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und seinem fürstlichen Protektor und Freund mit unbegrenzter Liebe und Verehrung gelohnt, wofür ihn dieser wieder mit Anerkennung und Ehren überhäufte.

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Als Loën am 17. Oktober 1867 sein Amt in Weimar antrat, warteten seiner nicht bloß die Schwierigkeiten, die jeder Uebergang aus der Sphäre dilettantischen Interesses in das Gebiet der praktischen Lösung ideeller Aufgaben mit sich bringt, sondern er übernahm auch speziell von Dingelstedt eine ominöse Erbschaft. Abgesehen von der gänzlichen Vernachlässigung der Oper, stand auch das Schauspiel keineswegs auf der Höhe der Leistungen, welche der Nimbus des Dingelstedt'schen Namens vermuthen ließ. Mit den sensationellen Kraftleistungen vereinzelter Produktionen, womit der geniale Vorgänger Loën's Deutschland von Zeit zu Zeit überraschte und blendete die Shakespeare'schen Königsdramen bildeten hierbei den Höhepunkt seiner Leistung und seines Verdienstes stand die durchschnittliche Kunstleistung der Weimarischen Bühne keineswegs im Einklang. Was nicht Aufsehen zu erregen geeignet war, interessierte Dingelstedt wenig oder gar nicht; die regelmäßigen Aufgaben des Tages überließ er untergeordneten Kräften. Hierin liegt der erste Gegensatz zwischen ihm und Loën, dessen Ehrgeiz edlerer Natur war. Wenn auch jedes Kunstinstitut seine individuellen, von Ort, Zeit und Tradition beherrschten Richtungen zu verfolgen hat für Weimar ist dies die klassische deutsche Dichtung so verstand doch Loën seine Aufgabe dahin, daß er die gesammte Kunstleistung seiner Bühne in Schauspiel und Oper auf das Niveau der Klassizität zu bringen habe. Und wenn er auch auf seinen Göthe-Zyklus, seine FaustAufführungen u. s. w. besondere Aufmerksamkeit verwandte und ihm auch bei solchen Gelegenheiten das kunstgebildete Deutschland zuströmte, so waren dies gleichsam nur die normalen Prüfungstage seines Instituts, keine Vorführungen von auf das öffentliche Examen dressierten Eleven. Loën wandte seine gewissenhafte Aufmerksamkeit, sein werkthätiges Eingreifen ebenso gut dem Einakter, wie der klassischen Tragödie, ebenso wohl dem Singspiel, wie der größten Oper zu, Drama und Musik gleichzeitig pflegend und der Regie bis in die kleinsten Details seine Aufmerksamkeit widmend. Er war, mit einem Wort, unermüdlich bei der Arbeit, mochte es sich um Kleines oder Großes handeln. Und dabei bewies er ein seltenes praktisches Geschick, sich innerhalb der Grenzen des Ausführbaren und innerhalb der disponibeln Mittel zu halten, auch diese Mittel

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selbst zu mehren, überhaupt nicht bloß die ideale, sondern auch die materielle Grundlage seines Instituts zu festigen und mit beschränkten Mitteln das Höchstmögliche zu leisten. Vor allem aber ließ er sich durch das Mechanische und Technische des Alltagsdienstes nicht in dem Kultus des Idealen beirren. Sein Realismus, diese Klippe, an der so manche Bühnenleiter geistig Schiffbruch leiden, blieb stets im Dienste der Idee. Nicht die Freude an gelungenen realistischen Kunststückchen, sondern die ideelle Befriedigung war sein Lebenselement. Und dieses wahre und reine Kunstgefühl pflegte er auch in seiner Umgebung und wirkte hierdurch mächtig auf das Kunstverständniß der Hörer, das in seiner Wechselwirkung wiederum anregend auf ihn zurückströmte. Er hatte eine unglaubliche Freudigkeit des Schaffens, die kein vereinzelter Mißerfolg, keine unerfüllt gebliebene Erwartung trüben konnten; er wurde so wenig müde, wie er Müdigkeit affektierte. Nichts lag ihm ferner als Blasiertheit. Sein Repertoire in Schauspiel und Oper war das vielseitigste vielleicht von allen deutschen Bühnen; nur die absoluten Gegensätze der Weimarischen Kunstrichtung, das französische Ehebruchsdrama und verwandte Richtungen, fanden keinen Eingang. Weit entfernt von aller Prüderie oder aszetischer Heuchelei betrachtete Loën gleichwohl sein Institut als eine höheren Zwecken dienstbare Bildungsanstalt, deren Boden er nicht entweihen ließ. Seine Bühne war der Inbegriff seines Ehrgeizes. Und so wuchs er, in unausgesetzter Arbeit und scharfer Beobachtung, allmählich vom Dilettanten zum wahrhaft kunstverständigen Bühnenleiter heran, und unter den besten Namen ward bald auch seiner genannt.

Charakteristisch für ihn waren sein Interesse und seine unbefangene Würdigung neuer Erscheinungen auf künstlerischem Gebiet. Wie manchem Novizen hat Loën zuerst die Pforten des Kunsttempels geöffnet! Wir nennen hier von so vielen nur den einen Namen: Ernst von Wildenbruch, in dem seit Lessing's, Schiller's und Göthe's Tagen der Geist Shakespeare's wieder einmal seine Auferstehung gefeiert hat. Auch die gelegentlichen Mißerfolge in der Vorführung neuer Kräfte schreckten ihn nicht ab, diesen Weg zu verfolgen; sein Kunstsinn und seine Menschenfreundlichkeit wirkten hierbei zusammen. Im Ganzen aber verstand Loën die Gediegenheit sowie die Bühnen wirksamkeit neuer Erzeugnisse in der Regel schon im Voraus richtig zu würdigen, so daß er sein Theater, bei allem Entgegenkommen gegen junge Kräfte, doch nicht zum Tummelplatze fruchtloser Experimente hergab.

Wenn aber von seinem Gegensatze zu Dingelstedt bezüglich der gleichmäßigen Ausbildung der verschiedenen Kunstaufgaben die Rede war, so trat eine noch größere Verschiedenheit in den beiderseitigen Beziehungen zu ihrem Künstlerpersonal, zu den Dichtern, Komponisten und Schriftstellern hervor. Für Dingelstedt existierte überhaupt die schaffende Menschheit nur so weit und so lange sie ihm für seine, in letzter Instanz immer egoistisch auslaufenden Zwecke dienstbar war; die ausgepreßte Zitrone warf er regelmäßig weg. Ganz anders Loën. Es war ein seinem Charakter entspringendes Bedürfniß, die Anerkennung der individuellen Kunstleistung durch persönliches Wohlwollen zu verstärken und in dem Künstler auch die Person an sich zu fesseln. Daher stammte auch diese außerordentliche Anerkennung und Beliebtheit, deren er sich in der sonst so schwer zu behandelnden, so reizbaren Künstlerwelt zu erfreuen hatte. Man nannte ihn wohl den liebenswürdigsten der deutschen Intendanten", ein Epitheton, das sicherlich nicht auf alle Kollegen paßt, und auf das er stolz sein. konnte. Dabei war er eifersüchtig bemüht, die soziale Stellung seiner und der Künstler überhaupt gegen Beeinträchtigungen und insbesondere gegen malitiöse Klatscherei zu schützen und ihnen die gebührende Anerkennung zu verschaffen. Eine Kritik seiner Künstlerschaft regte ihn mehr auf als gegen ihn selbst gerichtete Angriffe. Wenn seine Künstler auswärts gastierten, war er stets bemüht, ihnen eine gute Aufnahme Seitens des Publikums und der Presse zu sichern, und ihre Erfolge freuten ihn wie seine eigenen. Ebenso wohlwollend und neidlos verfolgte er die Laufbahn der zahlreichen Künstler, welche sich unter seiner Leitung ausgebildet hatten und nun auf anderen Bühnen Lorbeeren ernteten.

Die Stellung Loën's in Weimar brachte es als selbstverständlich mit sich, daß er auch, über die spezielle Leitung der Hofbühne hinaus, den ihm von seinen kunstsinnigen Höchsten Herrschaften übertragenen und durch die Traditionen Weimar's bedingten Aufgaben auf anderen geistigen Gebieten gerecht werden mußte. Seine Arbeitskraft, sein Interesse an der Förderung aller geistigen Bestrebungen halfen ihm auch diese Aufgaben glänzend bewältigen. Außer seiner lokalen Vereinsthätigkeit legen seine unermüdliche Theilnahme an der Ausbildung und Leitung der Deutschen Shakespeare-, der Schiller- und Goethe-Gesellschaften in dieser Beziehung das glänzendste Zeugniß für ihn ab; seine hierauf bezügliche Thätig

keit hat bereits in dem schönen Nachruf im Goethe-Jahrbuch die gerechte Würdigung gefunden.

Loën's Bekanntschaften waren Legion. Sie umfaßten alle Fürsten- und Hofkreise, die höchsten Stellen der Diplomatie, des Militärs und Zivils, die Berühmtheiten aller Fächer der Kunst und Wissenschaft, der Literatur und Journalistik, vor Allem aber auch die Kreise der ausübenden Künstler und Bühnenleiter. Ein außerordentlich glückliches Gedächtniß und die in Hofkreisen so sehr gepflegte Aufmerksamkeit auf persönliche Beziehungen, unterstützten ihn höchst wirksam in der Pflege seines unglaublich ausgedehnten Bekanntenkreises und erwarben ihm zahllose Freunde, bei wenig Feinden und Neidern. Auch der oberflächlichsten Bekanntschaft wußte er den Stempel frischer, ungezwungener Theilnahme aufzudrücken.

Loën nahm an der Gründung der Deutschen ShakespeareGesellschaft, die nun bald ihr fünfundzwanzigjähriges Jubiläum feiert, lebhaften Antheil und gehörte von ihrem Beginne, dem 23. April 1864 an, zum Vorstande derselben. Von seiner Uebernahme der Intendantur ab wurde er, an Stelle Dingelstedt's, zum Vizepräsidenten und Vorsitzenden des geschäftsführenden Ausschusses gewählt, und 1884 folgte er Delius auf dem Präsidentensitz. Er war kein Shakespeare-Forscher oder -Gelehrter im eigentlichen Sinne des Worts. Allein der große Britte übte auch auf ihn jene magische Anziehungskraft, welche sich bei allen Naturen bewährt, die ein feines Verständniß für die Verbindung des Realen und Idealen besitzen, die Menschenkenntniß mit Kenntniß des Menschen vereinigen, die einen Caliban und auch eine Imogen zu würdigen verstehen. Mit großer Gewissenhaftigkeit und Liebe brachte Loën Shakespeare's Meisterwerke auf die Bühne; Weimar hatte unter ihm eines der reichhaltigsten Shakespeare-Repertoires in Deutschland. Auch versuchte er sich in eigenen Bearbeitungen Shakespeare'scher Stücke, z. B. des König Johann.

Den Autor dieses Nachrufs verband mit Loën eine fast dreißigjährige, und mit den Jahren stetig wachsende, innige Freundschaft. Ihr zwanzigjähriger unausgesetzter Briefwechsel zwischen Weimar und Dessau ward stets eingeleitet durch die beiderseitige herzliche Theilnahme an Familienereignissen, an persönlichen Leiden und Freuden. Dann aber sprangen Loën's Briefe, vom ersten an, den er mir bei Uebernahme der Intendantur, bis zum letzten, den er noch in der Woche vor seinem Tode und gegen den Willen des

Arztes schrieb, sofort auf den Schauplatz seiner Thätigkeit, auf das Arbeitsfeld seines Lebens über. Alle seine Pläne und Absichten, seine Täuschungen und Erfolge, alle Hoffnungen, die er auf die Vorführung neuer Dramen oder Kompositionen setzte oder an frisch gewonnene Kräfte knüpfte, kurz die ganze innere Geschichte seiner Bühne und ihrer Glieder legte er in erschöpfender Weise in diesen Briefen nieder, ohne daß je eine Ermattung eintrat, der letzte Brief noch so frisch und ausführlich und schaffensfreudig wie der erste.

In den letzten Zeiten kränkelte Loën; sie vereinigten uns fast jedes Jahr in Karlsbad, Gastein oder am schönen Rhein, körperlich und geistig Erholung suchend und findend. Wenige Tage vor der letzten Versammlung der Shakespeare-Gesellschaft, leidend noch an den Nachwehen einer Kopfrose, ging er nach Jena, um sich einer vermeintlich unbedeutenden Operation zu unterwerfen. Hier starb er am 28. April 1887, zu früh der edlen Gattin, den Kindern, den Freunden und der deutschen Kunst entrissen. Zahllose Leidtragende, darunter in erster Linie die Mitglieder des von ihm so treu geliebten Großherzoglichen Fürstenhauses, so manche Repräsentanten deutschen Geisteslebens aus Nah und Fern, vor Allem auch seine tieftrauernde Künstlerschaar, erwiesen ihm die letzte Ehre, ein Leichenzug, wie ihn Weimar kaum gesehen. Es war ein trüber Tag, an dem wir den stillen Mann hinaustrugen, und Thränen vom Himmel und aus Freundesaugen flossen auf sein Grab.

His heart and hand both open and both free;

For what he had he gave, what thought, he show'd.

Yet gave he not till judgment guided bounty,

Nor dignified an impair thought with breath.

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