Imagini ale paginilor
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Dund A zu wenig Bedeutung beilegt. Er sagt: „In A sind an dieser Stelle die Scenen in nachfolgender Weise geordnet: zuerst das Gespräch zwischen Polonius und dem Königspaare 755 ff., dann Hamlet's Monolog und sein Gespräch mit Ophelia, und hierauf erst das Gespräch zwischen Hamlet und Polonius. Dagegen folgt in B auf das Gespräch zwischen Polonius und dem Königspaare (II, 2) sogleich das Gespräch zwischen Hamlet und Polonius, und erst später (III, 1) Hamlet's Monolog und sein Gespräch mit Ophelia. Wenn nun A und D darin gegen B übereinstimmen, daß in beiden auf das Gespräch zwischen Polonius und dem Königspaar sogleich die Scene zwischen Hamlet und Ophelia folgt, so kommt diese Uebereinstimmung für uns nicht in Betracht, da ja das in B vorhergehende, in A nachfolgende Gespräch zwischen Hamlet und Polonius in D überhaupt nicht vorhanden ist." Prüft man nun nicht bloß die von Cr. in Betracht gezogenen Theile, sondern auch alles das, was in B, A und D ihnen noch anhängt, resp. zwischen sie eingefügt ist, so stellt sich die Sache folgendermaßen dar (von den Namensunterschieden sei der besseren Vergleichbarkeit halber hier abgesehen):

B.

1. Polonius und Königspaar.

2. Hamlet und Polon. I (Fishmonger).

3. Hamlet, Rosencrans und Guildenstern.

4. Hamlet, Ros., Guild., Polon. II (Rossius; Pol. kündigt die Schauspieler an.) 5. Hamlet, Ros., Guild., Polon., Schauspieler.

6. Hamlet's Monolog I (O what a rogue etc.).

7. Königspaar, Polon., Ophelia, Ros. und Guild.

8. Hamlet's Monolog II (To be or not to be etc.) 9. Hamlet und Ophelia.

10. König und Polonius. Ersterer glaubt nicht an Hamlet's Wahnsinn und faßt den Plan, Hamlet nach England zu schicken.

Polonius will Hamlet

A.

weiter ausforschen.

1. Polonius und Königspaar (auch Ophelia tritt mit auf, spricht aber während

dieser ganzen Scene kein Wort).

8. Hamlet's Monolog II.

9. Hamlet und Ophelia.

10. König und Polonius (im allgemeinen wie in B, nur fehlt die ausdrückliche Erwähnung der Verschickung Hamlet's nach England).

2. Hamlet und Polonius I (Fishmonger).

3. Hamlet, Ros. und Guild.

4. Hamlet, Ros., Guild., Polon. II (Rossius; Polon. kündigt die Schauspieler an).

5. Hamlet, Ros., Guild., Polon. und Schauspieler.

6. Hamlet's Monolog I.

7. Königspaar, Polon., Ros. und Guild.

D (Akt II, Sc. 2 ff.)

1. Polonius und Königspaar, und gleich darauf (Sc. 3) Ophelia. Auch nach A ist hier Ophelia auf der Bühne.

9. Hamlet und Ophelia.

10. König und Polonius. Ersterer glaubt nicht an den Wahnsinn Hamlet's. Es wird vom Könige nur allgemein gesagt, daß Hamlet ,,an die Seite oder gar ums Leben" zu bringen sei, England aber wird hier wie in A noch nicht erwähnt. Eine solche Diskretion aber steht gar nicht im Einklang mit dem Verfahren, welches sonst in D beobachtet wird. Sobald die Personen sich Etwas vornehmen, plaudern sie das plump in all seinen Einzelheiten aus.

4. Hamlet und Polonius II (Letzterer kündigt die Schauspieler an). 5. Hamlet, Polonius und die Schauspieler.

Die Monologe Hamlet's fehlen als solche in D; ganz schwache Spuren ließen sich wohl hier und da in anderen Theilen verstreut nachweisen. Rosencrantz und Guildenstern fehlen als Höflinge; Einzelnes von dem, was sie zu sagen haben, ist in veränderter, aber immer noch erkennbarer Form nach Bedarf andern Personen in verschiedenen Scenen in den Mund gelegt worden; im allgemeinen sind sie zu den Banditen von D umgestaltet worden. So fehlt auch die Fishmonger'-Unterhaltung zwischen Hamlet und Polonius nicht, ohne eine Spur in D II 3 (Polonius' Aeußerung, daß auch er in seiner Jugend arg von der Liebe geplagt worden sei) zurückzulassen. Ganz ähnlich sind bei der Herstellung von A manche Theile des Sh.'schen Textes unter den Fingern des Piraten in Stücke gegangen und hier oder da unter andere Theile verstreut worden, wie ich in den Transactions mehrfach nachweisen konnte.

Im Uebrigen aber machen es die obigen Listen m. E. zweifellos, daß die Uebereinstimmung zwischen D und A sich nicht bloß auf die von Cr. angezogenen, sondern, soweit sie überhaupt in D nachweisbar sind, auf alle Theile erstreckt, die in A auf No. 9 folgen. Hier wenigstens muß also A dem D zu Grunde gelegen haben.

Wenn Cr. (S. 28 f.) in Betreff der gern als ein Hauptbeweis für die Abstammung des D aus einem älteren englischen Hamlet in's Feld geführten Antwort Hamlet's (in D III, 10: „Ja, König, schickt mich nur nach Portugall, auf daß ich nimmer wieder komme, das ist das Beste") auf des Königs Mittheilung, der Prinz solle nach England, nicht zugiebt, daß diese Erwähnung Portugals in ihrer Vereinzelung beweiskräftig sei, so stimme ich ihm gern darin bei.

Er sieht freilich darin auch eine Anspielung, vielleicht auf ein „Ereigniß aus der Zeit des holländisch-portugiesischen Krieges... der sich in Folge der Annexion portugiesischer Kolonien durch die Holländer zur Zeit der spanischen Herrschaft in Portugal (1580-1640) entspann und sich nach der Neubegründung des portugiesischen Königreichs noch bis zum Jahre 1669 hinzog. In diesem Falle wäre die Anspielung vermuthlich von den Komödianten bei Gelegenheit einer ihrer zahlreichen Wanderungen in Holland eingeschoben worden." Ich habe mich meinerseits nie entschließen können, eine,,Anspielung" auf irgend ein bestimmtes geschichtliches Ereigniß in dieser Erwähnung Portugals zu erblicken. Es lag durchaus nicht in der Art des D-Bearbeiters resp. der wandernden Schauspieler Anspielungen zu machen; dafür waren sie zu ungeschickt: wohl aber lassen sich solche Leute keine Gelegenheit entgehen, Anspielungen zu plumpen, vollständigen Erzählungen breitzutreten, so z. B. in der bekannten Schilderung in D, wie die Straßburger Gattenmörderin durch eine Theatervorstellung zu einem Geständniß ihrer Schuld gebracht wurde. Hier bietet A nur eine Andeutung (Furn. 1129 f.)

I have heard that guilty creatures sitting at a play,

Hath, by the very cunning of the scene, confest a murder.

Aehnlich gaben Zeilen wie die in A (Furn. 885 f., u. 888-890):

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dem Bearbeiter von D (resp. schon vorher den Komödianten) einen Anlaß, die nach Cr. p. 26 auch in andern deutschen Stücken jener Zeit vorkommende Anekdote von dem Kavalier in Anion einzuschieben, der in der Brautnacht erleben mußte, wie seine wunderbar schöne Braut, ihrer künstlichen Reize entkleidet, einem Gespenst glich. Es ließen sich noch andere Fälle plumper Ausarbeitung kurzer im Original enthaltenen Andeutungen aus D anführen; doch werden die beiden obigen schon genügen, um zu zeigen, wie unwahrscheinlich die Annahme einer Anspielung in der fraglichen Stelle ist. In der Rezension der Harness-Prize-Essays (Anglia V, 2 S. 37) bemerkte ich hierzu:,,Vielleicht war für die Zeit der Abfassung des „Brudermordes" mit Portugal, wie heute etwa mit dem

Pfefferlande, die Idee einer völligen, unwiderruflichen Trennung (resp. Nimmerwiederkehr) verbunden; es verlohnte sich wohl, in der zeitgenössischen deutschen Literatur darauf zu achten." Nun darf aber nicht unberücksichtigt bleiben, daß Hamlet, treu seinem vorher oft genug ausgeplauderten Vorhaben ,,zu simulieren", auch in dieser Scene mehrfach sich den Anschein des Wahnsinns giebt, so wenn er z. B. (nach Shakespeare) zum Könige sagt: „Nun Adieu, Frau Mutter!" So auch, wenn er am Schlusse der Scene die beiden ihm als Diener mitgegebenen Mordgesellen an die Hand nimmt und sagt:

So kommt denn, ihr noblen Gesellen,

Laßt uns fahren, laßt uns fahren nach England,
Nehmt das Bötchen in die Hand,

Du bist ja ein braver Quant.

Laßt uns fahren, laßt uns fahren nach England.

Wäre es nicht ganz erklärlich, wenn er auch bei der wunderlichen Verdrehung der Worte des Königs („Wir haben . . . beschlossen, Euch nacher England zu schicken. . .“), wie sie in seiner oben angeführten Antwort doch liegt, nur „,simuliert“?

Die von mir oben in dem Namen Portugal vermuthete Nebenbedeutung würde dem Simulieren hier noch besondere Würze für das Publikum gegeben haben; andrerseits gestehe ich gern, daß die Auffassung der fraglichen Stelle in dem zuletzt entwickelten Sinne jene Nebenbedeutung entbehrlich erscheinen läßt.

Wenn man trotz solcher gelegentlichen Meinungsverschiedenheiten sich im Allgemeinen mit Cr.'s Argumentation im ersten Theile seiner Untersuchung und mit ihrem Ergebniß einverstanden erklären kann, so liegt die Sache wesentlich anders in dem zweiten Theile (S. 30 bis Schluß S. 43), wo Cr. bemüht ist, zu ermitteln, welche Fassung des Sh.'schen Hamlet dem D zu Grunde gelegen habe. Er wird dabei zu der Annahme einer Fassung Y des Sh.'schen Stückes als Quelle von D geführt, die diejenigen Theile von A und B enthielt, in denen D mit A gegen B, resp. mit B gegen A übereinstimmt (vgl. oben Cr.'s Zusammenstellungen, Gruppe 2 u. 3). Ich will schon hier nicht verhehlen, daß in den allermeisten Fällen mir dabei die Beweisführung Cr.'s nicht so sicher und erfolgreich zu sein scheint wie in dem ersten Theile seiner Abhandlung, weil m. E. die vergleichenden Gruppen Cr.'s wohl genügen, um im Allgemeinen die Abstammung von D aus Sh.'s Hamlet plausibel zu machen, die dritte Gruppe (D und B gegen A) aber nicht stichhaltig und

beweiskräftig genug ist, um die Annahme von Cr.'s Y als Quelle von D nöthig zu machen.

Zugegeben, daß Einiges in D über A hinaus auf eine andere Quelle hinweise. Dann ist, meint Cr. (S. 30),,leicht einzusehen, daß ... D nur auf zweierlei Weise entstanden sein kann. Entweder es wurden von den wandernden Schauspielertruppen einige Lesarten der einen Fassung in die andere übernommen oder das deutsche Drama muß auf einer Fassung des Sh.'schen Hamlet beruhen, in welcher sowohl die in D befindlichen Eigenthümlichkeiten von A als auch die in D befindlichen Eigenthümlichkeiten von B neben einander vorhanden waren." Die erstere Möglichkeit verwirft Cr. als höchst unwahrscheinlich; „Dasjenige, wodurch Sh.'s Hamlet sich den englischen Komödianten als ein bühnenwirksames, für ihre Zwecke brauchbares Stück empfehlen konnte, war durchweg in beiden Fassungen in gleicher Weise vorhanden. Es ist schlechterdings nicht abzusehen, wie Jemand hätte auf den Gedanken kommen können, die ... bloß in B oder bloß in A vorkommenden Stellen aus dem einen Text herauszusuchen und in den andern einzufügen. Daß die Einfügung der Stellen aus A in einen auf B beruhenden Text vollends undenkbar wäre, mußte sofort einleuchten. Ebenso undenkbar wäre auch das umgekehrte Verfahren, denn die charakteristischen Vorzüge von B - der reine dichterische Sprachausdruck und die unverkürzte Vollständigkeit der philosophischen Raisonnements - konnten ja für die wandernden Komödianten gar nicht in Betracht kommen".

Daß alsdann nur Y übrig bliebe, leuchtet ein. Aber so unwahrscheinlich wie Cr. wird nicht jeder die erste Möglichkeit finden. Offenbar wird hierbei Alles auf die Natur der von ihm aufgezählten Uebereinstimmungen zwischen D und B gegen A ankommen, da ja nur sie über A hinausweisen und das Postulat Y nahelegen. Ehe wir jedoch zu einer eingehenden Prüfung jener Uebereinstimmungen schreiten, wird es nicht überflüssig sein, einige Punkte in Betreff der wahrscheinlichen Entstehungsweise und der thatsächlichen Ueberlieferung und Beschaffenheit des D wieder in Erinnerung zu bringen.

Die früheste Erwähnung eines durch die „Engelender“ in Dresden aufgeführten Hamlet stammt vom 24. Junius 1626. Die Abschrift des uns bekannten deutschen Hamlet, welche der Bibliothekar H. A. O. Reichard in Gotha für seine Mittheilungen über das Stück benutzt hat, nunmehr aber verschollen ist, trug das Datum 27. Okt. 1710. Den ersten uns erhaltenen Abdruck des

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