Imagini ale paginilor
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aus der Annahme, daß der größere Theil des Stückes Skizze geblieben und als Skizze oder Kladde auf uns gekommen ist.

Den Beweis für meine Annahme glaube ich erbracht zu haben, indem ich zeigte, daß an dem, was der Dichter hat sagen wollen, Nichts fehlt, Nichts verballhornt sein kann. Es erwies sich als undenkbar, daß ein Wilkins oder Tourneur je eine Konzeption wie diese Tragödie zur Welt gebracht hätte; es ist aber auch undenkbar, daß ein Unberufener nur die äußere Form verstümmelt haben könnte, ohne die innere gleichzeitig zu lädieren. Oder er müßte ein Geist so groß wie Shakespeare gewesen sein! - Bleiben wir unbefangen dabei stehen, daß Shakespeare selber die Unfertigkeiten der Zeichnung verbrochen haben wird, jedoch ohne strafwürdig zu erscheinen, weil wahrscheinlich ist: entweder, daß sein Timon nur eine dramatische Studie sein sollte, oder, daß Krankheit und Tod ihn verhindert haben, aus seiner Kladde ein Meisterwerk ersten Ranges zu gestalten. Dem Gehalte nach gebührt seinem Timon of Athens deshalb doch ein Ehrenplatz neben Hamlet, Othello, King Lear, Antony and Cleopatra und Coriolanus.

Nachtrag: Auf Seite 125, Anm. 2 (Schluß) sind die Worte zu ergänzen: ,,Siehe indeß F. A. Leo, Shakespeare - Notes (1885) S. 49 ff.“ Auf Seite 128 Z. 11 ist die Zahl der Reimpaare in Timon unrichtig mit 56, statt 66, angegeben; dementsprechend ist in der Anmerkung an Stelle der Worte:,,also mehr wie Timon“, zu lesen: „also kaum weniger als Timon."

Eine Bühnen-Anordnung des Kaufmanns von Venedig.

Von

Gisbert Freiherrn Vincke.

es

Unter den Sachverständigen besteht kein Zweifel darüber, daß bei den Bühnenverhältnissen der Gegenwart ein Vortheil für das Schauspiel ist, wenn die Scene während des Aktes nicht wechselt. Schon Lessing hat das beachtet in Minna von Barnhelm und Emilia Galotti, den Stücken, bei welchen er die Darstellung unmittelbar im Auge hatte, was ja beim Nathan nicht der Fall war. Aber auch dieses Stück, sowie Goethe's und Schiller's Schauspiele mit ihren öfteren Verwandlungen während des Akts, liefern keineswegs den schlagenden Gegenbeweis: als sie entstanden, wurde noch durchgängig bei offener Scene verwandelt, sodaß die Unterbrechung sich auf geringste Zeitdauer beschränkte. Heute aber, wo wir den Zwischenvorhang eingeführt haben, wo dessen Niederfallen benutzt wird, um die reiche Bühnenausstattung, welche zur Nothwendigkeit geworden ist, bequem anzuordnen; heute entsteht durch jede Verwandlung, im Gefühle des Zuschauers ein Aktabschnitt, den der Bau des Stückes nicht begründet: die Handlung wird ungebührlich zerrissen zum Nachtheil ihrer einheitlichen Wirkung.

Shakespeare's einfache Bühne kannte noch keine Verwandlung. Ohne irgend einen Wechsel der Scene sprang die Handlung von London nach Rom, von Italien nach Aegypten: damals folgte noch

Jahrbuch XXIII.

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dem Worte des Dichters die gläubige Einbildungskraft des Zuschauers. Das ist jetzt anders geworden. Der mäkelnde Zuschauer verlangt, was er sieht, soll im Einklang stehn mit dem, was er hört. Deshalb bedingt die Shakespeare-Aufführung unserer Tage, wenn sie der vorgeschriebenen Oertlichkeit treu folgen will, den steten Wechsel der Scene, mithin das stete Zerreißen der Handlung. Darauf konnte der Dichter nicht rechnen: er würde schwer geschädigt ohne seine Schuld. Soll dieser Schade von ihm abgewandt werden, dann muß man eine Scenenfolge herzustellen suchen, welche den Scenen wechsel während des Akts thunlichst beseitigt. Es versteht sich von selbst, daß dies nicht auf gewaltsame Weise geschehen darf; denn der bemerkbare Zwang wäre schädlicher als die Verwandlung, welche er fortschaffen will1).

Fassen wir, von solchem Gesichtspunkt aus den Kaufmann von Venedig in's Auge, so zeigt uns derselbe in den drei ersten Akten ein unruhiges Hin- und Herspringen der Handlung von Venedig nach Belmont, von Belmont nach Venedig: die Scene wechselt während der Akte zwölfmal. So entsteht von selbst die Frage: ob sich das nicht beseitigen ließe - zum Vortheil des Stücks? Diese Frage bejaht die folgende Anordnung fast unbedingt. Zu Grunde gelegt ist Schlegel's Uebersetzung, welche jetzt auf allen Bühnen Eingang fand.

Akt I. Straße oder Platz in Venedig. Scene 1 bis zum Schluß.

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1) Aehnliches wurde schon ausgesprochen Jahrb. XVII, 90. Aber es kann nicht oft genug wiederholt werden gegenüber Denjenigen, welche ohne Bühnenverständniß immer auf's Neue behaupten: die Herstellung scenischer Einheit während des Akts sei ein Zurückgehen auf die durch Lessing überwundenen französischen drei Einheiten!!

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Akt II. Belmont -Saal. Rechts auf erhöhtem Tisch die Kästchen, verdeckt durch einen Vorhang.

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Die vier Fremden zogen ab, Fräulein, und es ist ein Vorläufer da von einem fünften, vom Prinzen von Marocco, der Nachricht bringt, daß sein Herr alsbald hier sein wird.

Porzia.

Könnte ich den fünften mit so gutem Herzen willkommen heißen, als ich den vier andern Lebewohl sagte, so wollte ich mich seiner Ankunft freuen. Hat er das Gemüth eines Heiligen und das Geblüt eines Teufels, so wollte ich lieber, er weihte mich, als er freite mich⚫ Derweil wir die Pforte vor einem Freier verschließen, klopft ein anderer an die Thür. (Trompetenstoß). Da ist er schon.

(Der Prinz von Marocco und sein Zug treten auf, Nerissa verbeugt sich vor dem Prinzen und geht ab.) Marocco.

Sh. II, 1.

Verschmähet mich ob meiner Farbe nicht... u. s. w. bis gegen Schluß der Scene.

Marocco.

Ich will's auch nicht. Drum bringt mich zur Entscheidung.

Porzia.

Sh. II, 7.

Geht, zieht beiseit den Vorhang und entdeckt

Die Kästchen sämmtlich diesem edlen Prinzen u. S. W.

bis zum

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Akt III. Venedig, Platz vor dem Hause Shylock's.

Die Scenen in Venedig aus Shakespeare's Akt II und III reihen sich leicht an einander; es bedarf dabei nur einer Aenderung der Tageszeit, um zu vermeiden, daß III, 1 und III, 3 bei Nacht spielen. Dies ist einfach herzustellen, wenn Bassanio die Freunde auf den Mittag einladet statt auf den Abend. Bei Tage wird dann auch Jessica entführt, darin liegt aber keine Unwahrscheinlichkeit, da es unter dem Maskenschwarm geschieht. Die hübsche Stelle mit dem „Fackelträger" muß freilich fortfallen. Im Allgemeinen ist also statt „Abend" zu setzen: „Mittag"; im Einzelnen bleibt noch Folgendes zu bemerken.

Akt II. Sc. 2.

Bassanio.

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Das könnt ihr thun aber seid bei der Hand zum Mittagessen.
Besorgt u. s. w.

Komm schleunig wieder; denn zu Mittag lad' ich u. s. w.

Akt II. Sc. 3.

Jessica tritt mit Lanzelot aus dem Hause Shylock's, sie geht dahin zurück.

Akt II. Sc. 4. Lorenzo und Graziano treten auf.

Lorenzo.

Wir wollen uns in meinem Haus verkleiden

Und hier zurücksein. Zeit ist noch genug
Zur Vorbereitung.

(Lanzelot kommt mit einem Briefe) u. s. w. bis

Lorenzo.

Da nimm dies; sag' der schönen Jessica,

Daß ich sie treffen will--sag's heimlich, geh'! (Lanzelot ab in Shylocks Haus).

Graziano.

Der Brief kam von der schönen Jessica?

u. s. w. bis zum Scenenschluß, wo die letzte Zeile fortfällt.

Akt II. Sc. 5. Shylock und Lanzelot kommen aus dem Hause.

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