Imagini ale paginilor
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völlig angepaßt wird, ist sie von unendlichem Segen; denn sie führt zu der Gewohnheit, auf die Wirkung jedes Wortes und jeder Handlung beständig zu achten zu einer Zurückhaltung und Festigkeit, welche oft Weisheit und Glück im Gefolge hatte.

Ophelia ist ein Beispiel für die üblen Folgen solcher Erziehung; bei Volumnia hat sie guten Erfolg gehabt. Sie hat gelernt, von allen ihren Gaben den rechten Gebrauch zu machen, obgleich sie vollkommene Selbstbeherrschung nicht erreicht hat. Und wären diese charakeristischen Ungleichheiten gemildert, so würde sie weit weniger dramatisch sein; es hätte das gefehlt, was einer Rolle erst das Leben verleiht und es dem Schauspieler möglich macht, der Schöpfung des Dichters Licht und Schatten und Interesse zu geben. Bei Volumnia handelt es sich zuerst hauptsächlich um die Art, wie sie ihren Coriolan erzogen hat; darauf kommt die Mutterliebe zum Ausdruck durch die Freude über den Erfolg ihres Sohnes. Zwar erscheint sie auch in seiner Abwesenheit in heiterer Stimmung; wenn sie aber von seiner Ankunft vernimmt, geräth sie in ein Fieber des Entzückens und der Erregung, welches zeigt, wie groß ihre Angst und ihre Besorgniß während seines Fernseins gewesen sein müssen; nun stürzt sie mit Valeria und Virgilia nach dem Thore, um ihn zu begrüßen.

Ihr alter Freund Menenius begegnet ihr, aber sie vermag kaum still zu stehn, um seinen Gruß zu erwidern; sie fängt ihre Antwort in dem gleichen förmlichen Tone an, läßt aber auf einmal ihre ungeduldige Freude durchbrechen. „Ehrenwerther Menenius, mein Sohn Marcius kommt; um der Juno willen, halt uns nicht auf!" Sie will weiter eilen, aber ihr Stolz über seine neuen Erfolge ist zu groß; sie darf diese nicht unerwähnt lassen, und so hält sie im Weitergehen inne, um ihre Geschichte ganz zu erzählen: „Freilich, würdiger Menenius, und mit der herrlichsten Auszeichnung! Seht, da ist ein Brief von ihm. Der Senat hat auch einen, und es liegt, glaube ich, einer daheim für Euch.“ Virgilia, die weniger erregt ist über des Gatten Ruhm, hat daran gedacht, was dem Greise Freude machen wird: „Ja gewiß“, fügt sie hinzu, „es ist ein Brief für Euch da, ich habe ihn gesehn." Die ruhige, kältere Natur hat ihre Gedanken bei einander behalten, und erinnert sich genau alles Geschehenen; die erregte Mutter dagegen hat Alles über ihres Sohnes Rückkehr vergessen. Virgilia ist voll Angst, er könne verwundet sein, während Menenius und Volumnia dies wünschen, eingedenk des politischen Vortheils, den es ihm

bringen würde. Die abgebrochene Art, in der die Mutter darauf spricht, steht ganz im Gegensatze zu ihrer sonstigen Gewohnheit und beweist ihre innere Aufregung. Von Neuem wendet sie sich zum Gehen, und wiederum hält sie inne, um von den großen Thaten zu erzählen, die ihr Marcius vollbracht; aber Virgilia, deren Haltung fast eine zweifelnde genannt werden kann, sagt ernst: „Die Götter geben's, daß es wahr sei!" was von seiner Mutter mit geringschätzigem Lachen aufgenommen wird. Wie dann ihre freudige Erregung zunimmt, geht sie, wie dies bei ihr gewöhnlich ist, zunächst zu einer poetischen Sprache über, danach zu Vers und Bild, und so bildet sich die Steigerung, welche dem Einzug des siegreichen Coriolan vorangeht und ihn vorbereitet. Die Trompeten ertönen, und Coriolan zieht mit seinem Heere über die Bühne mit aller Pracht eines römischen Triumphes; aber in dem Augenblicke, da er Volumnia sieht, die ganz Ohr und ganz Auge ist bei den Huldigungen, welche dem Vielgeliebten bezeigt werden, da fällt er ihr zu Füßen und bittet um ihren Segen. Hier sehen wir Beide zum ersten Male beisammen; man achte auf die Form des Grußes:

Ihr habt, ich weiß, bestürmt die Götter alle

Um Glück.

nicht um Sicherheit, sondern um Glück! Mutter und Sohn sind eins in Herz und Sinn, und ihre Antwort klingt wie ein Freuden- oder Triumphschrei; bis sie plötzlich, als erinnere sie sich einer angenehmen Pflicht, auf Virgilia zeigt: „Doch o! Dein Weib." Sie ist zu gerecht, um zuzugeben, daß Virgilia bei einer solchen Feier übersehen wird; aber leicht fällt es ihr nicht, ihren Sohn mit einer Andern zu theilen: den Sohn, dessen Größe so sehr ihr Werk ist. Marcius bemerkt nach Männerart dies Zwischenspiel nicht. Er empfängt seine Frau mit der größten Zärtlichkeit; aber wir fühlen doch, daß ihm die Mutter näher steht: in seinen Worten für sie findet sich eine Gluth und Leidenschaft, welche in denen an Virgilia fehlen; und dies erklärt wohl die Zweifel, mit welcher sie. die Nachricht von seinem Siege empfangen hat: sie ist zu wenig eins mit ihm, um die Sache nicht etwas kritisch zu betrachten.

Coriolan nimmt nun Abschied von den Frauen; aber Volumnia findet noch einen Augenblick, um zu erwähnen, was ihre Seele erfüllt: seine Erwählung zum Consul; und es ist ein weiterer Beweis von der Stärke ihrer Selbstbeherrschung, daß sie, trotz ihrer Erregtheit Nichts sagt, als er auf diesen Gedanken nicht eingeht.

Man achte auch auf die Art und Weise, in welcher sie von ,,unserm Rom" spricht; die Ehren ihres Sohnes gelten ihr um so mehr, weil sie verliehen sind durch das geliebte Vaterland. - Während der Regierung der Elisabeth konnte man wohl oft Frauen nach dem Themseufer eilen sehen, um ihre Gatten oder Söhne zu begrüßen, die von irgend einem gefährlichen Unternehmen zurückkehrten, mit doppelt frohem Herzen, weil England Ehre und Vortheil durch sie gewonnen hatte.

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Volumnia hat nun, wie es Wenigen gegeben ist, erlebt, daß ihre Wünsche und Traumgebilde Wahrheit geworden"; aber das Eine, das noch fehlt, wird ihr versagt, und sie tritt nun in eine düstere und sorgenvolle Zeit ein.

Die Wahl des Coriolan ist durch seine eigene Thorheit vereitelt worden; ein Aufruhr hat stattgefunden, und man hat ihn vor der Wuth des Pöbels schützen müssen. Theilnehmende Freunde sind ihm nach Hause gefolgt, und zornig verkündet er ihnen seinen Entschluß, sich niemals seinen Gegnern zu unterwerfen. Aber er spricht mit dem übertriebenen Nachdruck eines Mannes, der da fühlt, daß seine Sache eine schlechte ist; denn die Mißbilligung seiner Mutter hat seine Entschlossenheit schon erschüttert.

Und hier finden wir wieder einen Fehler, den Volumnia bei der Erziehung ihres Sohnes begangen hat. Bei aller Liebe für ,,unser Rom" hat sie eine herzliche Verachtung für die niedriger Stehenden; sie hat

doch lump'ge Sklaven

Sie stets genannt; Geschöpfe, nur gemacht,
Daß sie um Pfenn'ge feilschen, barhaupt stehn
In der Gemeinde; gähnen, staunen, schweigen,
Wenn Einer meines Stands das Wort ergreift
Für Frieden oder Krieg.

Der Sohn theilt die Ansichten der Mutter; jener Theil seiner Rede, Akt I, Sc. 1, welcher bereits erwähnt worden, ist eine bloße Wiederholung der Gedanken, an die er jetzt erinnert. Aber trotz ihres Standesgefühls hegt Volumnia keinen persönlichen Widerwillen gegen die unter ihr Stehenden; sie zeigt auch wieder eine wirkliche Zuneigung zu ihnen als zu ihren Landsleuten. Bei Coriolan, der jeden empfangenen Eindruck zu übertreiben geneigt ist, ist der Abscheu gegen die Plebejer auf das Höchste gestiegen; er braucht gegen sie Ausdrücke der gröbsten Anmaßung und Unduldsamkeit,

und wird eben dadurch ganz unfähig, die Aufgabe, die sich ihm darbietet, zu erfüllen.

Volumnia, die dem schwächeren Geschlecht angehört, hat eben deshalb gelernt, daß das, was wir in dieser Welt erlangen wollen, oft nur durch Takt zu erreichen ist; Marcius dagegen, wie es bei solchen Naturen gewöhnlich ist, pflegt nach einem Ausbruch seiner Leidenschaft sein Gewissen dadurch zu beruhigen, daß er seine Handlungsweise der Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit zuschreibt. Auch die Mutter spricht sich offen aus, wenn sie ungehalten ist; aber danach schweigt sie still: sie gehört nicht zu jenen übelgelaunten Frauen, welche wieder und immer wieder auf denselben Gegenstand zurückkommen, obgleich durch das Bestehen darauf Nichts mehr zu gewinnen ist. Im gegenwärtigen Augenblick aber sind die Freunde, welche ihren Sohn um seiner Tollheit willen preisen, mächtiger als sie. Jedoch als Menenius und die Senatoren kommen und ihn bereden wollen, umzukehren und das Uebel, das er gethan, wieder gut zu machen, da steht sie ihnen sofort bei, und Menenius, welcher weiß, daß auf ihrem Einfluß die beste Hoffnung auf Erfolg beruht, unterstützt sie seinerseits.

Diese Scene ist höchst bedeutungsvoll, nicht nur wegen der großen Macht, welche Volumnia über ihren halsstarrigen Sohn bethätigt, sondern wegen der Art der Gründe, durch welche er sich bewegen läßt.

Mit der Scene, wo Volumnia durch ihre Bitten Rom rettet, hat sie viel Gemeinsames; und sie mag eingefügt worden sein, um der Mutter Einfluß auf ihn recht begreiflich zu machen, so daß es dort nicht unnatürlich erscheint, wenn er schließlich ihren Bitten nachgiebt. Ihrem Angriffe liegt ein regelrechter Plan zu Grunde; sie spricht kein Wort von der Pflicht zu seinem Vaterlande, welche sie als eine der Hauptgründe in ihrem letzten, großen Anruf an ihn geltend macht er wäre nicht in der Stimmung dies abzuwägen; ihr erster Gedanke ist, ihm Zoll für Zoll den Boden unter den Füßen fortzuziehen, auf dem er etwa Widerstand leisten könnte, und besonderes Gewicht auf die Thatsache zu legen, daß sie unmöglich Etwas wünschen würde, was seine Ehre verletzen könnte. Dies ist seine empfindlichste Stelle, und wir haben von ihr selbst gehört, daß sie ihn so erzogen hat. Ehre aber bedeutet für Marcius nicht nur Pflichterfüllung, sondern Ruhm: für diesen lebt er, und was diesen anrührt, reizt sofort seine Empfindlichkeit.

Man muß zugeben, daß er ein sehr eitler Mann ist. Der

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geheime Grund, warum er eigentlich das Volk verabscheut, liegt zum guten Theil darin, daß dieses ihn weniger hochschätzt, als er es wünscht. Mit echt weiblichem Takt läßt Volumnia seine Eigenliebe unangetastet; aber die Sache, um die es sich handelt, stellt sie ihm in klarem, praktischem Lichte vor, so wie sie ihrem mehr nüchternen Sinne erscheint. Wir dürfen nicht vergessen, daß Volumnia ein großes, gesellschaftliches Leben geführt und daß sie durch ihren Sohn und Gatten auch in das politische Leben eingeweiht ist; denn das Haus der Marcier war in Rom angesehen, da es stark bei der Entwicklung der Nation betheiligt gewesen.

Kühn spricht sie zu dem Sohne. Eine Frau, die Coriolan fürchtet, hätte auch nicht mit ihm leben können. Sie führt ihm zu Gemüth, wenn er in seinem gegenwärtigen Verhalten beharre, werde nicht nur seine eigene Sicherheit auf das Spiel gesetzt, sondern auch die seiner Partei und seiner Familie. So wie er durch sein Schweigen zeigt, daß ihre Rede Eindruck auf ihn macht, läßt sie den Ton der Zurechtweisung fallen, und obwohl sie weiß, daß ihm ihre Worte mißfallen werden, spricht sie nun über sein Benehmen den Plebejern gegenüber. Die Form ihrer Rede „Ich bitte Dich" bei ihr, die nicht gewohnt ist, zu bitten zeigt uns, daß sie Großes und Schweres von ihm verlangt.

Noch immer keine Antwort; seine Hartnäckigkeit zu überwinden und zugleich den Zweifel zu beseitigen, den Cominius in seine Bereitwilligkeit zu gehorchen gesetzt hat, schlägt sie ihren alten, befehlenden Ton an: „Er muß und will. — So sag doch, daß Du willst und mach' Dich d'ran." Nun hört er zwar auf die Stimme, der er noch nie ungehorsam gewesen, aber mit solchem Widerwillen vor seiner neuen Rolle, daß man für den Ausgang fürchtet. Die Mutter bittet ihn mit der äußersten Zärtlichkeit:

O hör' mich, theurer Sohn: Du hast gesagt,
Daß Dich mein Lob zuerst zum Krieger machte;
Spiel' meinem Lob zu Lieb denn eine Rolle,
Die Du noch nie versucht.

So glaubt sie durch die Erinnerung daran, was sie selbst zu seiner Größe beigetragen, ihrem Rathe noch mehr Nachdruck zu geben, muß aber gleich einsehen, daß es ein Fehler war, diesen Ton zu versuchen: Coriolan ist nicht in der Stimmung, der Sanftmuth zu weichen, und daß sie in dieser Weise eine Gunst von ihm erbittet, zeigt ihm, daß sie weiß, was für eine schwierige Sache sie verlangt. Dies vermehrt seinen Abscheu vor der gestellten Auf

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