Imagini ale paginilor
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zessin einen verdorrten Zweig überreicht, dessen Spitze nur im grünen Schmucke prangt.1) Diese kurze Andeutung über den Helden ist nicht wohl zu entbehren, um den logischen Zusammenhang der Gruppe bei der höchst knappen Diktion der sprachlichen Beiträge um so mehr zu würdigen. Denn läßt man die sechs Devisen und deren Träger nach der sinnigen Anordnung des Dichters Revue passieren, so soll sicherlich der Werth des Mannes an dem Wahlspruche erkennbar sein, und in diesem sollen Wesen und Charakter sich möglichst enthüllen. Es ist daher Seitens des Dichters sicherlich nicht ohne Absicht verfahren worden, wenn die vollständige Namenliste Jener mangelt, die sich hier nicht an einem bloßen Waffenspiele, sondern mehr noch an einem intellektuellen Wettkampfe betheiligen. Diese scheinbare Lücke wird noch dadurch ergänzt, daß Shakespeare, wie schon angedeutet, die gnomistischen Beiträge derartig mit einer lichtvollen Symbolik zu umringen weiß, daß sich hieraus auf die Bewerber selbst ganz bestimmte Schlaglichter ergießen, wodurch sogar die stummen Figuren unter der Hand des Dichters mit der Beredtsamkeit der von ihm gewählten Devisen als lebensvolle Gestalten erscheinen. So nur vermochte sich die den Ausschlag gebende Schale dahin zu senken, wo Geist und Gemüth der Prinzessin naturgemäß den Schwerpunkt finden sollten. Ueber die effektvolle Devise des ersten Ritters, dem die Erscheinung der Geliebten schon als Leben gilt; über die Demuth des zweiten, dem Ergebung und Sanftmuth allein als Mittel zum Ziele erscheinen; über den Stolz des dritten, der in der Minne Preis nur Ruhmesglanz erblickt; über die Resignation des vierten, den selbst die Schönheit mit Bangigkeit erfüllt; über die Sicherheit des fünften, der mit dem Gelöbniß der Treue obzusiegen glaubt: über sie Alle soll die anspruchslose Bescheidenheit des Unbekannten die Palme davontragen. Denn Pericles allein lebt der Hoffnung, und jeden Prunk vermeintlicher Größe hinter sich lassend, und nur das zur Schau tragend, was er in der That zu bieten vermag, will er die Verwirklichung seines Ideals in Symbol und Wahlspruch auch nur andeutend berühren.

Nach dieser inhaltlichen Ueberschau der Gruppe kann es wohl keinem Zweifel unterliegen, daß der Dichter mit Vorbedacht die Anführungsform für jede einzelne Devise bestimmte, und daß er wohl zu unterscheiden wußte, wo er word oder motto zur näheren

1) Im Texte: A wither'd branch, that 's only green at top.

Bezeichnung zu wählen habe, um jenen statistischen Figuren mit Hilfe der von ihnen vertretenen Spruchweisheit Leben und Bewegung einzuhauchen, und sie so an dem Fortgange der dramatischen Handlung trotz der scheinbar nebensächlichen Verwendung zu einem Schaugepränge dennoch theilnehmen zu lassen. Beabsichtigte somit der Dichter, mit jedem Spruch auch den Charakter Desjenigen zu kennzeichnen, der ihn als Devise führte, so mußte er auch Licht und Schatten je nach dem Inhalte des Wahlspruchs vertheilen, was nicht sicherer geschehen konnte als durch den gleichsam kategorisch gebotenen Unterschied jener beiden Anführungsformen.') Während wir daher die mit Motto bezeichneten Devisen als glänzende Splitter sprichwörtlicher Gnomik betrachten dürfen, die durch distinguierte Anspielungen den volksthümlichen Gedanken leicht erkennbar machen, sind die mit Word versehenen Aussprüche nicht viel mehr als Wunsch- oder Betheuerungsformeln, die zwar durch rein persönliche Beziehungen den Anspruch eines Wahlspruchs erheben, den ethischen Werth eines allgemeinen Gedankens aber nicht geltend machen dürfen.

An die substantivischen Anführungsformen für die Sprichwörtlichkeit reihen wir die interjektierenden Merkzeichen an.

Bekanntlich haben alle Sprachen ein größeres oder geringeres Material von Formeln aufzuweisen, die dazu bestimmt erscheinen, gewisse Gedanken, Bilder und Aussprüche als dem Volksmunde entstammt, oder als der Volksthümlichkeit zugehörend, durch imperative oder interjektierende Formeln erkennbar zu machen. Sie begleiten demnach Aussprüche von allgemeiner Gültigkeit, wie sie die Empfindung des Augenblicks dem Allerweltsverstande in einer bestimmten Absicht zu entlehnen pflegt, so daß sie dann leicht als Mahnung oder Warnung, als Ausruf oder Betheuerung, als Einwurf oder Abweisung je nach der individuellen Anschauung des Dichters verwendet werden. Sie sind um so wichtiger, als wir ihnen auch

1) Shakespeare fand sicherlich die gleichzeitige Verwendung von Motto und Word als Anführungsform nationaler Devisen bereits in der alten Tragödie Soliman and Perseda vor (cf. Th. Hawkins, The Origin of the English Drama, Oxford 1773, Vol. II, S. 204 ff. nach der Edition von 1599); allein die verschiedenartige Verwendung und die durchaus abweichende Behandlungsweise ihrer logischen Stellung wir müssen uns hier auf diese Notiz allein beschränken ist aus eigener Initiative hervorgegangen.

bei dem epischen Sprichwort1) und sprichwörtlichen Apolog2) unter durchaus verschiedenartigen Gesichtspunkten begegnen. Je nach der Einkleidung des volksthümlichen Bildes oder Gedankens muß demnach die Wirkung sein; je nach ihrer sprachlichen Gewandung soll mindestens irgend eine Wirkung beabsichtigt werden; je nach der einführenden Formel wird daher auch der Nachdruck bestimmt werden müssen, mit dem der Sprechende oder Schreibende auf den Zuhörer zu wirken gedenkt. Der Form nach aber stimmen all die verschiedenen Modulationen dieser Gattung logischer Merkzeichen darin überein, daß sie als Anführungsformen für die Sprichwörtlichkeit entweder die Imperativ form oder die Interjektion aufzuweisen haben. Wir heben aus der ansehnlichen Menge derselben nur diejenigen einer Mahnung: Take heed3), Out with it boldly1); einer Betheuerung: I pray God"); eines Ausrufes: 0 wonder

1) Beispiel 1 K. Henry IV. II, 1: At hand, quoth pick-purse,,Bei der Hand, sagt der Beutelschneider". Flink, rief der Dieb, als er ertappt wurde. Hurtig, sagte der Müllerbursche zum Bauer. Derartige sprichwörtliche Ausrufe, die, bei einer gewissen Gelegenheit entstanden, vom Volksınunde fortan zu einem bestimmten Zwecke geäußert werden, bilden die Basis dieser Gattung von Parömien, die namentlich den germanischen Sprachen eigenthümlich sind.

2) Measure for Measure V, 1: Like doth quit like. Diese und ähnliche Varianten, wie Like to like oder Like will to like, riefen frühzeitig sprichwörtliche Erweiterungen meist drastischen Sinnes im Volksmunde hervor: Like will to like, quoth the devil to the collier Gleich und Gleich gesellt sich gern, sprach der Teufel zum Köhler. Gleiches sucht und findet sich, meinte der Teufel zum Benediktiner. Derartige Apologe, meist in imperativer Form geäußert, in denen ein bekanntes Sprichwort die oben angedeutete Veranlassung zu vielseitiger Deutung darbot, waren so beliebt, daß Ulpian Fullwell 1568 unter obiger Devise sein bekanntes Interlude schrieb (vgl. O. E. P. ed. Hazlitt 1874. Vol. III. Nr. 5), während ein anonym gebliebener Autor eine Schrift unter dem ähnlichen Titel Like to like, quoth the Devil to the Collier 1589 herausgab.

3) Sonnet 95: The hardest knife, ill-used, doth lose his edge. Par. Mißbrauch stumpft ab des schärfsten Messers Schneide. Auch das schärfste Messer wird stumpf, wenn es mißbraucht wird.

4) Vgl. im Texte Nr. 19.

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5) 1 K. Henry IV. III, 3: My girdle break! Par. Mein Gürtel soll mir platzen! Ich will auf der Stelle untergehn! Delius (I, S. 691, Note 92) erinnert an das Sprichwort Ungirt, unblest. Dasselbe findet sich zuerst in der sogenannten Tragikomödie The Witch of Edmonton, die W. Rowley, Ford und Dekker 1658 herausgaben, wahrscheinlich aber viel früher verfaßten. Mit antithetischer Verwendung heißt es dort (II, 1 Schlgw. Young Banks): Ungirt, unbless'd, says the proverb. But my girdle shall serve a riding knit: and a fig for all the witches in Christendom.

ful1). Let'); eines Einwurfs: What man3); einer Warnung: Ever note,1), O be remembered"); einer Abweisung: Tut, man®) hervor, indem wir auch hier einzelne Zitationen aus des Dichters Werken in die Noten verweisen, während wir ausführlichere Erörterungen mit analogen oder verwandten Sprachströmungen im Texte selbst behandeln.

19) C. K. Henry VIII. III, 1.

T. Truth loves open dealing).
Par. Wahrheit ist schlicht und gerade.
Spr. Wahrheit liebt Offenheit.

Die Wahrheit liebt keine

Ausflüchte. Wahrheit mag keine Winkelzüge (Thür.).
Die Wahrheit macht's kurz.

Wahrheit macht kein

Federlesens (Thür.). Wahrheit macht keine langen Besemplungen (Thür.)). - Die Wahrheit verkriecht sich in kein Mauseloch. (Binder 3511).

1) K. Richard III. I, 2. Des alliterierenden Sprichworts: Devils don't tell truth bedient sich der Dichter zur rhetorischen Verwendung im obigen Sinne, wenn er Anna, die spätere Gattin Gloster's ausrufen läßt: O wonderful, when devils tell the truth,,0 Wunder, wenn ein Teufel Wahrheit spricht!" worauf Dieser gleichfalls mit sprichwörtlicher Anspielung Angels are not angry kastisch erwidert: More wonderful, when angels are so angry,,Mehr Wunder, wenn ein Engel zornig ist!"

2) Vgl. im Texte Nr. 20.

3) Vgl. im Texte Nr. 21.

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Ein zweites hierauf bezügliches Sprichwort,

durch die Anführungsformel kenntlich gemacht, lautet dort: Easy it is of a cut loaf to steal a shive,,Von angeschnittnem Brode ist leicht ein Stück zu stehlen“ (Wan. I 477, 234).

*) Julius Caesar IV, 2: When love begins to sicken and decay, it useth an enforced ceremony. Par.: Wenn Lieb erkrankt und schwindet, nimmt sie gezwungne Höflichkeiten an. Spr.: Ist die Liebe erkaltet, tritt Höflichkeit an ihre Stelle. Wenn die Liebe einmal den Rücken wendet, kommt sie schwer wieder zurück. (Wan. III. 160, 732).

5) Vgl. im Texte Nr. 22.

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) Romeo and Juliet I, 2. One fire burns out another's burning. Par.: Ein Feuer brennt das andere nieder. Coriolanus IV, 7: One fire drives out one fire. The fire that burneth, taketh the heat out of a burn (Bohn, H. of Pr. 504 Hazl., Engl. Prov. 368). Ein Feuer vertreibt das andere. Auch als sprichwörtliches Gleichniß gebräuchlich: Julius Caesar III, 1: As fire drives out fire; King John III, 1: As fire cools fire. Unter der gleichen Anführung vgl. im Texte Nr. 23.

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7) Sprachvergleichung s. im 19. Jahresbericht, S. 26.

*) Die gleiche Wendung des sprichwörtlichen Gedankens findet sich auch in

Jahrbuch XXIII.

5

A.

E.

Out with it boldly! Nur dreist heraus damit.

Truth loves open dealing (V.). Truth's best ornament is nakedness (Hazl., Engl. Pr. 441). Truth seeks no corners (Bohn, H. of Pr. 547).

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„Nur dreist heraus damit", ruft Katharina von Aragonien mit sprichwörtlichem Anfluge dem schlauen Kardinal Wolsey zu und schleudert ihm die daran geknüpfte Sentenz entgegen, um zu verhindern, daß ihr die bedrohliche Botschaft des Königs in lateinischer Sprache übermittelt werde. Offenkundig und klar will sie ihr Schicksal in der Landessprache vernehmen, obgleich sie ahnt, daß ihre Mahnung eine vergebliche sein werde. Unsres Wissens begegnen wir nochmals einem Gedanken ähnlichen Sinnes, aber in antithetischer Fassung in King John IV, 3: Whose tongue soever speaks false, not truly speaks,,Weß Zunge fälschlich (trüglich) spricht, der spricht nicht wahr". Mit der Anführungsform 't is known führt auch Marston (What You Will V, 1 1607) das lateinische Sprichwort an: Veritas non quaerit angulos, das er zugleich mit Bezug auf die von ihm hervorgehobene Anspielung in seiner kritisch-sarkastischen Weise in einer zeitgemäßen Anschauung über eine bestimmte und häufig Ursache des Spottes gewordene Landessitte in die eigene Muttersprache überträgt, wenn es dort heißt: Truth seeks not to lurk under farthingales Wahrheit versucht es nicht, sich hinter Reifröcken zu verkriechen". Wahrlich, eine angemessene Metapher jener Zeit, um Winkelzüge und Umschweife gegen die Wahrheit unter dieser Umhüllung zu zeigen. Schon Wheatstone, dessen Promos and Cassandra bekanntlich zu den von Shakespeare benützten älteren Dramen gehört'), zitiert das lateinische Sprichwort, das wahrscheinlich der Latinität des Mittelalters angehört.

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20) C. Hamlet, Prince of Denmark III, 2.

T. The galled jade winces2).

Par. Der Aussätzige mag sich jucken.

Spr. Ein wundes Pferd schlägt vorn und hinten aus.

Ein

dem antithetisch veranlagten englischen Volksworte: Truth needs not many words; but a false tale a large preamble (Hazl., Engl. Pr. 440).

1) Sprachvergleichung s. a. a. O. S. 27.

2) Nichols hat diese Gruppe von Dramen als Foundation Plays of Shakespeare in seinen Six Old Plays (1779) gesammelt und herausgegeben.

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