Imagini ale paginilor
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Diese Uebereinstimmung kann unmöglich auf Zufall beruhen. Auch hier reicht also A für die Erklärung dessen, was in D steht, nicht aus.

Es bleiben somit mindestens drei Punkte in D übrig, welche eine andere Quelle als A gehabt haben müssen. Woher stammen sie? Sollen wir dieser drei Punkte wegen wirklich Cr.'s Y als unentbehrlich anerkennen?

Und wie stellt sich Cr. dieses Y vor? Er sagt (S. 31), daß die Annahme seines Y um so berechtigter erscheine, „,da fast alle Diejenigen, die sich bisher mit der Hamlettext-Frage beschäftigten, auch ganz ohne Rücksicht auf D durch die bloße Betrachtung von A und B auf ein solches Y als auf ein nothwendiges Postulat hingewiesen wurden." Allerdings sind wir dazu gelangt, einen Bühnentext von Sh.'s Hamlet anzunehmen; wir haben aber, wie ich (Transact. 1. c.) nachgewiesen, keinen Grund anzunehmen, daß dieser Bühnentext etwas Anderes gewesen sei als der Foliotext, wenn wir die zufälligen beim Druck entstandenen Auslassungen und Korruptionen und die willkürlichen pseudokritischen Aenderungen der Herausgeber Heminge und Condell in Abzug bringen.

Cr. (S. 38 f.) neigt persönlich zu dem Glauben, daß Y mit dem Bühnentext des Hamlet identisch sei und hat mir das auch in einer längeren Zuschrift, deren Mitbenutzung für diese Abhandlung er mir freundlichst gestattet hat, noch ausdrücklicher erklärt.

Nun unterliegt es aber keinem Zweifel, daß sich B und F resp. Y unendlich viel näher stehen als A und F (Y). (Vgl. Cr. S. 35 oben.) Ginge D auf F (Y) zurück, so müßte es mit diesem naturgemäß größere Aehnlichkeit haben als mit A, was nach dem Urtheil aller Kritiker nicht der Fall ist: vielmehr ist ja die Aehnlichkeit mit A so groß, daß Manche geglaubt haben, D ginge ausschließlich auf A zurück. Und ferner, wie sollten nun die in Deutschland reisenden englischen Komödianten zu ihrem angeblich auf Y zurückgehenden Hamlettext gelangt sein? Hatten sie eine getreue Abschrift des Y? Schwerlich; dann hätte D doch anders ausfallen müssen, als wir es jetzt besitzen. Besorgten sie sich selbständig auf räuberischem Wege das Gerippe des Sh.'schen Stückes, veranstalteten sie sozusagen ein A Nr. II? Das wäre an sich nicht undenkbar, aber wir sind glücklicherweise nicht zu solchen weitgehenden Hypothesen genöthigt. Die Annahme von Y führt, abgesehen von den eben erwähnten schwerwiegenden Folgerungen, auch noch zu anderen Schwierigkeiten. Cr. selber hat eine Reihe von

Uebereinstimmungen zwischen D und A aufgezählt. Freilich könnten sich dieselben meistens dadurch erklären, daß Y Alles enthielt, was die D A und D B Gruppen Cr.'s berühren. Aber, sagt Cr. (S. 36 f.) nicht selbst, daß wir uns keine Vorstellung davon zu machen vermögen,,,was den Dichter veranlaßt haben könnte, den in einer ersten Fassung vorhandenen Namen Corambus in Polonius umzuändern, noch auch, wie er, respektive die Schauspieler, dazu gekommen sein mögen, die umgekehrte Aenderung vorzunehmen"? Wir können darnach ebenfalls fragen: Woher stammt die sicherlich nicht zufällige Uebereinstimmung zwischen D und A in CorambusCorambis statt Polonius? Eine Hypothese, die über einen so wichtigen Punkt keine Aufklärung zu geben vermag, kann durchaus nicht als befriedigend anerkannt werden. Wir haben in den vorstehenden Betrachtungen aber noch einige andere Momente hervorgehoben, die auf A und nicht auf das dem authentischen Text so nahe stehende Y hinwiesen. Auch diese würden, falls man Cr.'s Y als Quelle für D annehmen wollte, zu Steinen des Anstoßes werden. Die drei über A hinausweisenden Bestandtheile von D bedürfen aber einer Erklärung, wenn man Y zurückweist, und es scheint, als ob Cr. selber (p. 39 ff.), wenn auch zunächst nur auf andere Theile von D bezüglich, den richtigen Weg gefunden habe. Er findet in Deinzelne charakteristische kleine Züge, die auf englische Tradition zurückzuweisen scheinen. Namentlich gilt dies von den Bühnenanweisungen, sowie von solchen Stellen des Dramas, welche Rückschlüsse auf die Inscenierung gestatten, vor allen Dingen da, wo die alten englischen Drucke uns mit ihren scenischen Andeutungen im Stiche lassen, und wir auf die von Ausgabe zu Ausgabe sich fortpflanzenden Bemerkungen der englischen Herausgeber des 18. Jahrhunderts angewiesen sind." Cr. giebt hierzu mehrere ganz einleuchtende Belege. Einer derselben freilich findet seine genügende Erklärung schon im A. In D sagt nämlich Hamlet zu seiner Mutter: „Pfui! Schämet Euch. Ihr habt fast auf einen Tag Begräbniß und Beylager gehalten. Aber still, sind alle Thüren fest verschlossen?" In B fehlt diese Frage, und Nichts deutet dort direkt darauf hin, daß Hamlet die Thüren verschließt. Wohl aber kann die entsprechende Stelle in A: Hamlet. I 'le tell you, but first weele make all safe, jene Frage in D III, 5 veranlaßt haben. — Immerhin bleibt die lebendige Tradition, von welcher Cr. oben spricht, einleuchtend und selbst wahrscheinlich, besonders wenn wir in Betracht ziehen, was Cohn in seinem trefflichen Werke dokumentell

erhärtet hat: die englischen Schauspielertruppen wechselten oft in Deutschland und ihre einzelnen Mitglieder wohl noch öfter. Wir haben nach Cohn sogar Grund zu glauben, daß Bühnenkollegen und Freunde Shakespeare's in Deutschland gewesen sind. Nun liegt nichts Unwahrscheinliches in der Annahme, daß manche der in Deutschland reisenden Schauspieler in London Shakespeare's Hamlet hatten aufführen sehen, wenn sie nicht gar selber bei der Aufführung mitgewirkt hatten. Konnte nicht der eine oder der andere der Komödianten Dies oder Jenes aus seiner Londoner Erinnerung in den in Deutschland aufgeführten Text einfügen? Was Cr.'s Nr. 3 (des Königs erste Rede) betrifft, so haben wir gesehen, daß der A-Text, falls er, wie wir nach wie vor glauben, die in Deutschland aufgeführte Fassung des Sh.'schen Stückes war, an jener Stelle eine kaum zu übersehende Lücke enthält, deren Ausfüllung im Falle einer Aufführung jenes Textes geradezu unabweislich nöthig war. Nr. 11 (Mein Kütschchen) bildete einen markanten Zug in den Wahnreden der Ophelia. Er imponierte damals offenbar so sehr, daß wir ihn in D sogar noch variiert finden, wo der sich wahnsinnig stellende Hamlet in einer bereits oben aus D angeführten Stelle sagt:

Laßt uns fahren nach Engeland,

Nehmt das Bötchen in die Hand, u. s. w.

Ein Zug also, den man für ein so packendes Zeichen des Wahnsinnes hielt, konnte sehr wohl in der Erinnerung eines Schauspielers haften geblieben, dadurch auf die englische Bühne in Deutschland und von dort in den deutschen Hamlet gelangt sein. Aehnlich mag es sich mit dem in D B vorkommenden, in A ganz fehlenden Namen Francisco, sowie mit dem oben besprochnen Spiegelvergleiche verhalten, wenn man dem letztern überhaupt so viel Bedeutung beimessen will.

Wenn man somit A nach wie vor für die Quelle des piratisch hergestellten D ansieht und die drei, höchstens vier auf eine andre Quelle hinweisenden Punkte sich auf die eben entwickelte Weise erklärt, so sind m. E. alle bedenklicheren Fragen gelöst, welche der,,Bestrafte Brudermord" in seinem Verhältniß zu Sh.'s Hamlet anzuregen vermag. Eine Benutzung des vollständigen Textes B, der, seit 1604 gedruckt, für Jedermann käuflich zu haben war, scheint ausgeschlossen. D hätte in solchem Falle entschiedenere Aehnlichkeit mit B gezeigt; und außerdem fanden die reisenden Schauspieler alles wirklich „,Bühnen wirksame", alles Zugkräftige in

A, ohne die für uns freilich unschätzbaren, für jene aber werthlosen Züge (vgl. Cr. S. 31 oben), die eben B im Gegensatze zu dem verstümmelten und entstellten A als Sh.'s Werk kennzeichnen. Auch eine spätere Kontamination von A und B will uns nicht annehmbar erscheinen: denn auch in solchem Falle hätte sich in den deutschen Hamlet mehr Shakespearesches verirren müssen, als wir in der That finden. Am wahrscheinlichsten bleibt immer die Annahme, daß die verschwindend wenigen auf B hinweisenden Punkte durch die lebendige schauspielerische Tradition in das im Uebrigen auf A beruhende deutsche Machwerk gelangt seien.

Gastmähler und Mahlzeiten in Shakespeare's

England.

Von

Th. Vatke.

Bis is in das vierzehnte Jahrhundert hinein scheint es allgemein gewesen zu sein, daß Herren und Knechte gemeinsam, wie beim Freiherrn von Attinghausen in Schiller's Tell, die Mahlzeiten in der großen „Halle" einnahmen: mit großer Strenge indeß wurde die Rangordnung bei Wahl der Plätze am Tische aufrecht erhalten: Why are we set here with distinction else, Degrees and orders given us?

Streets and walls,

And upper ends of tables, had they tongues,

Could tell what blood has follow'd, and what feud,

About your ranks.

(Beaumont and Fletcher, Wit Without Money III, 1.) Das Gesinde saß naturgemäß am untern Ende der Tafel.1) Im 14. Jahrhundert aber ward diese alte Gewohnheit mehr und mehr verlassen:

Piers the Ploughman denounces the growing practice of dining in „privy parlors with chimneys", as an indication of the effeminate luxury of the age. (Vgl. Vatke, Culturbilder, S. 15.) Wie aber die alte ,,Halle" nur gepflastert, nicht gedielt war, so sind es auch noch die Wohn- und Speisezimmer des 17. Jahrhunderts, des Shakespeareschen Englands, gewesen. Um so nothwen

1) Bei der gemeinsamen Morgenmahlzeit, nach Beendigung der Messe, saßen dann am Ende des Tisches die Spielleute, dem Hauskaplane gegenüber: Zende an sînes tisches ort

Sâzen sine spilman,

Und anderhalp sîn kappelân.

Vgl. Fr. Vogt, Die Spielleute im Mittelalter.

(Parzival 33, 16.)

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