Imagini ale paginilor
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Zweifel Rosina zu verstehen ist, vergleiche man Julia's Äußerung über Lucetta: „Du bist die Tafel, der mit klarer Schrift meine Gedanken sämmtlich eingeprägt sind." Daß Shakespeare hier auch noch eine zweite Quelle benützt habe, nämlich Barnabe Riche's Apolonius und Silla, wo Silla dem von ihrer Liebe Nichts ahnenden Apolonius nachfolgt, scheint mir eine überflüssige Annahme.

In der ersten Scene des dritten Aktes erfährt der Herzog durch Proteus von Valentin's Fluchtplan. Valentin wird verbannt und Silvia eingesperrt: Proteus bedauert heuchlerisch das Schicksal seines Freundes. Damit aber die Stimmung der Zuschauer nicht zu trübe werde, läßt der Dichter zum Schluß Lanz die Liste der guten und schlechten Eigenschaften seiner Geliebten, eines Milchmädchens, unter der Beihilfe Flink's studieren. Auch hier hat Shakespeare kaum Etwas von seinen Vorgängern übernommen. Denn selbst der Abschied, den Romulus von Julius in der „Tragædia" nimmt, zeigt mit dem zweiten Abschied Valentin's von Proteus im Einzelnen keine Berührung; nur, wenn Proteus sich Valentin zur Beförderung seiner Briefe an Silvia erbietet, so erinnert das daran, daß in der „Tragedia" Romulus' Briefe an Hyppolita und den Fürsten diesen von Julius übergeben werden sollen, was man allerdings eigentlich nicht begreift, während jenes Anerbieten bei Shakespeare durch die Verhältnisse durchaus gerechtfertigt ist. Die Behandlung der Silvia durch den Herzog scheint ferner ein Nachklang der Drohung von Juliet's Vater bei Brooke, daß er seine Tochter lebenslänglich einsperren wolle, wenn sie Paris' Werbung nicht annehme. Der Schluß der Scene endlich zeigt einige Ähnlichkeit mit III, 2, 90 ff. in der Komödie der Irrungen.

In der zweiten Scene des dritten Aktes erfahren wir, daß Silvia seit Valentin's Verbannung Thurio geradezu verachtet. Deshalb gestattet der Herzog, der von Proteus' Seite bei seiner Liebe zu Julia keine Gefahr für seine Tochter befürchtet, diesem freien Zutritt zu ihr, damit er die Zuneigung zu Valentin aus ihrem Herzen reiße und sie Thurio günstig stimme. Proteus räth, daß Thurio auf die Phantasie der Prinzessin mit den Mitteln der Kunst zu wirken suche, indem er ihr Liebesgedichte schicke und Ständchen bringen lasse. Auch diese Scene ist ohne Zweifel im Wesentlichen des Dichters freie Erfindung; denn mit dem Verhalten des Herzogs gegenüber Proteus zeigt nur eine sehr entfernte Ähnlichkeit der Zug in der „Tragædia", daß der Fürst die Bewerbung des Julius um seine Tochter begünstigt, weil deren Vermählung mit ihm dem

Gerede ein Ziel setzen würde, in welches sie durch die vermeintliche Treulosigkeit des Romulus gekommen.

In der ersten Scene des vierten Aktes geräth Valentin mit Flink, da sie sich auf dem Wege nach Verona in der Nähe von Mantua befinden, in die Hände von Friedlosen. Nachdem er ihnen auf ihre Frage erklärt, daß er aus Mailand verbannt worden, weil er einen Gegner in ehrlichem Kampfe erschlagen, lassen sie ihm die Wahl, ob er sterben oder an ihre Spitze treten wolle: so wird er denn ihr Hauptmann unter der von ihnen als selbstverständlich bezeichneten Bedingung, daß sie sich der Schädigung harmloser Frauen und armer Reisender enthalten. Steevens hat in dieser Scene Einfluß von Sidney's Arcadia sehen wollen, wo Pyrocles die Führung der gegen Lacedaemon empörten Heloten übernimmt. Carrière dagegen hält es für Nachahmung der Spanier, daß Valentin „kurzer Hand unter die Räuber geht und daraus später nicht viel gemacht wird." Nach meiner Überzeugung haben aber Diejenigen recht, die annehmen, daß Shakespeare hier vielmehr an den berühmten Robin Hood gedacht habe. Hierfür fällt sowohl der Umstand in's Gewicht, daß Shakespeare V. 36 einen der Friedlosen bei der Glatze von Robin Hood's feistem Mönch schwören läßt, als auch die von Valentin gestellte Bedingung, die ganz dem in den Balladen Robin Hood nachgerühmten Verfahren entspricht. In die Nähe von Mantua hat Shakespeare die Friedlosen wohl deshalb gelegt, weil der aus Verona verbannte Romeus sich nach Mantua begiebt. Endlich ist zu beachten, daß der Grund, den Valentin für seine Verbannung vorschützt, mit dem identisch ist, der wirklich Romeus' Verbannung veranlaßt hat.

In der zweiten Scene des vierten Aktes erfahren wir zunächst, daß Proteus' Recht, frei mit Silvia zu reden, ihn seinem Ziele nicht näher bringt, da sie ihm, wenn er sie seiner Liebe versichert, nur seine Untreue gegen Valentin und Julia vorwirft. Es kommt dann Thurio mit Musikanten, um Silvia ein Ständchen zu bringen, und bald darauf im Hintergrunde Julia in Pagenkleidern, von ihrem Wirthe geführt, der ihr Gelegenheit geben will, Musik zu hören, die vielleicht ihre Schwermuth verscheuchen kann, und Proteus zu sehen, nach welchem sie sich erkundigt hat. Aber Julia wird nur um so trauriger, da sie sich selbst von der Untreue ihres Geliebten überzeugt, der, nachdem sich Thurio mit den Musikanten wieder entfernt, Silvia, die am Fenster erscheint, um Liebe anfleht und sie schließlich wenigstens um ihr Bild bittet. Dieses bewilligt sie ihm,

da es seiner Falschheit wohlanstehe, Schatten zu verehren; er soll morgen danach schicken. Der Anfang der Scene erinnert an den Anfang des Actus tertius der „Tragædia“, wo Julius, nachdem er die Briefe gefälscht, anfangs vergeblich Hyppolita's Herz zu gewinnen sucht; dann aber noch mehr an Montemayor, insofern dieser berichtet, daß Celia, nachdem sie sich zuerst Felix günstig gezeigt, ihr Benehmen ändert, sobald das Gerücht ihr zugetragen, daß dieser eine Geliebte in der Heimath habe. Viel weiter geht aber die Übereinstimmung zwischen dem Lustspiel und dem Roman in Bezug auf das Ständchen, das in dem letzteren freilich Felix (= Proteus) bringt und bringen läßt. Felismena wird, um es anzuhören, von ihrem Wirth, bei dem sie, wie Julia, in Männerkleidung eingekehrt ist, um Mitternacht geweckt; doch weiß dieser nicht, daß sie sich für Felix interessiert, da sie aus Furcht, sich zu verrathen, sich gescheut, Erkundigungen über ihn einzuziehen. Bei Shakespeare ist offenbar die Motivierung vollkommener.

In der dritten Scene des vierten Aktes versichert sich Silvia für ihre Flucht nach Mantua, wo, wie sie gehört, Valentin sich aufhält, der Begleitung Sir Eglamour's, dem sie sich ohne Bedenken anvertraut, da auch er einst geliebt hat und seiner verstorbenen Geliebten treu geblieben ist. Die Flucht soll noch an demselben Abend stattfinden: sie wollen sich bei ihres Beichtvaters, Bruder Patrick's, Zelle treffen. Diese Scene ist, wie überhaupt die ganze Lösung des Konflikts, Shakespeare's Erfindung. Der Name Sir Eglamour, den übrigens auch einer der Liebhaber Julia's I, 2, 9 führt, könnte aus der mittelenglischen Romanze gleichen Namens stammen, die zu Shakespeare's Zeit in mehreren Drucken vorlag. Daß aber Silvia, um ihren Vater zu täuschen, den Schein weckt, als wolle sie beichten, ist gewiß wieder eine Erinnerung an Brooke's Gedicht, wo Juliet, da sie das Haus verläßt, um mit Romeus getraut zu werden, ihrer Mutter vorredet, sie gehe nur zur Beichte.

Am Anfang der vierten Scene des vierten Aktes finden wir Lanz mit seinem Köter vor Silvia's Fenster. Proteus hatte ihm den Auftrag ertheilt, ihr ein niedliches Hündchen zu überbringen; allein die Schinderknechte hatten ihm das weggefangen, und so hatte er ihr denn statt desselben seinen eigenen nach seiner Ansicht, weil zehnmal so großen, auch zehnmal so viel werthen Hund zugeführt, Silvia aber ihn zurückgewiesen. Allerdings hatte sich der Hund dabei nicht besonders fein benommen, da er sofort ein Kapaunenbein vom Teller gestohlen, was Lanz veranlaßt, ihm, den

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er vor dem Ertränken gerettet, als alle seine blinden Geschwister daran glauben mußten, sein langes Sündenregister vorzuhalten. Proteus heißt ihn den verlorenen Hund wiederschaffen oder ihm nie mehr unter die Augen kommen. Diese witzige, freilich in volksthümlich derber Art durchgeführte Parthie ist gewiß ganz des Dichters Eigenthum. Darauf schickt Proteus seinen eben in Dienst genommenen Pagen Sebastian (so nennt sich Julia) zu Silvia. Silvia schickt ihm das versprochene Bild; Proteus' Brief aber zerreißt sie und weist auch den ihr von ihm übersandten Ring entschieden zurück, indem sie Julia bedauert, von welcher, wie ihr bekannt ist, Proteus denselben erhalten hat. Der Zug, daß die vergessene Geliebte als Page in den Dienst des Treulosen tritt, stammt aus Montemayor, bei dem Felismena, nachdem sie von Felix' Diener Fabius erfahren, daß jener einen Pagen suche, unter dem Namen Valerius diese Stelle annimmt und alsbald das Zutrauen des Herrn ebenso erwirbt, wie Julia in dem Lustspiel, in welchem Proteus das als Grund angiebt, daß er sich auf Lanz nicht verlassen könne. Bei Shakespeare sowohl, wie bei Montemayor, giebt der angebliche Page der neuen Geliebten Anlaß zu der Frage, ob er die frühere kenne, und bei Beiden bejaht er sie, so daß sich dann weitere Erkundigungen über dieselbe daran knüpfen. Was des Proteus' Brief an Silvia anbelangt, so schickt einen solchen sowohl Felix an Celia durch Felismena-Valerius, als auch Julius an Hyppolita durch Grobianus. Der Ring, der bei Shakespeare die Lösung herbeiführt, ist wohl erst vom Dichter in die Fabel gebracht worden, ebenso auch das Bild, das Julia-Sebastian am Schluß der Scene zu einem elegischen Monolog Gelegenheit bietet. Den Zug bei Montemayor, daß sich Celia in den vermeintlichen Valerius verliebt und an dieser Liebe stirbt, konnte Shakespeare für seine Fabel ebenso wenig brauchen, als den Selbstmord der Hyppolita.

In der ersten Scene des letzten Aktes treffen sich Silvia und Sir Eglamour, wie verabredet, bei Bruder Patrick's Zelle, um sich dann zur Hinterpforte des Klosters hinauszuschleichen und dem nahen Walde zuzueilen, wo sie sich sicher fühlen können. Sie muß ganz des Dichters Eigenthum sein.

In der nächsten Scene kommt der Herzog mit der Nachricht, daß Silvia mit Sir Eglamour zu Valentin geflohen sei: Bruder Laurence hat sie im Walde gesehen und Sir Eglamour bestimmt erkannt, Silvia freilich unter ihrer Maske nur vermuthet. Es soll ihnen schleunigst nachgesetzt werden. Thurio will dies thun, mehr

um sich an Eglamour zu rächen, als aus Liebe zu Silvia, die, wie er meint, in ihrem Eigensinn vor ihrem Glück davonlaufe. Der Bruder Laurence weist wieder auf Brooke's Gedicht: alles Uebrige ist ohne Zweifel des Dichters Erfindung.

In der dritten Scene des fünften Aktes ist Silvia von den Friedlosen gefangen: sie soll vor deren Hauptmann gebracht, Eglamour aber, der ihnen entwischt, verfolgt werden. Auch diese Scene kann kein Vorbild in den Quellen gehabt haben, aber der Name des einen Friedlosen Valerius ist mit dem identisch, den sich Felismena bei Montemayor als Page beilegt.

Am Anfang der letzten Scene finden wir Valentin, welchem Gewohnheit sein Leben im einsamen Walde bereits lieber gemacht als das in volkreichen Städten, in Gedanken an seine Geliebte versunken, bis ihn Lärm denselben entreißt und nahende Schritte veranlassen, sich zu verstecken. Von Julia-Sebastian begleitet, kommt Proteus mit Silvia, die er den Friedlosen wieder entrissen. Da sie sich aber auch jetzt noch weigert, seine Liebe anzunehmen, droht er ihr. Da verläßt Valentin sein Versteck und hält Proteus seinen Verrath an der Freundschaft in eindringlichen Worten vor. Dies bringt ihn endlich zur Besinnung: er bittet seinen Freund voller Scham um Vergebung, und dieser fühlt sich durch Proteus' Reue seinerseits zu dem Anerbieten gedrängt, sein Anrecht auf Silvia an ihn abzutreten. Aber in diesem Augenblick wird Julia ohnmächtig. Wieder zu sich gekommen, führt sie ihre Erkennung dadurch herbei, daß sie Proteus statt des Ringes, den er ihr für Silvia übergeben, denjenigen einhändigt, den er ihr selbst beim Abschied geschenkt. Nun erwacht auch die alte Liebe wieder in Proteus' Herzen, und er begreift nicht, wie ihm Silvia besser gefallen konnte, als Julia. So legt denn Valentin ihre Hände zusammen. Da bringen die Friedlosen den Herzog und Thurio. Der Letztere läßt sich durch Valentin's Drohungen zum Verzicht auf Silvia bewegen, was den Herzog so empört, daß er sofort Valentin als Schwiegersohn annimmt. Die Friedlosen werden begnadigt und treten in des Herzogs Dienst. Auch hier ist fast Alles Shakespeare's eigene Erfindung. Nur die erste Rede des Romulus im Actus quartus der „Tragedia", in welcher dieser seinem Abscheu über Julius' Verrätherei Ausdruck giebt, zeigt eine entfernte Ähnlichkeit mit der ersten Anrede Valentin's an Proteus in unserer Scene. Die Aussöhnung des Felix und der Felismena erfolgt bei Montemayor unter ganz anderen Umständen, als die von Proteus und Julia bei

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