tritt, so folgt daraus, um es kurz zu fassen, nichts anderes, als daß diejenigen Factoren, welche Zustände der fraglichen Art versorgen, d. h. im vorliegenden Falle die Particularstaaten, als Delegatare jenes anzusehen sind. Ueber den Begriff der staatsrechtlichen Delegation ist oben3 bereits das Nöthige gesagt worden; und daß derselbe hier in Anwendung zu bringen sei, wird ohne weiteres erkannt werden, wenn man bedenkt, daß alle Landesgesetze über Gegenstände, wie sie hier in Rede stehen, hinfällig werden, sobald es der Unionsregierung beliebt, andere Vorschriften an deren Stelle zu setzen. Soweit ist die Sache über jeden Zweifel erhaben; ein solcher kann nur mit Rücksicht auf eine andere Frage bestehen. Wie man später noch des Nähern ersehen wird, gebührt den Vereinigten Staaten, als solchen, die Justizhoheit in allen einzelnen Fällen, auf welche das von ihnen ausgehende materielle Recht Anwendung findet, und es erscheint daher bedenklich, ob ihnen diese Justizhoheit entgehe oder nicht, solange sie eben die Feststellung des materiellen Rechtes nicht selbst besorgen, sondern den Einzelstaaten überlassen. Erwägt man, daß die lettern hier nur zu denken sind als handelnd auf Grund einer ihnen von der Unionsregierung ertheilten Delegation, so müßte dieser, strenggenommen, trotzdem die Justizhoheit bleiben; andererseits kann man jedoch die fragliche Vorschrift der Constitution auch so auslegen, als ob diese die Ausübung der Justizhoheit von der besondern Voraussetzung abhängig mache, daß der Congreß das materielle Recht im Wege der Gesetzgebung geradezu selbst vorschreibe; allein diese Frage besißt jetzt gleichfalls kaum mehr eine praktische Wichtigkeit, da ja, wie bereits erwähnt worden ist, fast alle der Competenz des Congresses unterworfenen

3 Vgl. Kap. 4 am Anfang.

Gegenstände von seiten derselben eine eingehende Regelung erfahren haben.

Der andere Punkt, welcher oben angedeutet wurde, bietet ungleich mehr Schwierigkeiten. Die Constitution enthält eine Anzahl von Bestimmungen, welche sich an die Regierungen der Einzelstaaten wenden und diesen formelle Vorschriften darüber ertheilen, wie sie, bei Ausübung der ihnen zustehenden Souveränetätsrechte, zu verfahren haben; so sagt z. B. Art. I, Sect. X (1):,,Kein Staat soll Gesetze mit rückwirkender Kraft erlassen." An sich würde ein Verstoß gegen diesen Grundsatz schon dann begrifflich ausgeschlossen sein, wenn der lettere in alle Staatsverfassungen Aufnahme fände; in die. Constitution geseßt, trägt er aber, wie alles, was in diesem Instrumente steht, die Adresse der Unionsregierung; welche Vorschriften hierher zu rechnen seien, wird an anderer Stelle noch genauer besprochen werden; soviel steht jedoch fest, daß sie alle der Unionsregierung eine bestimmte Verpflichtung auferlegen, und zwar die, eine Verlegung der fraglichen Grundfäße durch die Einzelstaaten zu „verhindern“. Die Sache ist noch selten zum Gegenstande eingehender Betrachtung erhoben worden, obgleich sich an sie Zweifel der mannichfachsten Art ansehen müssen.

Vielfach glaubt man, ein derartiges Verhältniß durch Erwägungen rechtfertigen zu können, denen ein gewisser praktischer Inhalt allerdings nicht abzusprechen ist. Sobald bestimmte Grundfäße sich lediglich, wenn auch gleichzeitig, in allen Staatsverfassungen wiederholt finden, wäre eine Aufhebung oder Aenderung dieser Grundfäße oder einzelner unter ihnen durch die Particularregierungen möglich; und doch könnte dadurch nicht nur der bezügliche Einzelstaat, sondern der Organismus des ganzen zusammengeseßten Staates, als solcher, in empfindlicher und unzulässiger Weise berührt werden. Allein das ist ein Mangel, der im Grunde nur beseitigt werden kann, wenn man jenes Mittel anwendet, auf das schon oft hingewiesen worden ist, den zusammengesetzten Staat überhaupt zu beseitigen, d. h. entweder zu einem Einheitsstaate zusammenzuschweißen oder in alle seine Bestandtheile aufzulösen. Wenn man dagegen versucht, demselben in der Weise zu begegnen, welchen die Constitution von 1787 zuerst ausfindig machte, so wird damit ein anderer Uebelstand zu Tage gefördert, . welcher vielleicht nicht beständig fühlbar ist, der aber doch des Bedenklichen genug bietet. Man stelle sich die Wirkungen des jetzt bestehendes Zustandes vor: in der Regel wird gesagt, daß

« ÎnapoiContinuă »